Neue Tapete
Offenbar fühlte sich Capcom vom 2016 veröffentlichten „Mighty No 9" angestachelt - der Titel bediente sich unbekümmert dreist beim großen Mega Man und steckte das Spielprinzip in zeitgemäßeres Gewand. Dass das eigentliche Spiel mit dem Original nicht mithalten konnte, fiel da erst später auf. Doch diese Aufmüpfigkeit, geradezu dreist zu versuchen, die unumstößliche Legende des Action-Hüpfspiels vom Thron stürzen zu wollen, hat Capcoms Entwickler dazu veranlasst, Mega Man ebenfalls in moderne Kleider zu packen. So hüpft und ballert sich der Spieler durch schicke HD-Welten in 2,5D - obwohl von der angedeuteten dritten Dimension kein Gebrauch gemacht wird. Denn im Keim hat sich seit dem Debüt 1987 nix geändert: Es geht zuverlässig von links nach rechts (oder umgekehrt) sowie oben nach unten (oder umgekehrt). Gefeuert werden darf in Blickrichtung - fertig.
Lernfähig
Doch ganz ehrlich: Dieses kleine Gameplay-Gimmick ist für Veteranen nicht mehr als ein netter Gag. Serien-Neulinge freuen sich darüber vielleicht, aber um das Spiel erfolgreich abzuschließen, ist der Einsatz weder des einen noch des anderen Gears zwingend erforderlich.
Never touch a running system
Damit die ganze Tour nicht zu happig wird, bietet Teil 11 wie auch Teil 10 verschiedene Schwierigkeitsgrade an. Lediglich auf „Anfänger" ist das Spiel mit unendlich Leben, schwächeren Feinden und einem Vögelchen, das Mega Man aus sonst tödlichen Löchern hievt, deutlich leichter. „Normal" bedeutet hier den klassischen Mega-Man-Schwierigkeitsgrad - und der ist sackschwer.
Ansonsten wird in bester Serientradition die ganze Palette an liebgewonnenen Plattformer-Gemeinheiten aufgefahren, die aus der Serie bekannt sind - inklusive dem berühmten Respawn besiegter Gegner, wenn Mega Man wieder in einen Bildschirm zurückkehrt. Bevor aber die komplette Verzweiflung um sich greift: Es gibt deutlich mehr Rücksetzpunkte innerhalb der Levels.
Hart wie eh und je
Zum Leveldesign muss auch angemerkt werden, dass die Stages richtig schön entworfen wurden und auch von ihrer kompletten Aufmachung originell und stimmig wirken. Die Bounce-Man-Stage etwa sieht sehr knuddelig aus, hier nutzt Mega Man mit perfektem Sprungtiming bunte Bälle als Sprungbrett, eisiger Wind katapultiert ihn in Tundra Mans Level nach vorne. Serientypisch sind ebenfalls die vor Persönlichkeit geradezu triefenden Standardgegner.
Technisch passt das Paket: Wunderschöne, stilistisch zur Serie passende 2,5D-Grafik und ein toller Soundtrack - allerdings ohne wirkliche Killer-Titel oder Ohrwürmer wie zu 8 Bit-Tagen.
Freilich wird man hier nicht, wie bei modernen Spielen üblich, an die Hand genommen. Manch einer wird also eine steile ‚Oldschool-Lernkurve' überwinden müssen, bevor der erste Robotmaster fällt. Doch in der Summe ist Teil 11 vom Schwierigkeitsgrad her noch ein humaner Vertreter, da war Teil 9 noch deutlich extremer.
Fazit
So muss ein 2D-Klassiker im modernen Gewand sein: Mega Man 11 bringt technisch alles mit, um auch 2018 schick auszusehen. Zudem ist es im Kern immer noch das gleiche Spiel wie 1987 (wenngleich Mega Man ein paar Fähigkeiten hinzugewonnen hat), was die Retrofans freuen wird. Die 2D-Ikone bleibt ihren Wurzeln auch in diesem Titel treu und beeindruckt mit toller Technik, unglaublich viel Charme, hervorragendem Leveldesign und hammerharten Levels vergangener Tage. Zwar sind geübte Spieler in zehn Minuten durch jedes Level (und damit in drei Stunden durchs ganze Spiel), aber das spielt keine Rolle. Es ist Mega Man!