Der britische Autor Martin Millar und ich haben eines gemeinsam: Wir sind beide große Buffy-Fans. Es ist absurd, wie oft es Millar in vergangenen Interviews gelang, das Gespräch auf seine Lieblingsserie zu lenken. Vor 20 Jahren fantasierte er sogar davon, ein Drehbuch für Buffy zu schreiben. Meines Wissens hat das leider nie geklappt. Generell hatte es Millar schwer, in den USA veröffentlicht zu werden. Wieder und wieder wurde er abgelehnt, bis sein Agent 2004 Neil Gaiman überzeugen konnte, eine Einleitung zu Millars Roman „The Good Fairies of New York" zu verfassen. Mit diesem berühmten Namen im Rücken eroberte er endlich den US-amerikanischen Buchmarkt - und einen Platz in meinem Regal, denn auch ich wurde dadurch auf das Buch aufmerksam.
New York City ist eine große Stadt. Platz genug für alle, sollte man meinen. Aber als zwei 50 Zentimeter kleine schottische Feen durch das Fenster des übergewichtigen, sozial isolierten Dinnie fliegen, erst auf seinen Teppich kotzen und sich dann häuslich einrichten, scheint die Metropole zu schrumpfen. Morag und Heather richten überall unabsichtlich Chaos an und zwingen Dinnie sogar, unter Menschen zu gehen. Kein Wunder, dass sie aus Großbritannien rausgeworfen wurden. Ihre Probleme sind sie dadurch allerdings nicht losgeworden. Auf ihrem Weg in die USA verhalfen sie den Kindern des britischen Feenkönigs Tala zur Flucht, die jetzt im Central Park leben. Tala will seine Kinder um jeden Preis zurückhaben. Notfalls mit Gewalt. Zornig schickt er seine Armee nach New York, die die Stadt erobern und seine rebellische Brut nach Hause holen soll. Es liegt an Morag und Heather, die New Yorker Feenclans zur Verteidigung zu mobilisieren - vorausgesetzt, sie bleiben lange genug nüchtern.
Tja. Was lässt sich über „The Good Fairies of New York" sagen? Nicht viel. Muss man überhaupt viel sagen? Ich denke nicht. Es ist ein buntes, quietschvergnügtes Buch, das sich absolut nicht ernstnimmt und eine Geschichte erzählt, die von Irrungen, Wirrungen und alkoholgeschwängertem Feendurcheinander berichtet. Zwei schottische, weibliche Feen mit einer Vorliebe für klassischen Punk, verrückte Frisuren und guten Whiskey fallen in New York ein und stiften jede Menge Unheil. Müsste ich Morag und Heather beschreiben, würde ich auf ein Sprichwort zurückgreifen: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert". Die beiden sind unabsichtlich wandelnde Katastrophen, die ständig etwas vergeigen, obwohl sie eigentlich Gutes tun wollen. Mit ihren märchenhaften Vorbildern haben sie wenig gemein. Sie zanken sich pausenlos und schaffen es, alle in ihren Mahlstrom des Chaos hineinzuziehen, weil sie sich liebend gern in fremde Angelegenheiten einmischen. Daraus ergibt sich eine recht unübersichtliche Handlung, in der das Duo den Brennpunkt für zahlreiche weitere Verwicklungen darstellt. Ich fand es erstaunlich schwierig, die Zusammenhänge der vielen Perspektivwechsel zu lokalisieren und eine konsistente Kausalkette zu definieren. Millar schreibt temporeich in schlichten, kurzen Sätzen, hüpft wie ein Flummi von einer Figur zur nächsten und überlässt es seinen Leser_innen, den roten Faden zu finden. Ich glaube, er gab sich große Mühe, den Anschein zu erwecken, dass er ohne Plan drauf losschrieb, doch wenn ich mir vergegenwärtige, wie oft er gesellschaftskritische Themen anreißt, komme ich zu dem Schluss, dass das nicht stimmen kann. „The Good Fairies of New York" verleitet dazu, tiefere Botschaften über die Überwindung ethnischer Ressentiments und gesellschaftlichen Zusammenhalt herauszulesen zu wollen, ich ahne jedoch, dass das nicht Millars Intention war. Obwohl ich der Versuchung, mehr aus diesem Buch zu machen, als es ist, im Großen und Ganzen widerstand, gab es dennoch einen Handlungsstrang, über den ich ausführlicher nachgrübelte, als Millar vermutlich beabsichtigte. Morag und Heather treffen in New York auf die obdachlose, suchtkranke Magenta, die sich für den antiken griechischen Feldherren Xenophon hält und überraschend zur Heldin wird. Demnach lenkt „The Good Fairies of New York" die Aufmerksamkeit der Leser_innen nicht nur auf die Ignoranz, mit der Obdachlosigkeit in Großstädten behandelt wird, sondern spezifisch auf eine Bevölkerungsgruppe, die nahezu unsichtbar ist: Obdachlose Frauen. So sehr sich Millar anstrengt, seine Geschichte nicht zu ernst werden zu lassen, erscheint es mir signifikant, dass ausgerechnet Magenta eine entscheidende Rolle einnimmt. Mein Bauchgefühl ist fest überzeugt, dass der Autor mir damit etwas sagen wollte - ich weiß nur nicht, was. Vielleicht geht es auch gar nicht darum, eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Vielleicht wollte er den ungezwungenen Rahmen von „The Good Fairies of New York" einfach nutzen, um Sensibilisierung zu unterstützen. Ich kann berichten, dass Magenta meinen Blick für obdachlose Frauen definitiv schärfte. Möglicherweise ist das genau, was Millar erreichen wollte.
Ich bin sicher, dass „The Good Fairies of New York" primär unterhalten soll. Martin Millar möchte gute Laune stiften, Freude und Lachen verbreiten. Meiner Meinung nach gelingt ihm das, allerdings gestalten die zahlreichen Anspielungen auf komplexe gesellschaftliche Konflikte die Einordnung des Romans schwierig. Ich amüsierte mich oft über die beiden Feen Morag und Heather und schon im nächsten Moment fragte ich mich ratlos, warum Millar Elemente involvierte, die zweifellos zu einer detaillierten Analyse einladen. Ich begriff nicht, wieso er es nicht bei der luftigen, spielerischen Geschichte um Morag und Heather beließ. Sollte ich nun nach einer Botschaft suchen oder nicht? „The Good Fairies of New York" hätte mir besser gefallen, hätte ich erkannt, was Millar von mir erwartet. Da das nicht der Fall war, beendete ich die Lektüre mit dem Gefühl, etwas versäumt zu haben. Martin Millars seltsame Mischung aus Humor und Gesellschaftskritik scheint einfach nicht mein Ding zu sein.