„MG“
(Mute)
In den Moment, wo man’s hinschreibt, wirkt es fast ein wenig anmaßend – und doch entspricht es den Tatsachen: Martin L. Gore hat gerade mit über fünfzig sein Solodebüt veröffentlicht. Zugegeben, ganze 35 Jahre hat er maßgeblich den Erfolg von Depeche Mode gelenkt und mitgestaltet, zwei EPs mit gecoverten Songs (Counterfeit/Counterfeit²) gehören ebenso zu seinem Output wie ein gemeinsames Album mit dem Ex-Kollegen Vince Clarke (VCMG) und diverse Kooperationen und Gastauftritte. Aber eigene Songs eben, auf Longplayerformat? Premiere. Möchte man gar nicht glauben, andererseits ist ja auch nichts Ehrenrühriges daran, sich nach so langer Zeit der Zuarbeit und der Kompromisse mal zur Abwechslung um’s eigene Ego zu kümmern. Konsequenterweise tut Gore das in instrumentaler Form. Ein jeder weiß, dass seine Stimme markant genug ist, um einem Stadionpublikum Schauer über den Rücken zu schicken, dennoch: Einmal mehr geht es Gore wie schon bei der Kollaboration mit Clarke um das Wesentliche, um musikalische Texturen, Strukturen, um die Faszination des Zusammenspiels von so simplen Komponenten wie Beat, Geräusch und Melodie.
Sechzehn minimalistische Kompositionen also, einige davon schon während der Arbeiten am letzten Depeche-Mode-Album „Delta Machine“ entstanden (und für Gore zu wertvoll, um sie einfach verschwinden zu lassen), versehen mit kryptischen, futuristischen Titeln wie „Elk“, „Spiral“, „Brink“ oder „Featherlight“. Sie Fingerübungen zu nennen wäre wohl unzureichend, besitzen sie doch genügend Tiefe, Vielfalt und vor allem die Fähigkeit, die eigene Fantasie anzuregen, so dass sie es mühelos mit klassischen Songs aufnehmen könnten. Gore selbst betont gern den filmischen Aspekt seiner Arbeiten und tatsächlich entwickeln sie sich, gönnt man ihnen die nötige Zeit, zu einer Art Soundtrack für’s private Kopfkino. Und so bewusst, wie er auf jedweden Vokalpart verzichtet, bleibt sein Ansatz ein strikt synthetischer – für all jene, welche den Einsatz von Bluesgitarren bei Depeche Mode als Irrweg zu verdammen nicht müde werden, sollte ein rein technoides Album wie dieses grenzenlosen Jubel auslösen. Am Ende bleibt es aber ein Liebhaberstück für wenige, dem der Weg ins Formatradio erspart bleiben wird. Und das ist schon wieder eine gute Nachricht. http://www.martingore.com/