Markttag

Von Qohelet17

Meine Wohung habe ich jetzt also, aber diverse Kleinigkeiten fehlen noch, beispielsweise vernünftiges Bettzeug oder eine Tischlampe.

In Lienz würde ich wahrscheinlich meine Eltern bitten mir das Auto zu leihen und damit zum Kika fahren (für alle, denen dieses Geschäft nicht geläufig ist: Es handelt sich dabei nicht um den Kinderkanal, sondern um ein österreichische Möbelhaus – wie ich gerade sehe wird in Tel Aviv gerade eine Filiale errichtet – Grüße an meine israelischen Leser!) , der mangels Konkurrenz in Osttirol Rekordumsätze schreibt.

Als Einwohner Budapests fahre ich aber mit der Metro in das Zentrum des globalen Mainstream-Geschmacks. Richtig: Ikea.

Da ist er auch schon... Der Ikea

Mit der Metro - anstatt mit Auto

Bis jetzt war ich nur einmal beim Ikea und das war in Celovec. Damals wusste ich was ich brauche und habe nicht so auf die Details geachtet… Hier in Budapest aber, wo nicht jeder so gut Englisch oder gar Deutsch kann musste ich die Etiketten entziffern, die in lesefreundlichem Ungarisch gehalten waren. 

Die Bettbezüge... Wie gut, dass man für seinen Geschmack nicht verhaftet werden darf

Als erstes war der Deckenbezug an der Reihe… Alevine? 

Wie ich herausgefunden habe, schreiben sich alle Deckenbezüge „Alevine“.

Auf dem Ikea-Gebäude befand sich eine riesige Werbung für eine günstige Blumen-Bettwäsche, die noch dazu recht nett ausgesehen hat. Die Realität war niederschmetternd. Sie war schlichtweg hässlich.

Um die mir die weitere Sucherei zu ersparen habe ich mir schlussendlich eine andere scheußliche billige und falls einmal Besuch kommt eine etwas weniger scheußliche teurere gekauft.. Komisch… Wieso kann man keine schönen billigen Überzüge herstellen? Kann eine Maschine, die Überzüge einfärbt unterscheiden, ob ein Produkt hässlich ist oder nicht?

Anscheinend.

Auch eine Methode mit dem gelben Ikea-Sack herumzulaufen

Mein Beutel füllt sich immer mehr und ich marschiere weiter durch das Möbelhaus. Plötzlich vor mir: Einmachgläser. Tausende Gedanken schweben mir durch den Kopf, was ich damit alles machen könnte und greife zu.

Bevor ich mir einen Jahresvorrat angeeignet habe hat mich die Vernunft glücklicherweise wieder gepackt und ich habe mich gefragt, was ich damit wohl einmachen könnte…

Marmelade?
Esse ich ohnehin nie.

Gemüse?
Ich habe keinen Gemüsegarten.

Reptilien?
Da würden sich so einige Tierschützer aufregen…

Wieder ein Geistesblitz! Ajvar!
Es handelt sich dabei um eine Spezialität vom Balkan, die man seit einigen Jahren auch in Österreich erhält. Sie ist rot, meistens sehr würzig bis scharf und besteht aus Melanzani, Paprika, Tomaten, Zwiebeln und allen möglichen Leckereien aus Südosteuropa. Bis jetzt gehöre ich nur zu den Menschen, die sie essen, aber mit dem Kauf der Einmachgläser stand mein Entschluss. Ich stelle Ajvar selbst her.

Nachdem ich mir noch Zukunft gekauft habe (sie hört auf den Namen Jansjö) stand das Wochenende vor der Türe und damit habe ich offiziell den Markttag eröffnet.

Der Markt

Markt in Budapest

Der Markt in Beer Sheba

Ein anders Foto vom Markt in Beer Sheba (Wassermelonen sind billig in Israel)

Ich persönlich liebe Märkte. Sie sind bunt, die Produkte sind meistens aus der Region, mit dem Kauf auf ihnen stärkt man die Menschen bei denen man einkauft und keine anonymen Konzerne und man kann sich trotzdem so richtig ausnehmen lassen.

