“If language was given to men to conceal their thoughts, then gesture’s purpose was to disclose them.”
(John Napier)
Dieses Zitat von John Napier (schottischer Mathematiker und Naturgelehrter) trifft es auf den Punkt. Frei übersetzt heisst es: “Wenn der Mensch die Sprache bekommen hat, um seine Gedanken zu verbergen, so hat er die Körpersprache bekommen, um seine Gedanken zu enthüllen.”
Bild: Kit
Tatsächlich können wir aus der Körpersprache unserer Mitmenschen sehr viel herauslesen. Ich habe darüber unter anderem in den Artikeln “Lügen erkennen: Die Tricks der Geheimagenten” und “Körpersprache deuten: 14 Gesten, die ihr unbedingt vermeiden sollt” schon geschrieben.
In den letzten Wochen wurde ich immer mal wieder auf meine Körpersprache-Kenntnisse angesprochen:
- “Braucht man das heute überhaupt?”
- “Was bringt mir das?”
- “Weshalb sollte ich mich damit befassen?”
- “Ich habe sonst schon für alles zu wenig Zeit, da kann ich mich nicht auch noch mit Körpersprache und solchen Dingen befassen.”
Es scheint mir, als ob viele Menschen den Stellenwert und die Wichtigkeit von grundlegenden Kenntnissen der Körpersprache nicht sehen.
Ich hingegen bin ganz klar der Meinung, dass es immer wichtiger wird, sich damit auszukennen. Mehr denn je! Wer sich in Sachen Körpersprache auskennt, hat einfach mehr Erfolg im Leben; davon bin ich überzeugt.
Im heutigen Artikel will ich euch erzählen, was es mit der Körpersprache auf sich hat und weshalb sie so wichtig ist.
Es war einmal…
Über Millionen von Jahren wanderten unsere Vorfahren über unseren Planeten. Sie lebten in einer sehr gefährlichen Welt, voller Gefahren und Bedrohungen. Sie überlebten diese Zeit, weil sie in der Lage waren, entsprechend auf diese Gefahren zu reagieren.
Unsere Vorfahren waren in der Lage, ihre Bedürfnisse, Emotionen, Ängste und Wünsche sehr präzise mitzuteilen. Doch nicht etwa über gesprochene Sprache; nein, die gab es damals noch nicht. Alles geschah über die nonverbale Kommunikation, auch bekannt als “Körpersprache”.
Bild: (BY-NC-SA) Alan
Eine Veränderung der Gesichtsfarbe (erröten), Gesten (mit der Hand auf etwas zeigen), Geräusche (Grunzen) und Gesichtsausdrücke (Mimik); so kommunizierten unsere Vorfahren und so teilten sie ihrer Sippe mit, was die denken.
Dieses “biologische Erbe” haben wir von unseren Vorfahren übernommen. Wir besitzen es noch immer. Und deshalb kommunizieren wir auch heute nach wie vor hauptsächlich über die Körpersprache. Das mag auch der Grund sein, weshalb wir es beim Schreiben oft nicht lassen können, unsere Texte durch Gesichtsausdrücke, die wir “Emoticons” nennen, zu ergänzen. ;-)
Gott sei Dank haben wir ein solches nonverbales Kommunikationssystem entwickelt! Hätten wir dies nicht, wären wir bestimmt schon längstens ausgestorben.
Bei Gefahr reagieren wir oftmals instinktiv, ohne groß nachzudenken. Und das ist auch gut so. Man stelle sich bloß mal vor, eine giftige Schlange käme uns entgegen und wir würden zuerst einmal anfangen, bewusst nachzudenken, was das für uns bedeutet, ob die Schlange uns wirklich beißen oder einfach an uns vorbei kriechen wird, ob es wirklich eine Giftschlange ist oder nur so aussieht… Nein, das nähme kein gutes Ende. In einer solchen Situation handeln wir instinktiv. Wir reagieren auf die Gefahr und denken nicht groß nach. Unsere Reaktion teilen wir dann direkt über unsere Körpersprache auch den Mitmenschen mit, die dies sehen und ebenfalls darauf reagieren können.
Diese instinktiven Reaktionen haben uns über die Millionen von Jahren vor dem Aussterben bewahrt.
Wenn wir einen aggressiven Hund sehen, bleiben wir sofort stehen. Ebenso wenn wir auf der Afrika-Safari einer Großkatze begegnen. In Sekundenbruchteilen entscheiden wir dann, ob wir einfach still stehen bleiben, kämpfen oder flüchten. Auf alle Gefahren, die uns drohen, reagieren wir mit einer dieser drei Möglichkeiten.
