Maschinengewehr im Burgklosett

Maschinengewehr im Burgklosett

Christoph Schmoranzer zeigt auf die zuvor vermauerte Öffnung, hinter der das Kriegsmaterial versteckt worden war. FOTO: PETER LISKER

BURGWERBEN/MZ. Die Feuerwehrsirene ruft. Das Gerücht vom Bombenalarm im Rittergut macht die Runde. Mit ihrem Lkw LO rücken die neun Kameraden an und sie sollen tatsächlich dem Kampfmittelbeseitigungsdienst zur Seite stehen. Es ist dunkel geworden. Dort, wo das Hauptgebäude an einen Anbau stößt, ist Licht notwendig. Notstromaggregat und Strahler sind aufgebaut, als der Hilfssprengmeister im Polizeidienst, Thilo Pie-rau, vor Ort eintrifft.Inzwischen kann einer der Hauptakteure des vergangenen Mittwochabend, der 24-Jährige Christoph Schmoranzer, wieder lachen. Doch denkt er zurück, wird ihm noch immer mulmig. Mit seinem alten Schulfreund Thomas Walther 24 wollte er vor dem Rittergut Ordnung schaffen, Dachziegel und Mauersteine wegräumen. Auch aus einer Öffnung in der Fassade wurde Unrat entfernt. Doch plötzlich hielten sie verrostete Patronen in den Händen.Ein Zufallsfund, so dachten sie und gruben weiter. Ein rechteckiger Schacht hinter dem Mauerwerk, von dem die oberen Reihen fehlten, war mit Erde gefüllt. Doch immer mehr Munition, die teilweise förmlich aneinanderklebte, kam zum Vorschein. Auch leere Glasröhrchen bekamen sie in die Hände. Die Polizei wurde informiert, die wiederum alarmierte in Magdeburg den Kampfmittelbeseitigungsdienst. Zwei Stunden vergingen bis zu dessen Eintreffen.Die Wehrleute halfen auch beim Abriss der kleinen Mauer, die jahrzehntelang die Öffnung zu einem rechteckigen Schacht verschlossen hatte. Insgesamt wurden hier 2 000 Schuss Infanteriemunition - das sind sage und schreibe 71 Kilogramm - und ein Maschinengewehrlauf entdeckt.

Senfgas in Glasröhrchen?

Plötzlich machte die Runde, dass sich in den Glasröhrchen Senfgas befunden habe, das im Ersten Weltkrieg als Massenvernichtungswaffe im Stellungskampf eingesetzt worden war. Was es damit in Burgwerben auf sich hatte, blieb unklar. Doch Thilo Pierau winkt ab. Die Glasampullen enthielten ein Prüfmittel, mit dem die Dichtheit einer ebenfalls gefundenen Schutzmaske gecheckt werden konnte. Kam es mit Sauerstoff in Berührung, stieg Dampf auf, der bei einer Undichtheit wahrnehmbar war. Noch am späten Abend wurde der Fund nach Dessau gebracht und wird nun in einem Munitionszerlegebetrieb bei Gardelegen vernichtet. Übrigens handelt es sich nicht - wie anfangs angenommen - um zurückgelassenes Kriegsmaterial der Amerikaner. Die hatten Weißenfels zwischen dem 11. und 14. April 1945 besetzt und räumten es wieder mit dem Einzug der Sowjettruppen am 1. Juli. Laut Pierau handelt es sich um Kriegsmaterial aus dem Ersten Weltkrieg. Es könnte also vom damaligen Rittergutsbesitzer stammen.

Bürgermeister Hubert Schmo- ranzer (parteilos) versuchte inzwischen, den Dingen auf den Grund zu gehen. So nahm er Verbindung mit einer Frau in Moorwerben in Niedersachsen auf, die zum Kriegsende im Rittergut gelebt hat. Eine Erklärung aber hatte auch sie nicht parat. Das Ortsoberhaupt vermutet nun, dass im Zusammenhang mit den einrückenden amerikanischen oder sowjetischen Soldaten Waffe und Munition versteckt worden sind. "Sicher war der Schacht schon damals vermauert und das Kriegsgerät wurde mit Erde abgedeckt."

Christoph Schmoranzer studiert Bauingenieurwesen und unterstützt nebenbei die Aufräumungsaktionen im Rittergut, weil er neben dem Schreiben zahlloser Haus- und Belegarbeiten noch Zeit hat. Er sagt zum Fund: "So etwas macht die Arbeit natürlich richtig spannend und abwechslungsreich." Dabei räumt er ein, dass er sich anfangs, als die ersten Patronen zutage gefördert wurden, nicht allzu viele Gedanken gemacht habe. Bedenken seien ihm erst gekommen, als es immer mehr wurden. Bereits im vergangenen Frühjahr hatte der 24-Jährige in einem Keller einen Säbel aus dem 19. Jahrhundert gefunden und er verweist auf das lange verschollene Friedrich-Zimmer, das im Herbst lokalisiert werden konnte und wieder auf Vordermann gebracht werden soll.

Viel Klärungsbedarf im Rittergut

Sogar von Geheimgängen kursieren unter den Burgwerbenern Gerüchte. Und tatsächlich gebe es zugemauerte Räume im Keller, die - so zumindest sagen es Archäologen - mal Wehrgänge der alten Burg gewesen sein sollen. Bei der jetzt freigelegten Öffnung hatte man zunächst eine ehemalige Kellertür vermutet. Einen Zugang zu einem anderen Raum aber gibt es nicht. Möglich wäre ein Schornstein, aber angesichts eines Steins, der - schräg stehend - Fäkalien abgeleitet haben könnte, ist auch eine Klosettröhre vielleicht sogar aus Burg-Zeiten wahrscheinlich.

via Maschinengewehr im Burgklosett - mz-web.de.


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