Gerne erinnere ich mich an den arabischen Teil des Marktes in Beer Sheba, wo ich bei einem Beduinen etwas kaufen wollte und so richtig in Handelsstimmung war. Es gab keinen Preis, den ich nicht unterbieten hätte können.

In Zeichensprache ausgedrückt frage ich ihn was das Zeugs kosten soll.
Er holt einen Zettel hervor. 60 Schekel.
Zu teuer! Ich streiche seinen Betrag durch und schreibe ein motiviertes 35.
Er lacht. „No“ „Haha“ und beendet das Verkaufsgespräch.

Einer der Beduinen am arabischen Teil des Marktes

Zurück nach Budapest.

Und wer Paprika kaufen will/für den hab ich ein Reiseziel

Der Markt dort lässt sich schwer mit den israelischen Vergleichen, ist aber eine Erfahrung wert. Ich habe mir ein Rezept notiert, dessen Zutaten ich leicht modifiziert habe und kaufe Paprika.
Bevor ich nach Ungarn gekommen bin habe ich mich oft gefragt, ob der Paprika hier anders schmeckt. Oder ob es hier noch ältere Arten gibt, die schärfer schmecken als unser doch eher geschmackloser Paprika. 

Die Antwort tendiert eher gegen „Nein“ – der Paprika schmeckt gleich – aber es gibt mehr Arten zu kaufen unter denen sich auch aromatisch-süße, pikant-scharfe und sogar ein geschmacklos-scharfer befindet den ich besonders interessant gefunden habe.

Melanzani

Da die Preise mitunter recht stark variieren hielt ich es für eine gute Idee sie zu vergleichen – bei der Melanzani war auch gleich ein ansprechender Laden mit ansprechenden Früchten gefunden und nach der Begutachtung mehrerer Exemplare nehme ein besonders Schönes und drücke es dem Verkäufer in die Hand.

„…“ irgendwas Ungarisches.
Etwas hilfos suche ich nach Anzeichen, wie viel es gekostet haben könnte.
Ah! Die Waage. 180 steht dort. Wahrscheinlich Forint.
Er bekommt das Geld, bedankt sich und ich will gehen.
180 Forint scheint mir etwas viel… Immerhin sind wir nicht in Österreich.
Ich schaue nochmals auf die Waage. Es steht immer noch 180 dort.
Kann das sein? Obwohl die Waage leer ist ist immer noch dieselbe Zahl dort?
Ich mache einen Schritt zurück, um zu sehen, wie viel die Melanzani per Kilo kostet und beschließe den Preis im Kopf auszurechnen, halte ihm nochmals die Melanzani vor und deute an, er solle sie nochmals abwiegen.
Er wiegt… Nein… Das sind nie 180 Forint. „The price is not 180“ sage ich zu ihm und seinem Kollegen.
Sie wirken etwas nervös, fuchteln mit den Armen umher und sagen mir etwas auf Ungarisch.
Diese Canaille linkt mich doch!
Ich strecke mein Hand aus und will das Retourgeld das mir zusteht, der Verkäufer kramt in seiner Schublade und drückt mir 70 Forint in die Hand und sein Kollege meint verlegen, ich hätte nur 110 Forint gezahlt und das ist doch der Preis.
„You stole my money“ entgegne ich und überlege mir, ob ich die Polizei irgendwie erwähnen sollte. Sie wirklich geholt hätte ich nicht, 70 Forint sind ein paar Cents, aber es kann doch nicht sein, dass man jemanden um Geld betrügt, nur weil man denkt, es ist ein Tourist. Die Polizei (ungarisch: Rendőrség) deswegen zu holen wäre etwas übertrieben.
Nochmals schaue ich ihn an und sage wieder:“You stole my money“ und gehe.

Ob und was er sich dabei gedacht hat weiß ich nicht, aber wer auf Märkten etwas kauft und vielleicht etwas zu sehr als Ausländer auffällt sollte ggf. aufpassen. Mein Glück war, dass es nur ein kleiner Betrag war und dass ich es bemerkt habe – gelernt habe ich trotzdem etwas dabei.

Und wer nicht kochen kann oder will hat auch eine nette Auswahl unaussprechlicher Gerichte

Die Pilzfrau – oder: Sei nett zu den Touristen

Der Plan einfach einen Teil des Wechselgeldes einzubehalten ist primitiv und hinterhältig. Es gibt bei Weitem bessere Methoden den hilflosen Ausländer zu erleichtern.

