Heute habe ich mal eine ganz besondere Geschichte für Euch. Und zwar die von Marrón und Anne. Marrón stammt aus Peru und Anne aus Deutschland. Wie die beiden zusammen kamen? Lest einfach weiter und erfahrt, wie Anne das Leben eines peruanischen Straßenhundes verändern konnte – und wie er ihres verändert hat.
Du bist tierlieb und willst nach Südamerika? Mach dich auf ziemlich emotionalen Ballast gefasst. In Lateinamerika wimmelt es nämlich nur so vor Straßenhunden.
In Peru gibt es eine ziemlich merkwürdige Mentalität, was den Tierschutz oder Tiere im Allgemeinen angeht. Viele haben Rassehunde und verhätscheln diese aufs äußerste. Beim Tierarzt kann man zum Beispiel Kleidung für Hunde kaufen. Wer also mal ein Ballet-Tütü für einen Mops sucht, der sollte mal in Peru schauen. Hunde werden häufig verschenkt – die sind ja auch soooo süß, wenn die klein sind. Und so weiter. Der Nachteil an Lebewesen ist natürlich, dass die auch irgendwann mal wachsen. Und wenn die dann zu groß, ungezogen oder nervig werden, dann kommen sie auf’s Dach. Ja, auf’s Dach. Und da stehen die dann ihr Leben lang auf dem Flachdach und fungieren als lebende Alarmanlage.
Das ist aber noch der schöne Fall. Viele landen eben auch auf der Straße, und dort geht dann das unkontrollierte Vermehren los. Die Stadtverwaltungen führen regelmäßig „Säuberungsaktionen“ durch, und die Hunde werden auf brutale Art und Weise getötet.
Was man da tun kann? Im meisten der Fälle würde ich sagen nicht viel. Man kann nicht jeden retten. Vor allem kann man nicht die Mentalität einer gesamten Gesellschaft ändern (wobei ich das eigentlich nicht so generalisieren mag, denn es gibt sicherlich auch liebe und verantwortungsbewusste Tierbesitzer in Peru).
Kleine Dinge, die trotzdem was bringen, wenn du in solchen Ländern unterwegs bist:
- Übrig gelassenes Essen an eine Straßenecke legen. Irgendein Hund wird es dir danken.
- Wasser in einen Plastiktopf an den Straßenrand stellen. Es gibt vor allen in trockenen Regionen fast kein Trinkwasser für Straßenhunde.
- Hunde streicheln und/oder mit ihnen sprechen. Ich habe sehr selten aggressive Straßenhunde gesehen. Hunde wollen meist ihr Territorium verteidigen. Straßenhunde haben keinen Besitz, den sie verteidigen, dementsprechend friedlich sind sie auch. Ich kann verstehen, wenn man nicht einfach Straßenhunde streicheln möchte. Man sollte sich definitiv GUT DIE HÄNDE WASCHEN, nachdem man einen angefasst hat. Meistens bringt es schon was, wenn man einfach mal mit ihnen spricht.
Einen Straßenhund adoptieren
Sicherlich die aller krasseste Hilfe, die man einem Straßenhund bieten kann. Aber auch die, die lebenslang Verantwortung bedeutet. In meiner Zeit in Peru habe ich mehrfach gesehen, dass Volunteers oder Traveller Hunde „adoptiert“ haben, sie aber nach ihrer Zeit einfach zurückgelassen haben. Solch ein verantwortungsloses Handeln ist für mich absolut nicht nachvollziehbar.
Bevor du einen Straßenhund adoptierst, solltest du dir über folgende, einfache Punkte im Klaren sein:
- Ein Hund kostet Zeit!
- Ein Hund kostet Geld! Viel Geld, Vor allem Tierarzt-Kosten darf man echt nicht unterschätzen. Du solltest durchschnittlich mit 50 € Tierarztkosten/Monat rechnen.
- Ein Hund kostet Geduld. Marrón war das gesamte erste Jahr ein absoluter Zerstörer. Schuhe, Laptopkabel, Möbel – der Hund hat einfach alles kleingemacht.
- Du bist deutlich unflexibler. Reisen mit Hund ist kompliziert und teuer, sobald man nicht mit dem eigenen Auto in Urlaub fährt.
Obwohl ich all diese Dinge vorher wusste… als ich Marrón zum ersten Mal gesehen habe, waren alle Argumente vergessen.
Marrón ist unser Hund seit er vier Wochen alt ist.
Und er hat sein gesamtes Leben bisher mit uns verbracht.Ich habe ihn damals mitgenommen und seitdem ist er mein treuer Begleiter. Und wenn ich eins nie vergessen werde, dann ist es, wie ich damals Marrón gefunden habe. Das war 2011. Er war schätzungsweise erst einen Monat alt. Eigentlich zu jung, um von seiner Mama wegzukommen. Eine Mama war allerdings nicht in Sicht am Ende von Huanchaco, wo es außer Sand, Steine und Müll nicht mehr viel gibt.
