Martin Cruz Smith – Gorki Park

Von Nicsbloghaus @_nbh

[Erstveröffentlichung: 12. Juni 2009]

Das also ist der erste “Arkadi-Renko-Roman” – wenn auch nicht mein erstes Cruz-Smith-Buch.
Bereits hier wird der anpassungsunfähige Chefermittler der Moskauer Staatsanwaltschaft dem Leser vorgestellt: ein Antiheld; einer, der sich nicht in das Gefüge der sowjetischen Gesellschaft der späten 70iger Jahre einpassen (lassen) will. Der häufig scheiternde, häufig Geschlagene und doch immer moralisch siegende Arkadi Renko.

In einer korrupten Gesellschaft bewahrt sich Renko Menschlichkeit; ein nur ungern gesehenes Gut. Im Strudel der Ereignisse fast versinkend klärt er drei Mordfälle im Moskauer Gorki Park (!) auf. Dabei jedoch stellt er sich gegen den KGB, gegen seinen eigenen Staatsanwalt und die überbordende Bürokratie des Landes.
Letztlich werden aus den drei Leichen im Gorki-Park sieben oder acht (das ist ein Manko Cruz Smith’ ersten Romanes: es stirbt sich zu schnell)… die letzten davon in der Nähe von New York.

Renko gerät in diese Misere (grandios geschildert, wie er in die Vernehmungsfänge des KGB gerät, gefoltert vernommen wird und seinen Scharfrichter menschlich werden lässt)… weil er liebt! Anders als in den anderen bisher gelesenen Büchern liebt Renko im „Stalin Park” tatsächlich. Und überlebt nur deshalb.

Renko, der Unangepasste, der Einzelgänger, der Geheimnisbewahrende, der “einsame Wolf” bleibt trotz allem die Figur des Buches, die am humanistischsten ist. Er ist von einem tiefen Glauben an Gerechtigkeit getrieben (das bleibt in allen anderen Büchern ebenso) – und an diesem Konflikt: auf der einen Seite Renko, der unerschütterlich an das Gute im Menschen glaubt trotz des Wissens um die Abgründe der menschlichen Seele – auf der anderen karrieregeile Gegenspieler, die für Geld und andere materialistische Reichtümer lügen, betrügen und über Leichen gehen.

Cruz Smith gelingt in diesem Buch, die Atmosphäre des einfachen Lebens in der späten Sowjetunion ebenso einzufangen wie das – völlig davon verschiedene – Leben der Nomenklatura; der Reichen und Mächtigen.
In “Stalins Geist”, das Jahrzehnte später angesiedelt ist, zeigen sich die Auswirkungen auf eine Gesellschaft, die sich “sozialistisch” nannte und in der es trotzdem ein “Oben” und ein “Unten” gab (im nächsten Buch „Polar Star” befindet sich Renko ganz unten). Die sich hier anbahnenden Gegensätze zwischen arm und reich zeitigen in Putins Russland dann verheerende Folgen.

Letztlich geht es aber weder um die drei Leichen im Park – die sind eher „Zufall”, eher der „Abfall” eines viel größeren Verbrechens (über das ich natürlich nichts verrate, damit St. nicht wieder sagt, ich hätte die Auflösung verraten)…
Aus irgendeinem Grunde wusste vermutlich jeder im Osten aufgewachsene Mensch, dass der Sumpf der Korruption keineswegs ein “kapitalistisches” Relikt war, sondern selbst im kleinsten Rahmen überlebensnotwendig. Wo das Nötigste fehlt, wo Mangel an der Tagesordnung ist, ist es besser, ein paar Dollar (oder D-Mark) geben zu können, eine Gefälligkeit mit einer anderen begleichen zu können. Und auch wenn unsere kleinbürgerlichen Politbüromitglieder in ihrem miefigen Wandlitz im Plüsch der 50iger Jahre wandelten; die Gewinner waren andere. Die, wie ein Herr Schalck-Golodkowski von der Armut und dem daraus folgenden Ausverkauf eines Landes wie die Maden im Speck lebten.

Dies potenziert mit dem riesigen Land UdSSR … und man bekommt eine Vorstellung davon, in welchen Dimensionen sich die Korruption in dem zum Teil bitterarmen Land eingefressen haben muss. Und Renkos – womit wir wieder beim Buch sind – Ermittlungen sind wie eine brennende Kerze, die an ein Wespennest gehalten wird. Alle: sein Chef, der Staatsanwalt; der KGB und seine Kollegen in der Ermittlungsbehörde; alle wissen, dass Renko auf einem Schleudersitz sitzt als er im Zusammenhang mit dem Mord an den drei Toten ermittelt und dabei nicht bereit ist, sich den „Ratschlägen” seines Vorgesetzten zu beugen.
Da ist es nur logisch, dass Renko am Ende des Buches weder Arbeit noch Hoffnung hat; die Geliebte in (und an) New York verliert und so einsam wie zuvor, aber als der Held des Buches (und des Leser-Herzens) zurückbleibt.

Ein wirklich gutes, spannendes, genaues und erstaunlich glaubwürdiges Buch. Noch einmal Dank an St. & K., die mir die Arkadi-Renko-Romane empfohlen haben. „Polar Star”, den nachfolgende Roman, habe ich bereits begonnen.

Nic