„Ökonomie und Vertrauen“ ist der Titel des kleinen Festivals, das derzeit am Theater Halle 7 / werkmünchen läuft, und „Kredit“ hieß die Eröffnungspremiere. Besser als in diesem Stücktitel ließe sich die Spannung zwischen den beiden Begriffen, die das Festival zueinander in Beziehung setzt, kaum ausdrücken, denn das Wort „Kredit“ bedeutet ja vom lateinischen Ursprung her nichts anderes, als dass einer dem anderen vertraut, ihm etwas (zum Beispiel Geld) anvertraut, und bezeichnet zugleich die für unser Wirtschaftssystem so wesentliche Vorschussfinanzierung. Leider löst die Familiensaga des Gegenwartsdramatikers Jan Neumann den programmatischen Anspruch, über Vertrauen, Investition und Wirtschaftlichkeit zu erzählen, nicht ein. Dass in der vier Generationen umspannenden Geschichte ab und zu Gestalten auftauchen, die kommunistische Phrasen dreschen, im Rahmen eines Kinderspiels über Besteuerung sprechen oder unter Geschwistern über eine Erbschaft streiten, reicht nicht aus, um einen roten Faden der Ökonomie durch die kleinteilige Erzählung zu führen. Stattdessen verzettelt sich das Stück in der Inszenierung von Torsten Bischof in zu vielen Anekdoten und Einzelheiten, in viel zu vielen viel zu unscharfen Figuren und in der Jagd nach dem schnellen Witz.
Die Reise durch die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute mit nur fünf Schauspielern in wechselnden Rollen zu bestreiten, könnte ein spannender Ansatz sein. Allerdings ist die Masse an Familienmitgliedern nur teilweise durch klare schauspielerische Haltungswechsel und Kostümattribute voneinander zu unterscheiden; oft herrscht Verwirrung, um wen es gerade geht, und irgendwann ist es auch egal, weil die einzelnen Gestalten sowieso zu wenig Kontur gewinnen. Die Verwandlungen in neue Figuren geschehen allzu gemütlich, um formale Schnitte deutlich zu machen. Am Ende ahnt man plötzlich, dass es sich womöglich gar nicht um fünf abstrakte Schauspieler, sondern um die fünf Kinder der jüngsten, heutigen Generation handeln soll, die sich memorierend in ihre Vorfahren verwandeln und so die vergangenen Ereignisse rekonstruieren. Diese nachträgliche Interpretation macht die ganze Sache aber noch verquerer, denn so etwas wie eine durchgängige in der Gegenwart angesiedelte Rahmenhandlung, zu welcher das Stück zwischen den einzelnen Szenen immer wieder zurückfände, war zwei Stunden lang nicht ansatzweise zu erkennen.
Ob hier Geschwister nach der Beerdigung ihres Vaters in der Vergangenheit herumkramen oder ob dem Publikum aus neutraler Warte eine Geschichte präsentiert wird, hätte sich ja auch auf schauspielerische Haltungen ausgewirkt. Die sind dementsprechend schwammig: In den langen erzählenden Passagen weiß man nie so recht, ob nun die anderen Spieler (also die Geschwister?) oder wir Zuschauer angesprochen werden, und das macht es wiederum schwer, Intentionen und Emotionen zu erkennen. Ein eher theoretisches Problem, könnte man meinen, tatsächlich trägt es aber dazu bei, dass ein Nebel der Gleichgültigkeit über allem liegt. Warum erzählt wer was? Gibt es spezielle Interessen, die einen Ahnen zu glorifizieren und die anderen anzuschwärzen? Und wie ist das eigentlich mit der Zuverlässigkeit der Erinnerung? Alles Fragen, die außen vor bleiben. Deshalb fehlt der Sog, die Dringlichkeit und Tiefe in der Geschichte: weil sie ihre Grundsituation nicht klärt und weil sie sich keine Zeit nimmt, aufzublühen.
Was bleibt? Gelegentliche Komik, einige unterhaltsame Momente, die groteske Zurichtung einiger Familienmitglieder. Ein herrlich musikalisches Wirrwarr von Konfirmations-Festreden zum Beispiel, dann die in bemühtem Ruhrpott-Slang schwadronierende Kettenraucherverwandtschaft und einige witzige Redensarten-Neuschöpfungen für die Sprüchesammlung. Wie war das gleich? „Wenn die Krümel tanzen, hat der Kuchen Pause.“ Eigentlich der interessanteste Satz an diesem Abend.
Weitere Vorstellungen am 6., 12. und 30. Juni