Medienerziehung ist ein heiß diskutiertes Thema, an dem sich die Geister scheiden. Nicht nur generationsübergreifend, auch in unserem Freundeskreis und damit unter Vertretern unserer Jahrgänge wir der Umgang mit TV, Internet, Handys, Smartphones und Tablets mehr als kontrovers diskutiert. Eine meiner Lieblingsblogerinnen Anna von Berlinmittemom hat zusammen mit Scoyo, einer Online-Lernplattform, eine Blogparade zum Thema Medienerziehung ins Leben gerufen.
(Sehr sehenswert übrigens auch der erste virtuelle Elternabend vom 30.09., bei dem Experten zum Thema diskutierten).
Zeit also, mal etwas aus dem Nähkästchen zu plaudern. Über unseren Umgang mit Medien und die Hintergründe.
Bei uns zu Hause hat sämtlicher Medienkonsum seinen festen Platz. Ich lese viele Bücher, Zeitschriften und E-books. Genauso meine 9jährige, die wie ich ein eigenes Kindle besitzt. Das finde ich auch deshalb total praktisch, weil sie Fachbegriffe durch einfaches Antippen eines Wortes selbstständig nachschlagen kann. Meine 3jährige liebt Bücher und lässt sich jeden Abend ausgiebig von allen Familienmitgliedern vorlesen.
Im Wohnzimmer steht unser Fernseher, was meiner Ansicht nach auch der einzig angemessene Raum hierfür ist (mein Mann ist da anderer Meinung, aber ich habe mich durchgesetzt). Unser TV wird ganz unterschiedlich genutzt. An einem verregneten Samstagnachmittag läuft er schon mal 2 Stunden und die ganze Familie schaut sich "Lars der kleine Eisbär" oder ähnliches an. Dann bleibt er wieder tagelang aus, da wir anderweitig beschäftigt sind.
Wir besitzen 3 Laptops (einer davon ist mein ausrangierter und wird sicherlich in Kürze an die Große vererbt). Durch meine Arbeit als Texterin und meinen Blog läuft mein Notebook täglich und "Mama vor dem Laptop" ist für meine Kinder ein ebenso vertrautes Bild wie "Mama in der Küche".
Tablets sind bei allen beliebt Erstes Smartphone mit 9
Mein Mann benutzt täglich sein ipad, an dem auch der Zwerg das ein oder andere Youtube-Video sehen darf. Tolle Möglichkeiten bieten sich hier, die man durch TV oder Bücher nicht hat. Unsere Tochter spricht deutsch. Seit wir aber nach Istanbul ausgewandert sind, geht sie in einen internationalen Kindergarten, in dem türkisch und englisch dazukommen. Eine ihrer liebsten Beschäftigungen ist es, sich "Caillou backt Pizza" in allen 3 Sprachen anzusehen. Unsere Große besitzt ein Tablet, auf dem sie E-Mails abrufen darf (ehemalige Klassenkameradinnen), skypen kann (mit der Familie in Deutschland), mit Hilfe von Apps türkische und englische Vokabeln lernt und gemeinsam ausgewählte Spiele spielt. Den Internet-Browser nutzt sie nur in meinem Beisein. Auch hier genieße ich einige Vorzüge, die mir das Leben erleichtern. Wenn sie zum Beispiel Armbänder knüpft, sieht sie sich auf Youtube Tutorials an. Ganz ehrlich? Ist mir tausendmal lieber, als mich selbst in eine 20seitige Anleitung einzulesen um es ihr zu erklären.
Sogar der Zwerg besitzt bereits seit seinem zweiten Lebensjahr ein eigenes Tablet. Es ist ein Modell speziell für Kinder, in dem man die Funktionen je nach Alter stark einschränken kann. Angeschafft wurde es ursprünglich nur deshalb, damit die Große ihr eigenes Tablet ungestört nutzen kann (beide Tablets lagen letztes Jahr unterm Weihnachtsbaum) und ich mein Kindle wieder bekomme, das der Zwerg bis dahin ständig in Beschlag nahm. Zu Hause liegt das Kids Tablet grundsätzlich in der Schublade, ist aber auf unseren regelmäßigen Flugreisen ein treuer Begleiter und auch im Krankenlager mittlerweile unverzichtbar, wenn uns mal wieder eine Grippewelle heimsucht. Momentan hat sie auf 2 einfache Spiele, ein Malprogramm und 5 kurze Kindervideos Zugriff. Ein "Spielzeug", das über Jahre interessant und nützlich bleiben kann, indem man es regelmäßig um altersgerechte Funktionen erweitert.
Wir Eltern und auch die Große (seit Beginn des aktuellen 4. Schuljahres) besitzen Smartphones.
Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, dass sie in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch kein Smartphone bekommen hätte. Aber neue Schule, neue Sprache, neue Adresse, neue Stadt....da konnte ich auch als Mama besser schlafen als ich wusste, sie hat eine Möglichkeit mit uns Kontakt aufzunehmen wenn irgendwas nicht klappen sollte. Und mittlerweile finde ich es auch im Alltag ganz praktisch. Beispielsweise wenn mir die Große mittags eine Whatsapp Nachricht schickt, dass das Essen in der Kantine grausig schmeckt. Dann weiß ich: Eine Portion mehr kochen ;-).
Wir besitzen für sämtliche Geräte keine festen "Regeln" hinsichtlich der Nutzungsdauer und setzen stattdessen auf unsere Vorbildfunktion, Vertrauen und Kommunikation.
Es ist selbstverständlich, dass während dem Essen keiner am Smartphone hängt und ein Spieleabend mit Karten oder Brettspielen diversen Apps vorgezogen wird. Aber durch die vielseitigen Möglichkeiten, die zum Beispiel das Tablet der Großen ermöglicht, bin ich von einer Regelung à la 30 Minuten am Tag abgekommen. Schließlich fiel mir in bestimmten Situationen auch kein vernünftiges Argument ein. Warum sollte sie beispielsweise vor dem zu Bett gehen kein Hörbuch mehr auf dem Tablet hören dürfen, eine Kassette auf dem Kassettenrekorder wäre aber in Ordnung?
Nach meiner kurzen Technik- Inventur muss ich schlucken. 2 Erwachsene und 2 Kinder im Alter von 9 und 3 Jahren besitzen zusammen 1 Fernseher, 3 Notebooks, 2 Kindles, 3 Tablets und 3 Smartphones. Und auf Gameboys, Spielekonsolen, MP3 Player und unsere Zweithandys mit deutschen Nummern möchte ich gar nicht näher eingehen....
Wer sich jetzt fragt, warum die aktive Nutzung sämtlicher verfügbarer Medien einen so festen Platz in unserem Leben hat, dem möchte ich sehr gerne beschreiben, wie ich die neuen Möglichkeiten sehe.
Ich stelle mir vor, das alle Eltern im Laufe ihres Lebens entweder geplant oder überraschend von einer ruhigen, abgeschiedenen Elternwelt in ein pulsierendes Zentrum einer unbekannten "Stadt" ziehen. Dort leben Sie von heute auf morgen inmitten einer riesigen Kreuzung.
Manche Eltern kennen die Fahrzeuge, die Verkehrsschilder und die Regeln, nach denen sich die unterschiedlichen Teilnehmer auf dieser Kreuzung bewegen. Einigen Eltern fehlt die komplette Übersicht. Ein Teil des Verkehrs ist ihnen vertraut, ein anderer fremd. Wieder andere haben ihr Leben lang nur Blumenwiesen gesehen und noch an keiner Straße gestanden. Doch alle finden sich vor derselben Situation wieder und müssen sich damit arrangieren.
So stehen wir Eltern nun alle mit unseren Kindern an dieser riesigen, bunten Kreuzung, auf der es vieles Interessantes zu entdecken gibt, von der aber auch viele Gefahren ausgehen.
1. Wir schnappen unsere Kinder, gehen ins Haus und verbieten ihnen, je wieder nach draußen zu gehen, denn auf dieser gefährlichen Kreuzung könnte ihnen so einiges zustoßen. Unsere Kinder blicken jeden Tag aus dem Fenster, beobachten die Kreuzung und sehen ihre Freunde, die dort die unterschiedlichsten Abenteuer erleben. Wenn wir unseren Kindern den Rücken kehren, schleichen sie sich heimlich hinaus um ihre Umgebung zu erkunden.
2. Wir sind von der Komplexität und Unübersichtlichkeit total überfordert und wissen erstmal nicht, wie wir unsere Kinder sicher über diese Kreuzung lotsen sollen. Da sie aber unbedingt Teil des Geschehens sein möchten, lassen wir sie gewähren. Wir ziehen uns zurück und lassen sie mit der Situation alleine, es wird schon alles gut gehen. Andere Kinder bewegen sich schließlich auch auf dieser Kreuzung und scheinen dort sicher zu sein.
3. Wir nehmen unsere Kinder an die Hand und versuchen uns gemeinsam einen Überblick zu verschaffen. Wir überlegen uns, welche Route wir nehmen, welche Ecken gefährlich aussehen und welche Abenteuer wir auf keinen Fall auslassen wollen. Dann suchen wir nach sicheren Wegen zu unseren Zielen und machen uns mit den Verkehrsregeln vertraut. Wir fragen andere, wenn wie einige nicht verstehen.
