Bevor ihr euch freudig auf diese Kritik stürzt und hofft, ich würde das neue Mass Effect 3 durchnehmen: Ich habe noch keinen Mass Effect-Teil gespielt. Aktuell liegt hier Mass Effect 2 im Schrank und vielleicht irgendwann, so Gott will, werde ich es auch mal in die Playstation einlegen. Ich habe demnach keinerlei Ahnung von der großen Welle an Kritik, die über das Finale hereingebrochen ist. Ich weiß nur soviel, dass die Entscheidungen der Spielstunden quasi Null Auswirkungen hatte und sich auch inhaltlich wohl der Großteil der Fans etwas anderes bei erhofft hätte.
Warum ich nun doch einen Artikel zur aktuellen Diskussion schreibe, liegt an einem gestrigen Blogartikel von Bioware, dem Entwickler des Sci-Fi-Spektakels.
“The journey you undertake in Mass Effect provokes an intense range of highly personal emotions in the player; even so, the passionate reaction of some of our most loyal players to the current endings in Mass Effect 3 is something that has genuinely surprised us.[...]Building on their research, Exec Producer Casey Hudson and the team are hard at work on a number of game content initiatives that will help answer the questions, providing more clarity for those seeking further closure to their journey.“
Um es kurz zu machen: Bioware plant Download-Content, der offene Fragen vom Ende beantwortet. Man kann sicherlich jetzt darüber streiten, ob dies nicht von Anfang an der heimtückische Plan von Bioware war, das Ende so unausgegoren wie möglich zu machen, um dann mit (wahrscheinlich kostenpflichtigen) DLCs den Fans noch ein klein wenig Geld mehr aus den Taschen zu ziehen. Allerdings ist der Satz “the passionate reaction of some of our most loyal players to the current endings in Mass Effect 3 is something that has genuinely surprised us” wohl eher ein Hinweis auf das Gegenteil. Wollen wir den Entwicklern hier einfach mal nichts Böses unterstellen.
Von dieser Stelle an, kann ich aber nur noch mit dem Kopf schütteln. Natürlich kann ich nichts über das Ende aussagen, ob die Kritik berechtigt war oder nicht. Doch wenn es soweit kommt, dass das eigentliche Objekt nachgebessert wird, bekomme ich eine Gänsehaut. Wir reden hier nicht über einen (Speicher-)Bug, der das Spielen irgendwann unmöglich macht und deshalb nachgebessert werden muss, sondern um den Abschluss ener Story, der halt auch mal dürftig daherkommen kann. Und gerade bei einem Mammutprojekt wie einem Videospiel wird es nicht nur einen Autoren geben, der die Story entwickelt. Hier haben mehrere Köche dran gearbeitet und – zumindest wenn man den Spielern Glauben schenken darf – eine epische Trilogie zusammengestellt.
Solch ein Abschluss ist natürlich immer eine extrem schwierige Sache, denn dies ist der letzte Eindruck eines Spiels (oder Films), der sich je nach Qualität tiefer ins Gedächtnis brennt. Prince of Persia (2008) beispielsweise ist ein extrem schwaches Spiel, welches aber eine tolle Story offenbart und in einem – für mich – unfassbaren Finale endet. Und trotz des dummen Prologue-DLCs, der dieses Ende vergewaltigt, bleibt der letzte Eindruck von diesem Spiel gerade wegen dem tollen Finale positiv.
inFamous 2 ist ein tolles Spiel und eine gelungene Fortsetzung, macht dann aber zwei vollkommen unterschiedliche Enden. Während mich das “böse” Ende fasziniert hat, bin ich beim “guten” Ende zwiegespalten. Denn hier wird mir als Fan der Spiele ein dritter Teil (nahezu) vollkommen verwehrt, auch wenn es das konsequente Finale für den Helden ist.
Der Junge im gestreiften Pyjama ist lange Zeit ein guter Film über die Gräuel der Konzentrationslager im 2.Weltkrieg, weil er aus der Sicht eines Kindes erzählt wird. Doch ein Meisterwerk wurde es durch dieses unfassbare Finale, das ich nicht spoilern will. Schaut euch den Film an, es lohnt sich auf jeden Fall!
The Artist ist ein ebenso wunderbarer Film, der mit den Regeln jeglicher Konvention der Filminszenierung bricht, weil er teilweise Stummfilm ist, dann wieder nicht. Im Endeffekt verdienter Oscarabräumer. Aber für mich ist das Ende des Films unnötig wie ein Schwarm Wespen beim Picknick. Denn hier unterwirft sich der “rebellische” Film jeglicher Storykonvention.
Doch Unterhaltungsmedien wie Videospiele sind ebenso Kunst wie Filme und Bücher und sollten dadurch auch in Inszenierungs- bzw. Storydetails als solche betrachtet werden, finde ich. Und so bleibt natürlich der Unmut bestehen, aber eine Änderung zu fordern, ist einfach grotesk. Die Autoren haben sich meist etwas dabei gedacht, wenn sie etwas so gestalten, wie es im Endeffekt bekannt wird. Der Abschluss fällt immer schwer und sollte jedem, der mal irgendwas geschrieben oder gemalt hat, bekannt vorkommen.
Natürlich darf und muss man auch, wenn es ein fehlerhaftes Finale ist, dieses als solches kommunizieren. Das haben auch schon Lost oder die Harry Potter-Bücher erfahren dürfen.Auch Mass Effect 3 steht wahrscheinlich zu recht im Kreuzfeuer.
Aber was mich mehr anwidert als die Forderung nach einer Änderung des Finales, ist nun Biowares Reaktion, dass die Fragen nun doch beantwortet werden. Verdammt, wie wenig hat man denn in der Hose, wenn man zu seinem (Kunst-)Machwerk nicht steht? Stattdessen knickt man nun ein und will versuchen, sich wieder an die Fanscharen anzuschleimen. Das ist objektiv verständlich, könnten doch dadurch potenzielle Käufer anderer Bioware-Spiele flöten gehen. Aber als Möchtegern-Künstler geht mir da die Hutschnur hoch. Und dies wäre nun für mich persönlich ein Grund, die Spiele gar nicht erst anzufangen. Denn wenn das Ende so lieblos behandelt wird und trotz eigentlich anderer Intention nochmal verändert wird, wie lieblos kann da der Rest vorher zusammengeschustert worden sein? Das Spiel gilt gemeinhin jetzt schon als großer Kandidat auf das GotY-Titelchen, der so inflationär gebraucht wird. Doch jede nachträgliche Änderung in der “Seele” des Spiels ist ein Verrat am Spiel. Wenn man ein wenig Sinn für künstlerische Werte hat, sollte man sich das mal durch den Kopf gehen lassen.