Nicht nur ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte schlägt sich auf wenn es um die Person von Maurice Bavaud geht, nein, auch eins der schweizerischen Geschichte. Der Schweizer wurde am 15. Januar 1916 in Neuchâtel als ältester von sechs Kindern geboren in eine katholische Familie des Mittelstands hinein geboren. Maurice war ein eher musisch begabtes, nachdenkliches Kind, das nach dem Besuch einer katholischen Privatschule in die Lehre eines technischen Zeichners gedrängt wurde. Zwar gehorchte der junge Mann seinem Vater, doch vollzog er die Lehre ohne innere Neigung. Noch während dieser Lehrzeit nahm er Kontakt zum einem Seminar der ‚Spätberufenen’ in Saint-Brieuc auf und begann gleich nach seiner Lehre mit dem Studium der Theologie, mit dem Ziel sich zum Missionar ausbilden zu lassen. Nur wenig ist bekannt über politische Diskurse innerhalb seines Seminars, noch weniger ist bekannt, was den jungen Mann bewog sein Studium zu unterbrechen, um zuerst nach Berlin, dann nach Berchtesgaden und dann wiederum nach München zu reisen, mit dem Ziel, Hitler umzubringen. Doch bevor er diese Reise antrat kam er kurz zu seiner Familie zurück, was diese sehr überraschte, doch sehr erfreute, denn sie hatte sich mit der Berufswahl des Sohnes ausgesöhnt. Während dieses kurzen Besuchs in der Schweiz besorgte sich Maurice Bavaud eine Pistole und begab sich nach einem herzlichen Abschied von der Familie auf die beschriebene Reise nach Deutschland. Im Oktober 1938 kam er in Deutschland, genauer gesagt in Berlin an. Er kundschaftete sehr genau Hitlers öffentliche Auftritte aus und wollte ihn am 9. November in München beim Aufmarsch vor der Feldherrenhalle erschießen.
Eingekeilt zwischen fanatischen Nazis hatte es der junge Schweizer tatsächlich bis auf die Ehrentribüne geschafft. In der Tasche seines Mantels versteckte er eine Pistole. Doch es kam nicht zum Schuss. Der Diktator war viel zu weit entfernt, und umstehende Zuschauer mit zum ‚Heil-Hitler-Gruß’ ausgestreckten Händen versperrten die Schussrichtung. Auch in den nächsten Tagen kam Bavaud nicht nahe genug an sein Ziel heran, zumal in München, wie in anderen Städten Deutschlandes die Synagogen brannten und diese Nacht als ‚Reichspogromnacht’ in die Geschichte eingehen sollte. Nach einer Woche vergeblichen Bemühens seinen Plan des Tyrannenmordes umzusetzen, machte er sich auf den Weg zurück in die Schweiz zu seinem Seminar. Doch das Geld war ihm fast ausgegangen, so dass er ohne Fahrkarte reiste, er wurde deshalb von Reichsbahnschaffnern aus dem Zug geholt und nach dem Auffinden verdächtiger Papiere mit persönlichen Aufzeichnungen und der Pistole, wurde er der Gestapo übergeben. 30 Monate war Maurice Bavaud in Gestapohaft und deren grausamen Verhörmethoden ausgesetzt. Er gestand seine Absichten ein, Hitler töten zu wollen, begründete es mit der Gefahr für die Schweiz, den Katholizismus und die Menschheit selbst. Gern hätten die Gestapo-Schergen eine Verbindung, beziehungsweise einen Auftraggeber der katholischen Kirche genannt bekommen, doch Maurice Bavaud blieb dabei, allein und aus freien Stücken, ohne Wissen anderer gehandelt zu haben. Unter Folter nannte er, bei zunächst widersprüchlichen Aussagen, seinen Missionars-Studienkollegen Marcel Gerbohay als Auftraggeber, doch widerrief er diese Aussage am nächsten Tag kategorisch, doch der Kommilitone wurde im Januar 1942 in der Bretagne gefasst und ins Konzentrationslager