Mehr als fahrlässig: Hinrichtungsvideo auf Facebook

Wie stern.de berichtet, ist über Facebook eine Video zu sehen, auf dem ein Mann langsam und bestialisch von Vermummten enthauptet wird. Das Video mit dem Titel "Terrorismus in Syrien" wurde bereits mehr als 14.000 mal angeklickt. Facebook selbst, so Marius Gerads und Sebastian Schneider von stern.de, weigert sich, den Post zu entfernen, da quasi auf diese Weise "Voraussetzung für einen gesellschaftlichen Diskurs" geschaffen werde.
Facebook müsse "ein Ort sein (...), an dem es möglich ist, auf Missstände auch mit Hilfe von drastischen oder verstörenden Inhalten aufmerksam zu machen". Jugendschutz.net - von dem Vertreter nächstes Semester auch in meinem Uni-Seminar "Terrorismus transmedial" zu Gast sein werden - spricht hier zurecht von jugendgefährdendem Inhalt. Nicht zuletzt, insofern das Video keinerlei Kontextualisierung aufweist.
Wenn freilich Facebook hier nicht mal eine Grenze zieht und grausamste terroristische Massakrierungen und damit entsprechenden Extremisten Möglichkeit zur Präsentation gibt, wo dann? Zumal dies, so stern.de, nicht der erste derartige Fall ist. Allerdings löschte Facebook nach erheblichen Protesten die Darstellung der Hinrichtung einer Frau im Mai diesen Jahres doch, wie u.a. Spiegel-Online berichtete - und dabei ebenfalls den Gedanken aufwarf, dass durch derartige "Zensur" Oppositionellen in aller Welt schaden könnte: "Wäre das 1972 im Vietnamkrieg entstandene Foto der neunjährigen Südvietnamesin Kim Phuc heute auf Facebook zulässig? Das Foto eines nackten Mädchens mit schmerzverzerrtem Gesicht und Verbrennungen? Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage."
Mit einem solchen unhaltbaren ethischen Relativismus - abgesehen von der fragwürdigen Vergleichbarkeit -  kann man freilich jede unregulierte, nicht zuletzt die Opfer entwürdigende Dar- und Zur-Schau-Stellung realer Bestialitäten rechtfertigen. Sicherlich mögende schockierende Bilder ihr Recht haben und bekommen, wenn es darum geht, aufzurütteln, zu mahnen, zu erinnern etc. Doch: a) dazu braucht es eben auch den entsprechenden Kontext, den kommunikativen Rahmen und Ort, der hier weder gegeben ist, noch sich gewährleisten ließe (insofern das Enthauptungsvideo gem. der FB-Logik fröhlich geteilt, damit weiter bereitet und zur "Mutprobe" genutzt wurde). Und b) sollten dann derartige affektiven "Dokumente" immer nur letztes Mittel zum Zweck sein.
Nochmals: Es geht nicht um das Video selbst oder das, was er zeigt. Und sicher haben die schrecklichen Aufnahmen der Holocaust-Opfer in Alain Resnais NUIT ET BROUILLARD / NACHT UND NEBEL von 1955 ihre Berechtigung. Wenn aber Neonazis aus dem Zusammenhang reißen und implizit oder explizit höhnisch auf ihrem Social-Network-Seiten ausstellen würden, wäre dies nicht hinnehmbar.
Dass in der modernen digitalisierten Welt die Verbreitung von Bildern kaum mehr zu kontrollieren oder zu steuern ist, mag sein. Dass man es aber unwidersprochen hinnimmt und in gebotenen Fällen nicht dagegen vorgeht ist jedoch keine echte, lebbare Option.
Inwiefern rechtliche Schritte gegen Facebook einzuleiten sind und entsprechende Sanktionen in Deutschland anzudrohen oder zu verhängen sind (neben dem Meinungsdruck), weiß ich nicht. Ich hoffe aber, dass man mit Facebook und ähnlichen Diensten zu einer langfristigen Lösung kommt, damit nicht immer wieder Einzelfälle auftreten und kritisiert werden müssen.
Darüber hinaus steht nicht mal (und sogar vielleicht weniger noch) nur Facebook in der Pflicht. Insofern der Clip ja nicht direkt auf FB eingestellt ist, sondern dieser über einen Link auf eine Videoplattform (YouTube) dort eingebunden ist, stellt sich mehr noch die Frage, weshalb nicht in welcher Form auch immer eben dieser Anbieter in die Pflicht zu nehmen ist.
zyw 

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