Maryam Namazie hat am 10. August 2011 auf dem Weltgründungskongress der Freidenker in Oslo, Norwegen gesprochen. Die Veranstaltung wurde vom Internationalen Verbindungskomitee für Atheisten und Freidenker (ILCAF) organisiert und ist mit dem Welthumanistenkongress verbunden, der anschließend in Oslo begann.
Hier ist ihre Rede:
Ich freue mich sehr darüber, den Weltgründungskongress der Freidenker zu unterstützen. Er ist besonders wichtig in einer Welt, in der Religion, Aberglaube sowie archaische Traditionen und Moral freies Denken und freien Ausdruck Tag für Tag unterdrücken.
Heute sehen wir das deutlich am Beispiel des Islam – nicht weil der Islam schlimmer wäre als andere Religionen, sondern weil wir unter dem leben, was ich eine islamische Inquisition nenne.
Unter einer Inquisition ist freies Denken verboten. Selbst eine „persönliche“ Religion zu haben ist unmöglich, schon gar nicht Atheismus. Man kann nicht auswählen wie man möchte. Islamisten werden jeden töten, bedrohen oder nötigen, der Dinge anders interpretiert, der widerspricht, frei denkt oder der gegen ihre Normen verstößt, indem er ein Leben des 21. Jahrhunderts lebt.
Eine der Charakteristiken einer Inquisition ist die Überwachung des Denkens. Zensur ist weit verbreitet, so dass die Todesstrafe verhängt werden kann, weil man ein Buch gelesen hat. Giordano Bruno wurde 1600 wegen Ketzerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt; 2011 gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass Menschen aus ähnlichen Gründen getötet werden. Allein in der islamischen Republik Iran steht auf 130 Vergehen die Todesstrafe, einschließlich Blasphemie, Ketzerei, Apostasie und Feindseligkeit gegenüber Gott.
Unter einer Inquisition ist Folter die Regel. Laut ihrem damaligen Handbuch wurden Inquisitoren instruiert, unter keinen Umständen die Unschuld von Angeklagten festzustellen. Dasselbe trifft auf den Islamismus zu. Du bist schuldig. Punkt.
Schuldig des Denkens, Sprechens, Lachens, des Musikhörens, des Liebens und des Atmens.
Die Absicht des Scharia „Justiz“-Systems besteht darin, ein Geständnis hervorzulocken. Unter der Inquisition wurde man auch dann getötet, wenn man gestanden hatte. Ein Geständnis bedeutete lediglich, dass man erwürgt wurde, bevor man verbrannt wurde, anstatt lebendig verbrannt zu werden. Dasselbe trifft auf den Islamismus zu. Er ist eine Tötungsmaschine.
Das Scharia-Recht ist darauf ausgerichtet, den Massen die verwerfliche Natur des Widerstands und des Freidenkertums beizubringen.
Religion im Allgemeinen und der Islam im Besonderen werden freies Denken (wenigstens zum Nennwert, wenn das möglich sein sollte) nur erlauben, wenn sie in eine Ecke und aus der Öffentlichkeit heraus geschoben worden sind – wenn sie gezwungen worden sind, Suppenküchen zu betreiben, anstelle von Schulen, Gerichten und islamischen Gruppen.
Es ist der Unterschied zwischen dem Christentum heute und dem während der Inquisition (auch wenn das Christentum immer noch eine riesige Rolle dabei spielt, freies Denken zu unterdrücken, Aberglauben zu verbreiten und Schaden zu verursachen, obgleich in Europa weniger sichtbar).
Ein Kampf für freies Denken ist ganz klar ein Kampf gegen den Islamismus und die Inquisition dieses Zeitalters. Es ist auch ein Kampf gegen Religion im Allgemeinen und für die vollständige Trennung der Religion vom Staat, vom Bildungssystem und vom Rechtssystem. Eine säkulare Gesellschaft ist die Mindestvoraussetzung für eine Gesellschaft, in der freies Denken kein Verbrechen ist. Vor allem, da freies Denken meist eine Herausforderung für religiöse Dogmen und das, was tabuisiert ist, darstellt.