Alejandro und ich brachten ihn zum Tierarzt, da wurde er erst einmal entfloht und entwurmt, bekam seine Impfungen und einen General-Check. Alles gut, Hund gesund. Es wurde eine Impfkarte für ihn angelegt „Rasse – Mischling. Farbe – Braun. Name?“ fragte der Tierarzt, als er seinen Pass ausfüllte. Name? Kein Plan, wir hatten den Hund vor zwei Stunden gefunden. „Marrón“ (span. für braun) meinte Alejandro. Ja nee, ist klar, sehr kreativ. Aber gut, wir nennen ihn dann noch um. Es sind jetzt fast drei Jahre vergangen und Marrón heißt Marrón, und das wird auch so bleiben … ;-)
Ein Hund der Brötchen isst, Post bekommt und durch Ecuador reist
Seitdem lebt Marrón bei uns, und wir haben ihn völlig vermenschlicht.
Ein typischer Tag in Huanchaco war meist ein großer Spaziergang morgens am Strand, ein paar Pelikane jagen, Straßenhund-Kumpel begrüßen, zum Markt, Brötchen abstauben, das Klopapier nach Hause tragen (das habe ich ihm beigebracht und war morgens DIE Attraktion auf dem Markt), essen, pennen und dann ein Streifzug alleine durch Huanchaco. Wir haben ihn meist einfach auf die Straße lassen können, Huanchaco ist fast durchgängig Fußgängerzone, alle kannten uns und den Hund und wussten, wo der Hund hingehört. Marrón hing dann ein bisschen mit den Straßenhund-Buddies ab, hat sich nen’ Fisch am Meer gefuttert und tauchte nach zwei Stündchen wieder vor der Tür auf.
Ich würde sagen, Freiheit und pura vida.
Nichtsdestotrotz wurde Marrón von Anfang an verwöhnt, ein absolutes Einzelkind. So kam dann auch schon einmal das ein oder andere Paket für den Hund aus Deutschland. Da konnte die Post-Omi von Huanchaco auch nur noch den Kopf schütteln … ;-)
Marrón ist ein Reisehund
Sozusagen “the most vagabond” der Familie. Wenn jemand einen Koffer packt, dann geht der Hund durch die Decke vor Aufregung. Wir sind mit ihm nach Ecuador gereist, nach Lima und jedes Mal ist der Hund einfach genial. 16 Stunden Fahrt nach Ecuador? Kein Ding für Marrón.
In Guayaquil, Ecuador, müssen Hunde im Busbahnhof eine Windel tragen.
Als dann der Plan aufkam, wieder eine Weile nach Deutschland zu gehen war klar: Marrón muss mit. Das ist leider nicht ganz so einfach, wie man sich das vorstellt. Aber auch nicht unmöglich.
Nach 20 Stunden Flug mit dem Hund in der Transportbox war ich mit den Nerven völlig am Ende. Ich dachte, der Hund ist jetzt versaut. Den kriegen wir nie wieder so, wie er mal war. Als Marrón dann am Zoll angefahren wurde und mich durch die Gitterstäbe seiner Box sah, ist er völlig durchgedreht vor Freude. Seitdem ist Marrón mit uns in Berlin.
Liebt Schnee, hasst Regen und fährt immer mal wieder gerne mit uns zum Grunewaldsee oder zur Ostsee. Statt Brötchen gibt’s nun Döner, statt Strand das Tempelhofer Feld.
Wir haben festgestellt, dass Fliegen mit Hund zwar teuer und nervig ist, aber Marrón zumindest bei dem einen Mal nicht geschadet hat. Für kurze Reisen und Flüge darf er trotzdem erstmal Urlaub am Niederrhein bei meinen Eltern machen.
Für unseren nächsten großen Plan – eine Reise mit Bus durch Lateinamerika – steht jedoch eins fest: Marrón muss mit dabei sein. Schließlich ist und bleibt er ja ein echter Latino – und vor allem ein echter Vagabund … ;-)
Der Originalartikel ist auf Annes Blog GoingVagabond erschienen. Wer genau wissen möchte, wie das mit Marróns Einreise nach Deutschland gelaufen ist und welche Hürden überwunden werden mussten, der klickt bitte hier.
Anne ist #Backpackerin #Grafikdesignerin #Veggie #Straßenhund-Adoptiv-Mamá #Publizistik-Studentin. In den letzten Jahren hat sie zwei Jahre im Ausland gelebt, einen Straßenhund adoptiert und ihren peruanischen Freund geheiratet. Klingt verrückt? War’s auch! Doch wäre sie vor drei Jahren nicht einfach nach Südamerika geflogen, wäre das alles nie passiert. Auf www.goingvagabond.de berichtet sie von Reisen, Erfahrungen und möchte möglichst viele Menschen inspirieren, sich selbst und alles andere nicht immer allzu ernst zu nehmen, einfach mal loszulassen und die Welt zu entdecken.
Liebe Anne, vielen Dank, dass Du mir die schöne Geschichte von Deinem Marrón zur Verfügung gestellt hast. Ich wünsche Dir noch viele schöne Jahre mit dem lustigen Gesellen und bin schon jetzt gespannt darauf, was Ihr auf Eurer Busreise durch Lateinamerika erleben werdet.
Fotos und Text: Anne Prinz de Serván, Berlin
← Limfjord – Urlaub in ursprünglicher Natur