Am Ende des Marktes von Budapest ist ein separierter Teil, der so denke ich eher von Einheimischen genutzt wird – die Waagen sind analog und werden mit Gewichten justiert.

Mir fällt eine Frau auf, die Pilze und Hagebutten verkauft. Ich finde es recht lustig, da ich hin und wieder Hagebutten esse und meine Gegenüber in Erstaunen versetze – Hagebutten sind trotz ihres recht guten Geschmacks leider nur als Tee aber nicht als essbare Frucht bekannt. Zum Beweis, dass ich nicht der einzige Mensch auf der Welt bin, der mit Hagebutten etwas anfangen kann will ich ein Foto machen und sie vorher um Erlaubnis bitten.

Ich gehe hin und… bevor ich meinen Mund aufmachen kann nimmt sie einen Champignon bricht ihn und reicht ihn mir – ich soll probieren. Sehr nett, aber… ok… ich esse ihn… schmeckt nach Champignon. Sie nimmt einen Steinpilz, macht dasselbe, danach noch mit einem Eierschwammerl und einem schwarzen Pilz, den ich nicht kenne und in meinen Händen stapeln sich die Pilze, die ich noch probieren sollte.

Die ohnehin merkwürdige Situation wird von ihren Erzählungen über die Pilze begleitet, die selbstverständlich in Ungarisch stattfinden und mich doch etwas überfordern.

Gut, dann kauf ich eben ein paar Schwammerln – irgendwas lässt sich damit schon kochen.

Sie hält mir einen Sack hin, den ich füllen will.

So nicht – sie nimmt meine Hände und legt sie auf den Sack. Doch nicht füllen?

Nochmals versuche ich es. Sie schüttelt den Kopf – und zeigt mir ich solle den Sack halten.
Dabei habe ich kein gutes Gefühl… normalerweise fülle ich meine Taschen immer selbst, halte den Sack aber.

Schwerer Fehler.

Sie nimmt eine gewaltige Ladung Pilze und schüttet sie in den Sack. Damit hätte ich eine Großfamilie ernähren können. „Stopp! Stopp! Stopp!“ rufe ich verzweifelt… und vergebens.

Eine weitere Wagenladung Pilze wandert in den Beutel.

„Aus! Stop! Halt!“ wieder erfolglos.

Plötzlich fällt‘s mir wieder ein.

„KÖSZÖNÖM!!!“ Sie lässt die nächste Ladung in meinen Sack fallen und lächelt.

Köszönöm heißt „Danke“ auf Ungarisch. Warum sie kein Stop verstanden hat weiß ich nicht.

Sie wiegt die Pilze.

Lächelt wieder und zeigt ihre geöffnete Hand – 5?

Dabei handelt es sich nicht um die Note, die ich für das meistern dieser Situation verdient habe, sondern um den Preis.

500 Forint? Das geht noch, ich hab weißgottwas befürchtet und halte ihr einen 500 Forintschein hin, der 2-3 Euro entspricht.
Wieder Lachen. Und Kopfschütteln.
Ich lache und gebe ihr 50 Forint.
Sie nimmt ihr Portemonnaie und zeigt mir einen 1000-Forint-Schein. Um Himmels willen…
5000 Forint???
Schadensbegrenzung ist angesagt – ich balle beide Hände zu Fäusten, berühre die jeweils andere am kleinen Finger und halte sie ihr hin. Dann bewege ich sie auseinander. „Halbe, half, part, split“ Sie versteht, und hält mir drei Finger hin, ohne allerdings Pilze zu entfernen. Das ist eigentlich ganz nett, zeigt aber deutlich, wie viel ich zu viel gezahlt hätte. Damit habe ich mich auf eine Drei ausgebessert und darf den Unterricht verlassen. Mit Foto.

Das, meine lieben Leser ist die Frau, in der ich meinen Meister gefunden habe.

Und das Talent sieht man ihr gar nicht an...

Und das sind die Pilze...

