Sie kniete vor Blumen nieder, aber nicht vor Königin Elisabeth II. Ihrem Mann finanzierte sie das Studium. Auf das Raucherverbot pfiff sie. Zum Tode von Loki Schmidt, einer bemerkenswert unabhängigen Frau. Die Liebe zur Natur hatte sie schon, als sie noch ein kleines Kind war. Ihre ersten Worte waren außer „Papa“ und „Mama“ auch „Frau Mantel“ – womit der Frauenmantel gemeint war. So schildert es Hannelore Schmidt, die schon von Kindertagen an Loki genannt wurde, im „Naturbuch für Neugierige“, einem ihrer vielen Bücher. Darin erinnert sie sich noch genau, wie fasziniert sie war von den tief gezackten Blättern des Löwenzahns, der zwischen den Steinen im dunklen Hinterhof ihrer Kindertage spross. Loki Schmidt, geboren 1919, wuchs in einfachen Verhältnissen in Hamburg-Barmbek auf. Ihr Vater war ein Werftarbeiter. Als er 1931 arbeitslos wurde, finanzierte die Mutter als Näherin die Familie, Loki kümmerte sich neben der Schule um ihre jüngeren Geschwister. Diese Erfahrung mag dazu beigetragen haben, dass Loki Schmidt eine bemerkenswert selbstständige Frau war. Ausschlaggebend war sie aber nicht. Schon vorher hatte sich Loki Schmidt bei Klassenkameraden den Spitznamen „Schmeling“ erworben, in Anlehnung an den Boxer Max Schmeling: weil sie ordentlich zuschlagen konnte. „Ich war nie ein richtiges Mädchen, ich war ein wüster Schläger“, schrieb sie über sich. Wenig weiblich trat sie auch in späteren Jahren auf: Ihre Markenzeichen waren Kurzhaarschnitt, Hosenanzug, ein kecker Blick – und stets griffbereite Zigaretten. Dieses Laster begann sie bereits in jungen Jahren: Als Zehnjährige rauchte sie ihre erste Zigarette – gemeinsam mit ihrem Schulkameraden Helmut Schmidt. Genauso wenig wie von den Zigaretten kam sie von ihm los. 1941 versprachen sie sich auf einer Berliner Parkbank: Sollten sie den Krieg überleben, gehörten sie einander. Er war damals Wehrmachtsoffizier. 1942 heirateten sie. Im Mai 1944 kam Sohn Helmut Walter zur Welt, der allerdings nach wenigen Monaten starb. Drei Jahre später wurde Tochter Susanne geboren. Mit ihrer Arbeit als Lehrerin ermöglichte Loki Schmidt ihrem Mann nach dem Zweiten Weltkrieg das Studium. Die beiden führten eine Beziehung auf Augenhöhe. Sie könnten immer miteinander reden, zanken und lachen, beschrieb Loki Schmidt das Geheimnis ihrer langen Partnerschaft. „Wir haben immer versucht, so zu sein, wie wir sind.“ So verwundert es nicht, dass der bodenständigen Hanseatin die Rolle als Kanzlergattin nicht zu Kopfe stieg. Es war ihr bereits schwer gefallen, 1972 ihren Lehrerberuf in Hamburg aufzugeben. Helmut Schmidt war damals Minister in Bonn, zwei Jahre später wurde er Regierungschef. Ganz hanseatisch bewahrte sie zum Bonner Politikbetrieb Abstand – wie auch zu Autoritäten auf Staatsbesuchen. In ihrem gerade erschienenen Memoiren „Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde“ erinnert sie sich: „Ich habe weder vor der englischen Königin noch sonst vor irgendwelchen gekrönten Häuptern einen Knicks gemacht. Ich habe mich zwar protokollgerecht verhalten, aber mit Knicksen konnte ich nicht dienen.“ Ab 1976 nutzte Loki Schmidt den Namen und die Stellung ihres Mannes, um für Naturschutz zu werben. Sie gründete ein Kuratorium zum Schutze gefährdeter Pflanzen, das ab 1977 Menschen auszeichnete, die sich besonders um den Umweltschutz verdient gemacht haben. Dabei sollte es nicht bleiben. Loki Schmidt widmete einen Großteil ihrer Zeit den Pflanzen. Sie begleitete Wissenschaftler auf eigene Kosten in die entlegendsten Winkel der Erde, veröffentlichte Bücher zu botanischen Themen. Ab 1980 benannte sie im Namen ihrer Stiftung die „Blume des Jahres“, um auf deren Schutzbedürftigkeit aufmerksam zu machen. Für ihr Engagement erhielt sie eine Vielzahl Auszeichnungen, darunter eine Ehrenprofessur und die Ehrendoktorwürde der Hamburger Universität. Das dürfte sie besonders gefreut haben – war ihr Wunsch des Biologiestudiums doch am fehlenden Geld gescheitert. Nach Loki Schmidt sind mehrere Pflanzen benannt, beispielsweise die Bromelienart „Pitcairnia loki-schmidtiae“, die sie 1985 auf einer Mexiko-Reise entdeckt hatte. In Ihrer Heimatstadt Hamburg wurde Loki Schmidt in späteren Jahren mit ihrem Mann regelrecht zu einer Institution. Öffentliche Auftritte wurden ausführlich gewürdigt; ans Rauchverbot hielten sie sich nicht immer. In den vergangenen Jahren kränkelte die Hamburger Ehrenbürgerin zunehmend: Sie erlitt eine lebensbedrohliche Sepsis, Schwächeanfälle und Lendenwirbelbrüche. Seit Jahren benötigte sie einen Gehwagen. Über ihre Gebrechen lamentierte sie nur selten. Das hohe Alter sei „nicht sehr lustig“, sagte sie mal. Als Loki Schmidt im Juli wie jeden Sommer Naturschützer auszeichnete, bezweifelte sie, ob sie angesichts ihres Alters auch zur nächsten Preisverleihung kommen könne. In der Nacht zum Donnerstag starb die 91 jährige. Nach einem Sprunggelenkbruch war sie nicht mehr auf die Beine gekommen.