Marmeladegläser gegen Ketschupflaschen

Schon seit langem herrschten diese Querelen zwischen den leeren Gläsern unterm Küchentisch, jenen Gläsern, die eigentlich dort nur warten müssen, bis sie in einen Container für Glasabfall kommen. Dieses Hin und Her glich etwa dem, wie sich Geschwister manchmal streiten, oder sonst Leute, die sich gut kennen…

Bei genauerem Hinsehen konnte man feststellen, dass die Auseinandersetzung zwischen den Marmeladegläsern und den Ketschup Flaschen stattfanden. Da hörte man zum Beispiel die Ketschup Flaschen: „Haha, Dickgläser! Ihr könnt ja nicht mal über den Rand des Einkaufskorbs blicken, eine richtige Flasche hat doch einen Hals … guckt nur mal uns an!“ Und umgekehrt spotteten die Marmeladegläser: „Auf Eurer gerippten Haut klebt ja noch ein Rest der Etikette, wie eklig, und der Deckel ist auch nicht ganz sauber, guckt mal uns an, die Sonne könnte sich in unserem Glas spiegeln!“ Das tat die Sonne aber natürlich nicht, unterm Küchentisch.

Irgendwann wurde das aber dem Schwingbesen zu viel. Er schlug federnd auf den Schubladenboden (er hat von der Tischschublade, in der er versorgt war, das Geplänkel unter dem Tisch verfolgt), und als die ganzen Gläser erstaunt über das komische Geräusch nach oben guckten, machte er folgenden Vorschlag: „Liebe Gläser. Zuerst mal will ich ganz klar sagen, dass alle Gläser gleich sind, ungeachtet ihrer ursprünglichen Verwendung, ihrer Sauberkeit oder ihrer Form. Wenn ihr euch aber doch messen wollt, dann schlage ich vor, dass ihr am nächsten Samstag ein Fussballspiel austragt, Marmeladegläser gegen Ketschup Flaschen.“ Die Begeisterung war gross.

Der nächste Samstag war sonnig und warm. Und das hättest Du sehen sollen: um das kleine Feld, auf dem das Spiel ausgetragen werden sollte, haben sich alle nur erdenklichen Küchen- und Haushaltgeräte versammelt. Am oberen Ende waren die Kochlöffel und Schöpfkellen, gleich daneben allerlei Besteck; etwa in der Mitte, fast etwas hochnäsig, waren Mixer, Entsafter, Kaffeemühle und Mikrowellen. Am unteren Feld-Ende standen erwartungsvoll zwei Staubsauger, dann kamen die ganzen Blumenvasen (zum Teil sogar mit Blumen drin) und nach einer grossen Menge Staublappen und Schuhputzbürsten traf man auch auf Biskuitdosen und ein paar Ständerlampen.

Auf dem Spielfeld hüpften die beiden Mannschaften an Ort und Stelle, um sich aufzuwärmen. Als dann schwungvoll der Schiedsrichter auf das Feld kam, verstummte das Publikum. Der Schiedsrichter war ein Brotmesser mit Dachkappe, und er gab den Startpfiff. Sofort kamen die Ketschup Flaschen in Führung, Besonders eine der Flaschen tat sich hervor, allerdings rempelte sie ein Marmeladeglas so arg an, dass es laut jammernd auf dem Boden lag und von zwei Kuchenblechen vom Spielfeld getragen werden musste. Kurz vor dem Torschuss konnten aber die Marmeladegläser sich den Ball wieder holen, und dann ging alles sehr schnell: im Hui war der Ball auf der andern Seite, ein dicker Marmeladestürmer setzte zu einem scharfen Schuss an und der Ketschup Torwart warf sich dem herannahenden Geschoss entgegen – ein lautes, klirrendes Geräusch und der Torwart war zerschlagen und der Ball war auch kaputt. Grosses Geschrei … das Publikum strömte auf den Platz … Entsetzen auch unter der Marmeladegläsermannschaft: “Das wollten wir nicht, wir wussten nicht, dass der so schnell zerschlägt …“ … aber machen konnte man nichts mehr.

Das Spiel wurde natürlich abgebrochen und die ganze Gesellschaft ging heim. Die Überreste des Torwarts wurden mitgetragen, und bei der Glassammelstelle zogen alle Haushaltgeräte ihre Hütchen ab, und der Torwart wurde in den Container geworfen. Dort kamen übrigens Ende Woche alle alten Gläser hin. Dann gingen alle zurück in die Wohnung und verteilten sich in Schubladen und Schränken, Regalen und Tischen.


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