Mzee Kisumapai wird immer wieder als Beispiel dafür genannt, dass auch Afrikaner geschäftlichen Erfolg haben können. Er ist noch gar nicht so alt, wie der Name sagt (Mzee heißt “Alter”, was hier als Ehrentitel gilt, und deshalb wird auch der Chef so genannt), aber er ist in Songea der Herr über eine Mineralölhandlung mit Tankstelle und Busgesellschaft. Alles hat er sich selbst erarbeitet.
Wir haben eine kleine Tankstelle für die Autos von Kloster und Krankenhaus und außerdem erzeugen wir einen Teil des Stroms mit Diesel (der Rest kommt aus dem Wasserkraftwerk, und eine Solaranlage bestellen wir in diesen Tagen). Seit längerem habe ich den Verdacht, dass Kisumapai von uns überhöhte Preise kassiert, und dass die Mitarbeiter unserer Tankstelle ihm dabei helfen. Ich rufe also bei einer Firma in Dar es-Salaam an und erkundige mich nach dem Ölpreis. Nach acht Tagen bekomme ich endlich eine Antwort: “Wir hatten ernsthafte logistische Probleme, aber jetzt können wir den Preis sagen: 1970 Schilling pro Liter”. (knapp ein Euro) Natürlich bestelle ich lieber bei jemandem, den wir schon lange kennen, als bei jemandem mit ernsthaften logistischen Problemen. Ich rufe also Mzee Kisumapai an, sein Preis ist 2093. “Wir würden gerne einmal vorbeikommen, sind Sie morgen früh da ?”, frage ich, und fahre am nächsten Tag mit Br.Augustino nach Songea. Ich lache, als ich auf seine Tanksäule schaue: Der Preis für Privatkunden ist genau 2093. Kisumapais Büro besteht aus einem langen, schmalen Raum mit einem Tisch voller Papiere, auf der einen Seite des Tisches zwei sehr hohe, rot gepolsterte Holzstühle, die wie Throne aussehen. Auf dem einen sitzt der Chef, auf dem anderen ein älterer Mitarbeiter. Für Besucher gibt es auf der anderen Seite drei einfache Holzstühle. Ich stelle Augustino als den neuen Prokurator und mich als neuen Cellerar vor, und weise darauf hin, dass wir als Großkunden doch wohl einen besseren Preis als die Privatkunden haben sollten, und nenne auch den Preis der Konkurrenz. Sofort geht er auf 2000 herunter. Ich sage, ich würde gerne regelmäßig 5 % Nachlass auf den Preis seiner Zapfsäulen haben. Ich habe meinen Taschenrechner mitgebracht und zeige ihm die Rechnung. Er ist zu klug, um mich blöd anzuschauen, aber man merkt, dass er mich nicht verstanden hat. Ich wiederhole die Rechnung auf dem Taschenrechner und zeige ihm jeden Schritt. Mit dem Endergebnis, 1988, ist er einverstanden, und wir verabschieden uns herzlich. Auf der Rückfahrt frage ich Augustino, wie es sein kann, dass ein erfolgreicher Geschäftsmann nichts von Prozentrechnung versteht. Er meint, “Der kennt halt seinen Einkaufspreis, das reicht ihm.” Augustin, den ich demnächst mal unter seinem Spitznamen “Wo die Wilden wohnen” hier vorstellen will, kann durchaus rechnen, aber viele Afrikaner haben selbst in den Grundkenntnissen erschreckende Lücken.
In diesem Zusammenhang kann ich auch die Fortsetzung der Geschichte des Sekretärs der Schreinerei erzählen:
Der alte Meister hat die Tochter von Herrn Ngosongo nicht akzeptiert, “Hier arbeiten nur Männer, und wenn eine Frau dazwischen ist, kann das Probleme geben.” (Liebe Leserin / lieber Leser, Sie finden diese Aussage hoffentlich genauso blöd wie ich, aber versuchen Sie mal, mit einem 75-jährigen Niederbayern zu diskutieren). Stattdessen bat er den Schwager seines Vorarbeiters zum Vorstellungsgespräch. Dem gab ich als eine Art Einstellungstest zwei Aufgaben: Am Computer einen Bewerbungsbrief zu schreiben und eine Rechnung für einen Tisch, 10 Stück Holz à 500 Schilling und 10 Arbeitsstunden à 1000 Schilling, dazu 10 % Mehrwertsteuer. Er hatte einen Computerkurs an unserer Berufsschule belegt, und bekam den Bewerbungsbrief einigermaßen hin. Aber zu der Rechnung sagte er mir: “Mathe habe ich nicht belegt.”