Früher hat man selbst Mixtapes zusammengestellt. Das erste Tape war immer unfassbar genial. Es war eine Ansammlung der besten Songs, die man den ganzen Tag lang rauf und runter hören konnte, ohne dass man jemals müde werden würde, sie zu hören. Trotzdem musste irgendwann eine Alternative her. Ein zweites Mixtape. Hier musste man schon ein wenig länger darüber nachdenken, welche Songs man nun wie aneinanderreihen sollte. Es waren nicht mehr die absoluten Highlights, sondern eben gute Songs, die gerade in diesem Moment cool waren. Vielleicht musste sogar der eine oder andere Lückenfüller auf das Mixtape gepackt werden, damit die komplette Laufzeit der Kassette ausgenutzt werden konnte. Willkommen bei James Gunns Guardians of the Galaxy, Volume 2.
Im Sequel zum 2014er Überaschungshit des Marvel Cinematic Universe muss sich Star-Lord Peter Quill (Chris Pratt) nun mit seinem Vater Ego (Kurt Russell) herumschlagen, während sich Gamora (Zoe Saldana) und Nebula (Karen Gillan) als Schwestern wieder näher kommen. Rocket (Bradley Cooper) fühlt sich als schwarzes Schaf der Guardians-Familie, ebenso wie sich Yondu als schwarzes Schaf seiner Ravenger-Familie fühlt. Derweil lernt Drax (Dave Bautista) die Empathin Mantis (Pom Klementieff) kennen, die mit ihren emotionalen Fähigkeiten seinen Schmerz über den Verlust seiner Familie nur allzu gut spüren kann.
Das alles wird von Gunn in eine Familiengeschichte eingebettet, in der Papa Quill den Sohn gerne an seiner Seite wüsste, während offenbart wird, woran genau Mama Quill im ersten Guardians of the Galaxy gestorben ist. Zeitgleich finden die Guardians selbst in Yondu und Nebula unerwarteten Familienzuwachs, während der kleine Baby Groot (Vin Diesel) überall so ein wenig mitmischt, weil er ach so liebreizend ausschaut und “Ich bin Groot” quietschen kann.
Guardians of the Galaxy, Vol. 2
" data-orig-size="1000,415" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Kurt Russell ist nicht nur der Vater von Peter Quill, sondern auch ein Alien, das jedwede Form annehmen kann.
Von Beginn an wird bei Guardians of the Galaxy, Vol. 2 klar, dass man mit dem großen Intro-Kampf und der Baby Groot-Tanzeinlage zu “Mr. Blue Sky” vom Electric Light Orchestra zwar gute Musik für den Film ausgewählt hat, sie aber weder einprägsam oder so perfekt auf die Szenen passend ist, wie noch im ersten Teil. Sorry, James Gunn, wenn man einen zweiten Teil inszeniert, muss dieser sich unweigerlich mit dem Vorgänger messen. Es ist wie mit den Mixtapes. Das erste ist supercool, das zweite “nur noch” cool.
So steht man nach Guardians of the Galaxy, Vol. 2 nicht vor einer schier unüberschaubaren Anzahl an Filmmomenten und Musikstücken, die man im Kopf immer wieder nachsummen möchte.
Neben einem lebenden Planeten machen sich die Guardians dieses Mal auch in dem Volk der Sovereign fiese Feinde – ein Volk von in Gold gehüllten Mensch-Aliens, die von Elizabeth Debickis Ayesha angeführt werden. Hier darf James Gunn ein Videospiel-Faible ausleben, wenn er die Sovereign in einer Arcade-ähnlichen Kriegshalle in Drohnen schlüpfen lässt, die sie wie in einem Computerspiel durch die Galaxis steuern können. Das wird mit Soundeffekten direkt aus Pac-Man und Space Invaders untermalt, so dass hier die 80er Jahre noch einmal hörbar gemacht werden.
Nicht nur die 80er Jahre sind Gunns (und Star-Lords) Lieblingsthema, in diesem Fall auch Yondu, fabelhaft von Michael Rooker gespielt. Als guter Kumpel des Regisseurs scheint dieser Film für ihn geschrieben worden zu sein, während die Haupthandlung mehr als Rahmenhandlung funktioniert, bis Yondu höchstpersönlich in das Geflecht aus Sohnemann Star-Lord und Papa Ego eingewoben wird. Zwischenzeitlich darf er sich gar mit Mary Poppins und David Hasselhoff vergleichen lassen und sich damit neben zwei Ikonen der Popkultur aufreihen.
Es spricht sehr für James Gunn, dass er darüber nicht seine anderen Mitspieler aus den Augen verloren hat und ein ähnliches Bewusstsein für massiv große Besetzungslisten beweist, wie es Joss Whedon mit seinen zwei Avengers-Filmen (sowie Buffy, Angel und Firefly) getan hat. So erfahren wir nun auch, weshalb Nebula einen ungemein gigantischen Hass auf ihren Vater Thanos hat, der sie dazu verleiten wird, sich in Avengers: Infinity War der Superheldengruppierung anzuschließen.
Guardians of the Galaxy, Vol. 2
" data-orig-size="1000,413" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Guardians Assemble!
Einzig die Witz-Dichte ist etwas zu hoch geraten. Manchmal wirkt Guardians of the Galaxy, Vol. 2 wie eine Persiflage auf sich selbst. Jeder Bösewicht muss sich mindestens einmal selbst lächerlich machen. Wenn Ayesha über einen roten Teppich über schmutzigen Boden schreitet und ihr Geh-Schutz auf einmal ein abruptes Ende findet, wird ihre Imposanz begraben. Wenn Nebula einen Schuß auf Yondu abfeuert, ihn damit lahmlegt und die Ravengers übernimmt, beißt sie im Anschluss in ein unreifes Gemüse und verliert jede Ernsthaftigkeit. Einer der Ravengers nennt sich gar selbst Taserface und erntet das Gelächter seiner Crew für diesen bescheuerten Namen. Jeder Moment der Boshaftigkeit wird mit einer Comedy-Einlage beendet.
Dennoch ist James Gunn ein unfassbar unterhaltsamer Film gelungen, der überaus emotional daherkommt, wenn man bedenkt, dass es sich um einen Space Opera-Blockbuster mit einer sprechenden Waschbär-Kreatur, einen lebendigen Junior Pflanzenwesen und vielen wunderlichen Dingen mehr handelt. Und das Ende ist einfach herzerweichend und zu Tränen rührend.