Von der Safari in den Großstadtdschungel
Und genau so, wie wir in Sekundenbruchteilen auf den aggressiven Hund reagieren, so zeigt auch unsere Körpersprache sofort, wie es uns geht und was wir von jemandem oder etwas halten. Auch bei der Arbeit im Büro und im Gespräch mit Kollegen. Unsere Körpersprache teilt den Mitmenschen mit, ob wir uns wohl fühlen oder nicht, ob wir zufrieden oder unzufrieden sind, sicher oder unsicher.
Dies ist grundsätzlich eine tolle Sache. Stell dir vor, einer deiner Freunde isst etwas Verdorbenes. Alleine in seinem Gesichtsausdruck wirst du erkennen, dass du dieses Nahrungsmittel besser nicht auch noch probieren solltest…
Mit der Körpersprache teilen wir also extrem rasch, authentisch und zuverlässig mit, was wirklich wichtig ist.
Und weil die Körpersprache so tief in uns drin verankert ist, benutzen wir sie bei jeder Gelegenheit. Auch dann, wenn es nicht um Gefahren geht.
Wenn wir mit einem sehr guten Freund sprechen, der uns wirklich sehr mag, und wir im Gespräch bemerken, dass einer seiner Füße in Richtung Ausgang oder zu seinem Auto zeigt, dann wissen wir, dass er gerne gehen möchte.* Vielleicht hat er noch einen wichtigen Termin. Vielleicht muss er seine Kinder von der Schule abholen. Aber aus Höflichkeit will er nichts sagen und das nette Gespräch nicht abbrechen. In solchen Situationen können wir in der Körpersprache mehr erkennen als in der gesprochenen Sprache. Und wir können entsprechend darauf reagieren.
Wenn wir jemandem begegnen, den wir sehr mögen, werden sich unsere Augenbrauen augenblicklich heben, wir werden die Augen leicht weiter öffnen als normal und unsere Arme werden sich möglicherweise weiter öffnen, so dass wir die Person willkommen heißen können.
Wenn wir jemanden mögen, spiegeln wir dessen Verhalten, neigen leicht den Kopf und unsere Pupillen werden sich erweitern. Auch hier: Der Körper kommuniziert sehr präzise, was wir von der aktuellen Situation (bzw. von diesem Menschen) halten.
Und weil der Körper dies grundsätzlich automatisch macht, können wir einen großen Nutzen daraus ziehen, solche Punkte bei unseren Mitmenschen zu beobachten.
Kenntnisse der Körpersprache bringen dich weiter
Egal ob im Beruf, zu Hause oder in einer Beziehung: Unsere Körpersprache wird den Mitmenschen immer mitteilen, ob wir uns wohl oder unwohl fühlen. Die wahren Gefühle lassen sich nicht verbergen. Die Frage ist nur, ob die Mitmenschen in der Lage sind, unsere Körpersprache zu lesen. Oder ob du in der Lage bist, die Körpersprache deiner Mitmenschen zu lesen.
Denn tatsächlich ist es so, dass wir mit der Fähigkeit, die Körpersprache unserer Mitmenschen lesen zu können, sehr viel erreichen können. Auf diese Weise werden wir sofort erkennen, wie andere über uns denken und wir sehen, wie sich unsere Beziehung entwickelt, indem wir die Körpersprache des Partners lesen und nicht nur auf seine Worte hören.
Manchmal bemerken wir, dass uns unser Partner nicht mehr so oft berührt wie früher. Oder beim Spazieren ist der Abstand zwischen uns und dem Partner größer als üblich. Wer solche Veränderungen bemerkt, ist klar im Vorteil.
Und dann gibt es noch ganz subtile Anzeichen dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dazu gehört zum Beispiel das Berühren nur mit den Fingerspitzen statt mit der Handfläche (bei Umarmungen etc.). Dies ist ein deutliches Zeichen, bei uns wie auch bei anderen Paaren, die wir beobachten.
Wer die Körpersprache versteht und erkennen kann, ob sich unsere Mitmenschen wohl fühlen (oder eben nicht), der ist klar im Vorteil.
* Achtung: Wenn wir die Körpersprache eines Menschen lesen, ist es wichtig, immer auf so genannte “Cluster” zu achten, die sich aus mehreren Signalen zusammensetzen. Denn mit der Körpersprache ist es wie mit der gesprochenen Sprache: Eine einzelne Geste alleine hat kaum eine Bedeutung. Das wäre, als ob wir versuchen würden, aus einem einzelnen Wort gleich auf den Charakter unseres Gegenübers zu schließen. Auf was wir achten müssen, sind “Cluster”, Ansammlungen von verschiedenen Gesten, Gesichtsausdrücken und Bewegungen. Genau so, wie wir bei der gesprochenen Sprache in Sätzen sprechen. Erst dann können wir die Körpersprache unseres Gegenübers entschlüsseln.
Hier auf dem interaktionsblog.de werde ich auch in Zukunft immer wieder über solche Themen schreiben und ihr werdet mit der Zeit lernen, die Körpersprache eurer Mitmenschen zu lesen.