Zum Abschluss noch ein paar Fotos von der Herstellung von Ajvar und das Rezept – Für Verbesserungen bin ich immer offen – beim Rezept handelt es sich wie immer nur um Richtwerte, die jederzeit nach Geschmack variierbar sind und nicht mit der Apothekerwaage gemessen wurden:

  • 1/2 kg rote aromatische Paprika (Spitzpaprika eignet sich besonders gut)
  • 1/2 kg scharfe Paprika (auch meist rot)
  • 1/4 kg grüne Paprikaschoten (aromatisch oder scharf ist kein Fehler)
  • 1/2 kg Melanzani
  • 1/2 Knoblauchknolle
  • 1 weiße Zwiebel
  • 1 rote Zwiebel
  • Pilze. Menge: So viele man loswerden möchte
  • 2 Tomaten sollte das ganze schon vertragen, wer will nimmt mehr oder weniger

Für den Kochvorgang benötigt man:

  • Einen Topf mit:
    • 2/3 Wasser
    • 1/3 Essig (ich hatte nur schwarzen Balsamico – was sich auf die Farbe des Endprodukts auswirkt)
  • Salz
  • Pfeffer
  • Paprikapulver
    (Rosenscharf – wer mit dem noch nie hantiert hat sollte aufpassen. Es gibt besonders feurige Sorten. Eine poetische Erklärung für den Namen ist, dass sich die Schärfe auf der Zunge so anfühlt wie der Dorn einer Rose)
  • Öl

Vorgang:

Paprika, Melanzani, Knoblauch und Tomaten aufschneiden und separat durchmischen.

Die Zwiebeln aufschneiden – ich mache es meistens so, dass ich eine Hälfte würfelig und die Andere halbringförmig schneide. Wie ich festgestellt habe lässt sich gewürfelter Zwiebel als Gewürz und grob-ringförmiger als Hauptbestandteil nutzen. Das ist recht interessant, wer will kann damit ein bisschen experimentieren. Die Pilze waschen und ebenfalls schneiden.

Einen Teil der Zwiebeln in einem Topf (ja, Topf) anbraten, der Rest kommt zum restlichen Gemüse. Wenn die Zwiebeln glasig sind und langsam bräunlich werden sofort die Pilze dazugeben und noch kurzzeitig die Pilze mitanbraten.

Jetzt gibt man das mit Essig vermischte Wasser und das Gemüse hinzu. Diese Suppe lässt man dann einmal kochen bis das Gemüse weich ist – hier kann man schon die Gewürze Salz, Pfeffer und Paprikapulver hinzugeben.

Das ganze Zeug gibt man in ein Sieb und lässt es abtropfen – das Wasser kann man getrost wegschütten. Sobald es etwas kühler geworden ist mixt man es mit einem Pürierstab durch (Gröber hat stärkeren Geschmack – ich hatte keinen Pürierstab und auch nichts vergleichbares und nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen mit einer Reibe beließ ich es bei ganzen Stücken).

Diese Masse erhitzt man dann für 2 1/2 Stunden und muss ständig umrühren, damit nichts anbrennt. 2 1/2 Stunden hört sich recht viel an und das ist es auch, jedoch entfaltet sich der Geschmack in dieser Zeit – wer mir nicht glaubt soll es probieren und hin und wieder kosten.

In dieser Zeit gibt man auch nach und nach das Öl hinzu. Im Originalrezept steht Olivenöl, aber das würde ich persönlich nur am Ende hinzugeben da Olivenöl sich eher für kalte Küche eignet.

Wenn es fertig ist gibt man alles in heiß ausgekochte Einmachgläser.

Bon Appetit!

(Das Originalrezept findet sich übrigens hier: http://www.chefkoch.de/rezepte/1478451253094543/Ajvar.html)

Eine ganze Reihe köstlichster Zutaten

Die dann geschnitten werden

Sieht schlimmer aus als es ist - Essigwasser mit schwarzem Balsamico

Und alles kocht dann in der Essigbrühe schön vor sich hin - ich hab mich oftmals gefragt, ob man das am Ende auch runterbringt

Umrühren ist das Wichtigste - ein Anbrennen wäre unverzeihlich

Die ganzen Zutaten (in Essigschwarz gehalten) - beim nächsten Mal fleischwolfe ich es


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