Ihr ahnt, worauf ich hinaus will. Diese 3 Wege lassen sich wunderbar auf unseren Umgang mit Medienerziehung übertragen. In dem Moment, in dem man (gezwungenermaßen) mit der Auseinandersetzung konfrontiert wird, sind die ersten beiden Möglichkeiten kurzfristig betrachtet die einfachsten und unkompliziertesten: Einfach alles was mit Internet etc zusammenhängt verbieten um seine Kinder vor sämtlichen damit verbundenen Gefahren zu bewahren oder unbegleitete Aktivität mit wenigen bis gar keinen Einschränkungen erlauben um Diskussionen zu vermeiden.
Auch internetaffinen Eltern fällt nicht alles leicht
Zugegeben, selbst mir als Blogger sind manche Dinge noch etwas fremd und die Kreuzung kenne ich noch lange nicht wie meine Westentasche. Ich bin zwar auf Facebook, Twitter, Instagram, Google Plus und Pinterest aktiv und damit sicherlich dem Digital Native etwas näher als die "Durchschnittseltern". Doch auch in meiner Kindheit gab es weder Handys noch Internet, Telefonate wurden nach Minute abgerechnet und was man zu besprechen hatte, wurde persönlich abgehandelt. Zur Vorbereitung von Schulreferaten ging man in die Bibliothek, deren Öffnungszeiten man vorher im Notizbuch überprüfte. Damit schüttle auch ich oft den Kopf, wenn meine 9 Jährige mit einer Selbstverständlichkeit jede Unklarheit googeln möchte und jede Kleinigkeit über Whatsapp abklärt.
Wenn wir uns genauer mit neuen Medien und technischem Schnickschnack von Smartphone bis Tablet auseinandersetzen, wird schnell klar, dass die Gefahren gar nicht so unüberschaubar und zahlreich sind, wie das von vielen Vertretern der alten Schule gerne propagiert wird.
Da ist einmal die Gefahr der persönlichen Informationen, die man von sich und seinem Umfeld preisgibt.
Dann die Gefahr durch virtuelle "Freunde" und "Bekannte". Ich nehme an, auch andere Eltern haben panische Angst davor, dass Pädophile übers Netz versuchen, sich ihren Kindern anzunähern.
Und dann noch ein mir etwas suspekter Panikpunkt, der aber nicht selten aufgegriffen wird: Der Realitätsverlust oder auch eine Verkümmerung der emotionalen Intelligenz.
Alles Gefahren, die nicht unterschätzt werden dürfen. Aber dennoch sind sie überschaubar und nicht als reine Probleme der virtuellen Welt zu betrachten.
So wie wir unseren Kindern beibringen, wie man sich im realen Leben in der Öffentlichkeit verhält, können wir sie auch lehren, im Netz angemessen aufzutreten. Wer seinen Kindern das erfolgreich nahebringt, braucht sich weder vor späteren Nackt- und Suffbildern, noch vor peinlichen öffentlichen Äußerungen und verbalen Angriffen gegen andere fürchten.
Alle Eltern versuchen ihre Kinder für die Gefahr, die von Fremden ausgeht, zu sensibilisieren. "Nie zum Fremden ins Auto einsteigen!" kann genauso verinnerlicht werden wie "Nie auf Nachrichten von Fremden reagieren!".
Und nicht zuletzt geht es wie bei den meisten Fragen in der Erziehung um das richtige Maß. Das Maß, das zum Kind, zur Familie und den jeweiligen Lebensumständen passt. Wer Medien nutzt um sein Leben zu bereichern, Kontakte zu pflegen, zu lernen und zu lachen ohne sich dabei aus der Realität zurückzuziehen, dessen zwischenmenschliche Fähigkeiten werden auch nicht darunter leiden.
Das Internet gibt es. Soziale Netzwerke auch. Nichts davon wird sich wieder in Luft auflösen. Wer nicht gerade intensiv mit der Entwicklung einer Zeitmaschine beschäftigt ist, sollte sein "Früher war alles besser" Credo in die Kiste zu den Polaroid-Fotos und den Schlaghosen packen. Denn letzten Endes ist es so:
Wir werden früher oder später unsere Kinder in eine Welt entlassen, die auf sie als Digital Natives wartet.
In eine Welt, in der interessante Kontakte und berufliche Chancen über LinkedIn und Xing zustande kommen.
In eine Welt, in der von ihnen virtuelle Recherche in Sekundenschnelle erwartet wird.
In eine Welt, in der durch die Globalisierung Freundschaften über Länder und Kontinente hinweg gepflegt werden wollen.
In eine Welt, in der ihnen ein positiver virtueller Auftritt Türen öffnen wird.
In eine Welt, in der es mehr denn je gilt, Wert auf seine Privatsphäre zu legen und sie zu wahren.
In eine Welt, in der jede Information zu jeder Zeit jedem Menschen zur Verfügung steht.