Mehr Beziehung, anstatt Erziehung. Ein Brief an mein Kind.

Von Duunddeinkind

Wann ist mir der Alltag über den Kopf gewachsen? Wann hat mich der Alltag übermannt? Wann kam diese strikte Erziehung, anstatt der liebevollen Beziehung zwischen uns?

Hallo mein kleiner Schatz,

du hattest es in den letzten Wochen und Monaten nicht immer leicht. Und schon gar nicht mit mir. Ich war schnell gereizt, oft unter Druck und voller Spannung, hatte wenig Geduld und war so gar nicht die liebevolle Mama die du sonst kanntest.

Ich habe dich angeschrien, habe getobt und habe gewütet. Und warum? Aus Stress, aus Druck, aus Angst. Völlig umsonst! Es hat absolut nichts gebracht. Im Gegenteil. Einzig und allein mein schlechtes Gewissen dir gegenüber wurde größer und größer. Und der Kreislauf des „sich schlecht fühlen“ begann. Du hattest das alles nicht verdient, denn du konntest am wenigsten dafür. Alle paar Tage war ich viel zu dünnhäutig und ich habe mich unfair dir gegenüber benommen.

Irgendwie schlich sich das so ein.

Mein Alltag stresste mich, ständig mit dem Hund gassi gehen zu müssen, dich zweimal schlafen zu legen und dann noch zwischendrin den Haushalt schmeißen und einkaufen. Du brauchtest steht’s und ständig mehr. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Leben, mehr Action. Und ich wollte dir nur das Beste geben und vermitteln. Ich ging neben den 2-3 Gassigängen nochmals 1-2 mal mit dir nach draußen. Kochte jeden Tag frisch. Stellt mein Leben komplett um. Doch dabei vergaß ich auch mich. Und sobald ich das begriffen hatte, war ich konsequent und absolut nicht mehr diskusionbereit. Das Mittelmaß der Dinge fehlte mir. Entweder war ich „zu locker“ oder zu streng. „Erziehung“ überforderte mich, denn anstatt in eine Beziehung mit dir zu gelangen, forderte ich nur Dinge. Ich gab wenig und doch zu viel.

Beziehung statt Erziehungen!

Doch dann kam er, der wundervolle Abend. Papa und ich brachten dich gerade zu Bett, kuschelten und ich las dir noch gefühlt 100000 Bücher vor. Dann schaltete ich das Licht aus, stillte dich und du schliefst ein. Als ich beim hinausgehen das Kleine Nachtlicht anmachen wollte, schaute ich dich noch einmal an. Ich legte mich neben dich und sah dich einfach nur an.

Plötzlich bekam ich Schmetterlinge im Bauch. Es war wie nach den Monaten nach deiner Geburt. Ich bekam diese wundervolle Verliebtheit zurück. Ich dachte daran, dass du irgendwann nicht mehr neben mir liegen wollen würdest. Ich dachte daran, dass du irgendwann eine Freundin haben wirfst und das du dann vermutlich …

All das machte mich traurig.

Ich begriff wieder, wie wertvoll und kostbar die Zeit ist. Du konntest nie etwas für die Umstände, dass unser Alltag mich stresst. Du bist der Grund weshalb die Welt so lange still stand und weshalb der Alltag erst sehr sehr spät wieder einzog. Was gibt es wichtigeres, als eine gute Beziehungen zu dir zu haben? Was gewichtet mehr? Das du ordentlich isst – oder das wir zusammen Spaß beim Essen haben? Was ist besser – eine überforderte Mutter, die jetzt in diesem Moment einfach mal 10 Minuten Ruhe braucht. Sie sich aber keine 10 Minuten nehmen will, weil sie Angst hat, das diese lächerlichen 10 Minuten Fernsehen dir mehr schaden könnten, als eine kurz vor der Explosion stehende Mutter…?

Mein Schatz, ich glaube ich habe viel gelernt und erkenne unseren Weg nun wieder deutlicher. Ich habe mich wieder gefunden. Ich war gar nicht weg, ich bin bloß kurz vom Weg abgekommen. Doch, here i am. Here we are. Gemeinsam, du und ich. Papa und Mama. Papa und Sohn. Wir gemeinsam als Familie. In liebevoller Beziehung, statt in strikter Erziehung…