Es ist wichtig festzustellen, dass ein Kampf gegen den Islamismus und die ablehnende Rolle der Religion bezüglich des freien Denkens kein Kampf gegen Muslime ist; es ist die Verteidigung der Rechte jedes Einzelnen, ohne Furcht und Einschüchterung so zu denken wie sie es wollen. Vergessen Sie nicht, Muslime oder jene, die so bezeichnet werden, sind die ersten Opfer des Islamismus und viele stehen in der ersten Reihe im Kampf gegen ihn. Nirgendwo ist die Opposition gegen Islamismus und Scharia größer als in Ländern unter islamischer Herrschaft.
Es ist auch kein Kampf gegen Immigranten. Islamismus wurde schließlich durch die Politik des Kalten Krieges der USA in den Mittelpunkt gerückt, indem sie einen grünen islamischen Gürtel um die damalige Sowjetunion schufen. Der wurde nicht in der Küche irgendeines Immigranten zusammengebraut. Außerdem sind viele Immigranten tatsächlich dem Islamismus
Und während der Kampf für freies Denken und gegen Islamismus eine historische Aufgabe und Pflicht ist, muss er Hand in Hand gehen mit einem Kampf gegen die extreme Rechte, vor allem in Europa, Australien und Nordamerika. Dies zu sagen ist besonders wichtig in einem Land, welches gerade eine ungeheure menschliche Tragödie und Gräueltat erlebte.
Anders Behring Breivik mag allein gearbeitet haben, aber es handelte sich nicht um die einsame Tat eines Irren.
Es gibt zahlreiche Organisationen und politische Parteien mit ähnlichen Plattformen, die Einfluss gewonnen haben und gewinnen, die auch Parlamentssitze gewonnen haben. Dies ist auf einige Faktoren zurückzuführen, einschließlich des beispiellosen Angriffs auf das Wohl und das Auskommen der Menschen, auf die Politik gegen Immigranten, den „Krieg gegen Terror“ und die Ethnisierung der Welt. Dies ist auch zurückzuführen auf den Multikulturalismus – nicht als eine positiv gelebte Erfahrung, sondern als eine Sozialpolitik, die Gemeinden und die Welt gespalten hat. Heute sind Menschen überall in Religionen, Kulturen, Nationalitäten und Ethnizitäten aufgeteilt, während unsere Humanität, unser Universalismus und unsere Staatsangehörigkeit für irrelevant erachtet werden.
Ironisch ist, dass, während die extreme Rechte scheinbar den Islamismus als Ziel hat, sie ähnliche Ideologien, Charakteristiken, Taktiken und Ziele haben.
Islamismus ist auch eine extrem rechte Bewegung. Beide beruhen auf Religion. Beide gebrauchen eine Sprache des Hasses. Sie sind extrem fremdenfeindlich, frauenfeindlich, homophob und antisemitisch.
Was wir heute brauchen ist ein erneuerter Antifaschismus, der gegen die extreme Rechte und den Islamismus ist und der Menschen – echte, lebende Menschen – und nicht Kulturen, Religionen, Nationalität, Rasse, Ethnizität in sein Zentrum stellt.
Nur eine erneuerte antifaschistische Bewegung, die felsenfest gegen beide steht und unmissverständlich Bürgerrechte und universale Rechte, Freiheit, Gleichheit und Säkularismus verteidigt, kann darauf hoffen zu gewinnen. Im Angesicht von Rückschritt und Gräuel muss ihr Banner eine Menschheit ohne Zuordnungen (labels) sein. Sie muss den Menschen als heilig erkennen und nichts Anderes.
Wie der verstorbene Marxist, Atheist und Humanist Mansoor Hekmat sagte: „Selbstverständlich… es ist das Recht aller zu glauben, was immer sie wollen Aber es liegt ein fundamentaler Unterschied darin, die Meinungsfreiheit von Individuen zu respektieren und die Meinungen zu respektieren, die sie vertreten. Wir sitzen nicht über die Welt zu Gericht; wir sind Spieler und Teilnehmer in ihr. Jeder von uns ist Beteiligter an diesem historischen, weltweiten Bemühen, welches meiner Meinung nach vom Beginn der Zeit an bis jetzt um die Freiheit und Gleichheit der Menschen ging.“
[Übersetzung: Fiona Lorenz]