Sachsenhausen transportiert und schließlich am 9. April 1943 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Ein düsteres Kapitel ist das Verhalten der damaligen Schweizer Behörden im besonderen von Botschafter Frölicher , die dem Inhaftierten jeglichen Beistand verweigerten, die Angehörigen täuschten und den Vorschlag zu einem Austausch mit in der Schweiz gefangenen deutschen Spionen nicht einmal in Erwägung ziehen wollten. Die Schweizer Behörden hielten damals seine Tat für verabscheuungswürdig, was sie öffentlich bekundeten und rührten keinen Finger für ihn. Aus Dokumenten ging später hervor, dass die Schweizer Behörden Bavaud nicht nur im Stich gelassen, sondern auf Ersuchen der Gestapo bei ehemaligen Seminar-Kollegen sogar gegen ihn ermittelt hatten. Am 18. Dezember 1939 wurde er vom nationalsozialistischen Volksgerichtshof in Berlin, unter höchster Geheimhaltung, für seine Attentatspläne zum Tode verurteilt. Er hatte gestanden, dass er Hitler beseitigen wollte, einen Plan, den er allein aus sich heraus gefasst hatte. Als Beweggründe nannte er gemäß Protokoll der Hauptverhandlung: "[...] auf Grund dessen, was er in fast der gesamten schweizerischen Presse gelesen und was er weiter von aus Deutschland emigrierten Angehörigen von katholischen Orden erzählt bekommen habe, halte er die Persönlichkeit des deutschen Führers und Reichskanzlers für eine Gefahr für die Menschheit, vor allem auch für die Schweiz, deren Unabhängigkeit der Führer bedrohe. Vor allem aber seien kirchliche Gründe für seine Tat bestimmend gewesen, denn in Deutschland würden die katholischen Kirchen und die katholischen Organisationen unterdrückt und er habe daher geglaubt, mit seiner geplanten Tat der Menschheit und der gesamten Christenheit einen Dienst zu erweisen." Auch während der zum Tode verurteilte Maurice Bavaud auf seine Hinrichtung wartete, versuchten die Deutschen einen Gefangenenaustausch mit der Schweiz, benutzten den jungen Schweizer als Faustpfand, doch die Schweizer Behörden gingen darauf nicht ein, Unterstützung oder Besuche seitens der Botschaft unterblieben. Auch die Katholische Kirche sendete keine unterstützenden Signale aus. Am 14. Mai 1941 wurde das Todesurteil an Maurice Bavaud in Berlin-Plötzensee vollstreckt.
Erst 1956 wurde das Urteil aufgehoben, nach mehrmaligen Anläufen und Prozessen, die der Vater von Maurice Bavaud in Gang setzte. Erst 70 Jahre nach dem Attentatsversuch von Maurice Bavaud erklärte der Bundesrat in der Schweiz: "Maurice Bavaud hat möglicherweise geahnt, welches Verhängnis Hitler über die Welt und namentlich Europa bringen würde. Er gehört zum Kreis jener Personen, welche leider vergeblich versucht haben, dieses Unheil zu verhindern. Dafür verdient er Anerkennung und einen Platz in unserem Gedächtnis." Noch im letzten Monat dieses Jahres stritt die Stadt Zürich in ihrem Parlament darum, ob ein Platz nach ihm benannt werden sollte. In Deutschland selbst blieb dieser Attentatsversuch völlig unbemerkt, auch in der Nachkriegszeit und bis heute ist der Name von Maurice Bavaud weitesten Teilen der Gesellschaft völlig unbekannt, doch sollte er in den Kreis der aktiven Widerständler gegen das unmenschliche NS-Regime aufgenommen werden und uns im Gedächtnis bleiben …
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Bild 1: Maurice Bavaud – Quelle: wikimedia.org · Bild 2: Urteil des Volksrechtshofs gegen Maurice Bavaud – Quelle: potsdamer-platz.org