Elefant
von Martin Suter
Diogenes
18. Januar 2017
352 Seiten
Gegenwartsliteratur
Gebundene Ausgabe: 24,00 €
ISBN 3257069707
Klappentext
Ein Wesen, das die Menschen verzaubert: ein kleiner rosaroter Elefant, der in der Dunkelheit leuchtet. Plötzlich ist er da, in der Höhle des Obdachlosen Schoch, der dort seinen Schlafplatz hat. Wie das seltsame Geschöpf entstanden ist und woher es kommt, weiß nur einer: der Genforscher Roux. Er möchte daraus eine weltweite Sensation machen. Allerdings wurde es ihm entwendet. Denn der burmesische Elefantenflüsterer Kaung, der die Geburt des Tiers begleitet hat, ist der Meinung, etwas so Besonderes müsse versteckt und beschützt werden.
Inhalt
In Schochs Höhle steht ein kleiner, rosafarbener, leuchtender Spielzeugelefant. Das Problem? Es handelt sich um kein Spielzeug, sondern ein echtes, lebendiges Elefäntchen. Und dem kleinen Tier geht es gar nicht gut. In seiner Verzweiflung sucht der Obdachlose die Gassentierärztin Valerie auf und gemeinsam versuchen sie, den kleinen Elefanten zu retten. Nicht etwa vor der kleinen Magenverstimmung, die Sabu – so nennt Schoch sie schon bald – quält, sondern vor den Genforschern, die hinter Sabu her sind.
Der Blick in die Vergangenheit klärt auf: Sabu ist das Ergebnis eines kommerziellen Genexperiments und der Verantwortliche Wissenschaftler Roux setzt alles daran, größtmöglichen kommerziellen und wissenschaftlichen Erfolg aus der kleinen Elefantendame zu schlagen. Doch der etwas träge Tierarzt Reber und Elefantenpfleger Kaung wollen Sabu vor diesem Schicksal retten und eine spannende Verfolgungsjagd beginnt.
Meinung
Auf den ersten Blick wirkt „Elefant“ untypisch für Martin Suter. Ich kenne ihn von vielen Romanen und Erzählungen als witzigen Sprachkünstler, der die Reichen und Schönen ein wenig auf den Arm nimmt. Nun also rosa leuchtende Mini-Elefanten? Das klang zu Beginn für mich ein bisschen mehr als nur fantastisch. Entpuppt sich nun allerdings als mein neues Lieblingsbuch des Autoren.
Der Autor inszeniert eine spannende Verfolgungsjagd, die nichts anderes zum Ziel hat, als Sabu Barisha – die kleine Elefäntin – vor ihrem Schicksal als Versuchstier zu retten. Während Schoch, Valerie und Reber aus ethischen Gründen handeln, glaubt Elefantenpfleger Kaung gar an die Heiligkeit des rosa Tieres. Allen ist jedoch eines gemeinsam: Sie lieben das kleine Elefäntchen und begeben sich in große Gefahr für dessen Rettung.
Die Handlung beinhaltet einige Rückblenden, die den Ursprung des Experiments erklären. Eine gute Orientierung bieten dabei die Kapitelüberschriften, die das Datum beinhalten. Die beiden Zeitstränge bewegen sich aufeinander zu, bis sie sich vereinen und der Roman einem Strang folgt.
Schoch, Valerie und co. sind sehr sympathische und vielschichtige Charaktere. Schoch ist Obdachloser. Im Laufe des Romans lernt der Leser sein Schicksal kennen und wird in die Ursache eingeweiht, warum der einst sehr wohlständige Mann nun auf der Straße lebt. Valerie ist Tierärztin und engagiert sich mit dem Erbe ihrer Eltern für das Wohlergehen der Tiere der Obdachlosen. Eine von ihr ins Leben gerufene Stiftung betreibt eine Tierklinik in der Gasse, wo Randständige ihre Tiere vorstellen können. Im Umgang mit Schoch beginnt sie zu hinterfragen, wie sie selbst (aber auch die Gesellschaft) mit Randständigen umgeht. Zu guter Letzt als einer der Protagonisten ist Kaung zu nennen. Es handelt sich um einen Elefantenpfleger aus Asien, der im Zirkus arbeitet, aber schon lange für seine Rückkehr in die Heimat spart. Er wünscht sich, dort ein Rescue Center für Elefanten eröffnen zu können von dem Geld, dass er während seiner Tätigkeit im Zirkus Pellegrini zurücklegt. Der Wissenschaftler Roux hingegen ist ein exzellenter Antagonist. Der Leser wird dazu angeregt, sich eine eigene Meinung von ihm bilden. Diese fällt (zumindest bei mir) sehr negativ aus. Roux ist erfolgsversessen und scheut nicht, unethisch zu handeln.
Am Anfang hielt ich die Thematik für recht fantastisch. Spätestens jedoch nach der ersten Befragung des Internets war mir klar, dass dieser rosarota leuchtende Minielefant nicht ganz so fantastisch ist, wie man meinen mag. Durchaus gibt es nämlich die sogenannten „Glowing Animals“, Tiere deren Haut (?) durch Genveränderung Licht in verschiedenen Farben reflektieren kann. Auch wenn Sabu Barisha ein überspitztes Genexperiment darstellt, ist das Tier weit weniger von der Realität entfernt als ich zu Beginn annahm.
Insgesamt behandelt Suter in diesem Roman einige sehr aktuelle, kritische Themen: Obdachlosigkeit/Randständige und Genmanipulationen und die damit verbundenen ethischen Fragen. Ein Buch, dass so durchaus das große Potential hat, zum Denken anzuregen.
Fazit
Der kleine rosa Elefant und seine Retter haben mein Herz im Sturm erobert. „Elefant“ ist ein kritischer, rührender, herzlicher, spannender und witziger Roman, der den Leser von der ersten Seite an begeistert. Von mir daher eine klare Leseempfehlung.