Mehr als nur ein Keltendorf

Archäologen landen auf dem Nestlé-Gelände einen „Volltreffer“: Ihre Funde sind zum Teil über 6000 Jahre alt

Nach der Grabstätte jetzt das Dorf: Archäologische Funde erzählen die Geschichte der hiesigen Kelten weiter. Manches schlummerte aber noch viel länger in der Erde.

Von Thorsten Remsperger

Hattersheim. Bürgermeisterin Antje Köster schließt aus den Funden auf dem Nestle-Gelände, “dass man in Hattersheim schon immer gern gewohnt hat”. Für Udo Recker vom Landesamt für Denkmalpflege sind die Ausgrabungen schlicht ein “Volltreffer”. Mehr als nur ein KeltendorfDiese Bezeichnung ist für einen Archäologen, der lieber drei Mal “wahrscheinlich” als einmal “mit Sicherheit” sagt (O-Ton Recker), schon fast ein Superlativ.

Die seit 1999 vorgenommenen Ausgrabungen im Südwesten der Stadt zählen nach den neuesten Funden, die seit April diesen Jahres zwischen Hessendamm und Wasserwerkchaussee, mitten im Baugebiet Süd, gemacht wurden, zu den wichtigsten dieser Art in Deutschland. Doch die aktuellen Ergebnisse setzen den Arbeiten aus den Jahren 1999, 2003 und 2004 erst die Krone auf: Die Archäologen haben zu der keltischen Grabstätte aus der Eisenzeit das passende Dorf gefunden. Es ist eine der größten Siedlungen dieser Art, die in Deutschland bisher entdeckt worden ist.

Michelsberger Kultur

Diese Knochen-Ahle nutzten die Menschen in der Mittleren Bronzezeit (1600 bis 1300 v. Chr.) zur Bearbeitung von Leder.Diese Knochen-Ahle nutzten die Menschen in der Mittleren Bronzezeit (1600 bis 1300 v. Chr.) zur Bearbeitung von Leder.Diese Knochen-Ahle nutzten die Menschen in der Mittleren Bronzezeit (1600 bis 1300 v. Chr.) zur Bearbeitung von Leder.Grabungsleiterin Jessica Meyer kann noch einen draufsetzen: Viele Funde aus der Erde sind noch sehr viel älter als das erste Jahrtausend vor Christi Geburt. Sie reichen bis in die sogenannte Michelsberger Kultur zurück – also in das Leben zwischen 4400 und 3500 vor Christus. Die Kulturgruppe, nach einem Fundplatz auf dem Michaelsberg bei Bruchsal benannt, war in der Jungsteinzeit vom Pariser Becken bis in den süddeutschen Raum verbreitet. Die Archäologen wissen, dass ihre Funde auf dem zwei Hektar großen, ehemaligen Sarotti-Areal so alt sind, weil sie in Vorratsgruben unter der Erde Keramikteile von Tulpenbechern, verzierten Tonscheiben und Feldkrügen sowie Reib- und Klopfsteine und Steinbeile gefunden haben.

Noch viel mehr Rückschlüsse auf das Leben unserer Vorfahren geben die sterblichen Überreste von Menschen. Zwei Skelette fanden die Archäologen, die aus einer Doppelbestattung in einer solchen Grube resultieren. Weitere Untersuchungen sollen jetzt die Umstände klären, unter denen die Menschen vor rund 6000 Jahren zu Tode kamen. Die Zusammensetzung der Knochen kann etwas über Verletzungen, Krankheiten, verwandtschaftliche Beziehungen oder die Herkunft der Personen verraten. Dies kommt auch bei einem anderen, deutlich jüngeren Grab zum Tragen, in dem zwei Frauen und ein Kind gefunden wurden.

Bronze und eine Landwehr

So haben die Hattersheimer einmal ausgesehen: Solche Szenen aus dem Lagerleben der Kelten haben sich hier vor rund 3000 Jahren abgespielt. Nach den Grabstätten fanden Archäologen jetzt auch Spuren des dazugehörigen Dorfs. Manche Funde sind jedoch noch viel älter. Foto: dpaSo haben die Hattersheimer einmal ausgesehen: Solche Szenen aus dem Lagerleben der Kelten haben sich hier vor rund 3000 Jahren abgespielt. Nach den Grabstätten fanden Archäologen jetzt auch Spuren des dazugehörigen Dorfs. Manche Funde sind jedoch noch viel älter. Foto: dpaWarum wurden sie nicht bei den anderen rund 50 Keltengräbern bestattet? Dieser und vieler anderer Fragen gehen nun Anthropologen und Naturwissenschaftler nach. “Wir untersuchen die Normalsterblichen und sind der Gegenpol zur Fundstätte auf dem Glauberg, wo die Krieger-Elite lebte”, sagt Bezirksarchäologe Udo Recker. Bei der Vielfalt der Funde geht fast unter, dass die Archäologen auch auf Spuren aus der Mittleren Bronzezeit (1600 bis 1300 v. Chr.) stießen, die so heißt, weil damals Waffen und Werkzeuge aus diesem Metall hergestellt worden sind. Ganz nebenbei entdeckten die neun Grabungshelfer des Landesamtes für Denkmalpflege eine lineare Struktur in der Landschaft, die auf eine Landwehr schließt, die es im 16. oder 17. Jahrhundert gegeben haben muss. Voraussichtlich bis Mitte November buddelt das Team von Jessica Meyer noch in der Erde. Danach entsteht auf der “grandiosen Fundstelle”, so die Grabungsleiterin, das Neubaugebiet “Schokoladenquartier”.

Artikel vom 27. September 2011, 19.00 Uhr (letzte Änderung 28. September 2011, 04.17 Uhr)

via Mehr als nur ein Keltendorf | – Frankfurter Neue Presse – Frankfurt.


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