"Ich greife in diesen Haufen und suche diesen Zettel, den ich ja vorlesen sollte", erinnert sich Günter Schabowski, sobald das Jubiläum wieder näherrückt. Zwei Jahrzehnte nach Maueröffnung in Berlin, die die damalige SED-Führung (hier live auf dem Marktplatz Halle) um Egon Krenz und Schabowski als Befreiungsschlag geplant hatte, der das System stabilisieren und sein Überleben sichern sollte, ist der 9. November 1989 zum "Schicksalstag der Deutschen" erklärt worden. Wegen der Unterschiedlichkeit der mit dem Datum verbundenen Ereignisse wird nicht gefeiert, dafür singt Udo Lindenberg, und um den Festredner der Gedenkparty in der Frankfurter Paulskirche wird schon vorab gestritten, als hingen Wohl und Wehe der Nation davon ab. Draußen im Land wird in allen Vorschulklassen der Novemberrevolution 1918 gedacht, der Ausrufung der ersten deutschen Republik und dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923 und der Novemberpogrome von 1938. Es riecht nach Geschichte, oder ist es nur das feuchte Herbstlaub?
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Deutschland 9-11 aber krönt der Fall der Berliner Mauer, das Gesicht des Schicksalstages der Nation ist das Gesicht von Politbüromitglied Schabowski in quietschigen Grün, der auf einer kleinen Bühne sitzt und „das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich“ in die Kamera stottert. Dann schwenkt der Blick schön geschnitten zum Brandenburger Tor und zur Bornholmer Straße, schon weil es von all den anderen Schicksalsereignissen zu wenig Bildmaterial gibt. Zur Feier des Tages - abgehalten im märkischen Neuhardenberg - ehrt Christian Wulff, eine Art Charakterwiedergänger von Günter Schabowski, diesmal den Einheitsbarden Lindenberg, der seine Lieder aus gegebenem Anlass für eine bunte Republik Deutschland anstimmte. Wulff, der sich bemüht, den Mantel der Geschichte mit Geschwätz zu füllen, wo immer er geht und steht, würdigte Lindenberg als "großen Künstler" und die "deutsche Sprache" als "sehr wohl dienlich" zum Zwecke, "Wichtiges, Gesellschaftskritisches zu äußern". Schon eine Grenze weiter kein Thema: "9. November: Das Immunsystem stärken", schreibt der ORF zur Bedeutung des historischen Datums. 1955 hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass in Deutschland lebende Österreicher, die mit dem Anschluss 1938 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hatte, sie mit der Souveränität Österreichs wieder verloren haben. Thema deshalb heute dort laut ORF "Zunehmender Mond im Schützen, Wechsel in den Steinbock. Nach wie vor ist das Verarbeiten von Obst und Gemüse begünstigt."