Maud Parrish: Die Weltreise-Süchtige

Von Eulengezwitscher @Edda_Eule

Maud Parrish hat gehungert, um die Welt zu sehen. Ihr Reisetagebuch ist keine große Literatur, aber das authentische Zeugnis einer mutigen Frau.

Man braucht nicht viel Geld, um die Welt zu sehen. Jedenfalls dann nicht, wenn man so verwegen drauf ist wie Maud Parrish. 1895 packt die junge Amerikanerin erst das Fernweh, dann packt sie ihren Koffer und sagt dem bürgerlichen Leben samt Elternhaus und Ehemann Lebwohl. Alleine und mittellos, aber glücklich zieht sie los. Am Ende ihres langen Lebens wird sie 17 Mal die Welt umrundet haben. Eine neue Übersetzung ihres 1939 verfassten Reisetagebuchs offenbart bemerkenswerte Einblicke.

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Maud Parrish ist keine passionierte Literatin. Eigentlich hatte sie auch nie ein Buch schreiben wollen. Vielleicht hätte sie das auch besser nicht getan – die ersten 50 Seiten sind jedenfalls harter Stoff. Parrish schreibt schnoddrig, sprunghaft und verworren: Ihr Reisetagebuch breitet sich aus wie ein Flickenteppich aus Eindrücken und Erinnerungsfetzen. So eigenwillig wie Maud Parrishs Persönlichkeit ist, so eigenwillig ist auch ihr Schreibstil. Wenn man aber die ersten Seiten durchhält, hebt der Teppich ab und man kann mit Maud Parrish um die Welt fliegen.

Im echten Leben reist sie höchstens in der Holzklasse. Regelmäßige Arbeit zum Brotwerb ist nicht ihr Ding. Lieber hungert sie den einen oder anderen Tag, als dass sie auf das Reisen verzichten würde. „Manchmal ist es sogar besser, nicht so viel zu essen. Vielleicht bin ich deshalb so gesund.“ In der Tat ist ihre körperliche Konstitution herausragend. Die üblichen Reisekrankheiten gehen fast spurlos an ihr vorüber – obwohl sie keineswegs immer medizinisch versorgt ist. Denn Maud Parrish will nicht nur Hauptstädte und Hafenstädte sehen, sie ist auch im Dschungel, im Gebirge und in der Wüste unterwegs. Sie ist in gewisser Weise reisesüchtig. „Fremde Orte bedeuten mir mehr als Menschen.“ Meistens möchte sie genau dorthin, wo man ihr ein Visum verweigert oder wo sonst irgendwelche Unwägbarkeiten ihre Pläne durchkreuzen. Aber mit den paar Brocken, die sie in vielen Sprachen aufgeschnappt hat und mit einer bis zur Verhandlungssicherheit ausgebauten Hand-und-Fuß-Verständigung kriegt sie doch meistens, was sie will. Man staunt immer wieder über die Entbehrungsbereitschaft und den Starrsinn, aber auch über die Leidenschaft und die beinahe kindliche Freude und Neugier, immer wieder entlegene Ecken der Welt zu entdecken. Es ist sicher spannend, so zu reisen, wie Maud Parrish – gut, dass man das mittlerweile auch zwischen zwei Buchdeckeln tun kann.

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