Markus Heitz – Die Zwerge

Markus Heitz - Die Zwerge

Markus Heitz – Die Zwerge

Markus Heitz tanzt gern auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig. Seine Romane kokettieren mit vielen Genres: in seinem Portfolio tummeln sich Urban Fantasy, Dark Fantasy, Science-Fiction, Thriller, Historische Fiktion und Dystopien. Doch seine Wurzeln liegen in der High Fantasy. Für sein 2002er Debüt „Schatten über Ulldart" erhielt er den Deutschen Phantastik-Preis. Dennoch gelang ihm der Durchbruch erst 2003 mit „Die Zwerge". Tatsächlich wurde der Reihenauftakt so erfolgreich, dass Heitz bis heute keine Informationen über ein neues Projekt veröffentlichen kann, ohne direkt nach einer Fortsetzung gefragt zu werden. Mittlerweile existieren fünf Bände; der erste ist für mich ein Reread, weil ich die Reihe vor Jahren schon einmal begonnen habe, ohne sie weiterzuverfolgen.

Zwerge tragen Bärte. Zwerge sind mutig und für jeden Kampf bereit. Zwerge schützen das Geborgene Land vor den scheußlichen Kreaturen Tions. Zumindest steht es so in den Büchern. Tungdil erhielt nie die Gelegenheit, sein Volk kennenzulernen. Er wuchs als Findelkind unter Menschen auf. Er ist ihnen und seinem Mentor, dem Zauberer Lot-Ionan, sehr dankbar, aber solange er nicht einmal weiß, welchem Stamm er angehört, wird er niemals lernen, ein richtiger Zwerg zu sein. Deshalb ist Tungdil aufgekratzt wie selten zuvor, als Lot-Ionan ihn für einen Botengang auf Reisen schickt. Endlich wird er die Welt sehen! Vielleicht wird er sogar andere Zwerge treffen? Doch je weiter ihn sein Weg führt, desto deutlicher kündigen sich düstere Zeiten für das Geborgene Land an. Orks terrorisieren Dörfer und Ortschaften. Albae schleichen meuchelmordend durch die Nacht. Eine dunkle Macht breitet sich gierig in den Königreichen aus. Unversehens stolpert Tungdil mitten in ein Abenteuer, das seine ganze zwergische Entschlossenheit fordert. Er muss beweisen, dass auch er Zwerg genug ist, das Geborgene Land zu verteidigen!

Ich erinnere mich an sehr wenig aus meiner ersten Lektüre von „Die Zwerge". Gerade genug, um sicher zu sein, dass ich es schon einmal gelesen habe. Darunter ist das unbestimmte Gefühl, dass ich am Ende des Buches unzufrieden war. Nun ist meine erste Reise in Markus Heitz' fantastische Welt des Geborgenen Landes allerdings sehr lange her. Meine Unzufriedenheit kann viele Gründe gehabt haben. Damals reflektierte ich meine Leseerfahrungen nicht ansatzweise so umfassend, wie ich es heute tue. Trotzdem werde ich den Eindruck nicht los, dass ich vor all diesen Jahren dieselben Schwierigkeiten hatte, die ich auch jetzt wieder erlebte. Es ist ein Phänomen, das mir in Heitz' Romanen oft begegnet: der flache Spannungsbogen. „Die Zwerge" ist sehr simple High Fantasy, deren Handlung Antworten liefert, statt Fragen zu stellen. Dadurch erhielt ich selten die Gelegenheit, Auflösungen entgegenzufiebern, zu bangen oder mitzurätseln. Alle entscheidenden Entwicklungen, die enttäuschend oft auf praktischen Zufällen basieren, wurden mir auf dem Silbertablett präsentiert. Da der Reihenauftakt darüber hinaus von einer Ansammlung ganz klassischer HF-Motive in Tolkien-Manier lebt, empfand ich die Geschichte als berechenbar und leider nicht wirklich spannend. Ich finde es schade, dass sich Heitz mit so wenig Originalität begnügte, obwohl ich verstehe, dass „Die Zwerge" den Erwartungen des Publikums entsprechen musste, weil es eines der bekanntesten und beliebtesten Völker der Fantasy fokussiert. Meiner Meinung nach gelang es dem Autor erfolgreich, den Kleinen alle Aufmerksamkeit zu widmen. Der Protagonist Tungdil ist ein verlässlicher Partner, dessen Naivität und Unerfahrenheit als Brücke zwischen Leser_innen und Geborgenem Land dienen. Umschlossen von einer schützenden Bergkette ist das Geborgene Land eine oberflächlich gestaltete Insel des Guten, hinter deren Grenzen das geballte Böse in Form der traditionell antagonistischen Völker lauert - zum Beispiel Orks, Trolle und Albae. Dieses Design erlaubt wenig Raum für Ambivalenz und Heitz inszeniert seine kleinwüchsigen Held_innen als wackere Kämpfer_innen, die sich ganz der Verteidigung ihrer Heimat verschrieben haben. Ihren hohen Wiedererkennungswert empfand ich als positiv, meiner Ansicht nach hätte Heitz jedoch durchaus mehr Individualität wagen dürfen. Seine Zwerge erfüllen absolut jedes gängige Klischee, von ihrer Affinität für Handwerkskunst bis zu ihrer Antipathie Elben gegenüber. Letztere stieß mir in „Die Zwerge" äußerst sauer auf. Heitz beschreibt damit genetisch legitimierten Rassismus. Innerhalb der Zwergenstämme kann ich das nachvollziehen, da Vorurteile von Generation zu Generation weitergegeben werden, aber dass Tungdil, der unter Menschen aufwuchs, ebenfalls eine „diffuse innere Abneigung" für Spitzohren verspürt, ergibt keinen Sinn. Meiner Meinung nach war das unnötig und eine Beschneidung des Potentials der Geschichte. Heitz' mangelnde Experimentierfreudigkeit hinderte ihn daran, mehr aus „Die Zwerge" zu machen, als eine Reproduktion dessen, was man ohnehin über Zwerge zu wissen glaubt.

Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, ein Buch über ein fantastisches Volk zu schreiben, das dermaßen populär ist. Ich respektiere, dass sich Markus Heitz dieser Herausforderung stellte und seine Zwerge mit viel Liebe behandelte. Er hat die Kleinen wirklich ins Herz geschlossen, das steht außer Frage. Dennoch wünschte ich, er hätte „Die Zwerge" mit etwas mehr Kreativität konzipiert. Dieser Reihenauftakt ist eine 621 Seiten lange Bestätigung aller Annahmen, die seit Tolkien über Zwerge existieren. Das Buch enthält keine Überraschungen und lässt nicht erkennen, dass Heitz versucht hätte, eine neue Perspektive einzunehmen. Trotz aller Sympathie für die bärtigen, polternden, stämmigen kleinen Held_innen enttäuschte mich dieser begrenzte Horizont. „Die Zwerge" war ganz nett, aber keine Bereicherung für das Genre. Abwarten, ob es Heitz glückte, aus den Fortsetzungen mehr herauszuholen.


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