Marika Hackman
„Any Human Friend“
(Caroline/Universal)
Nun gut, auf den ersten Blick möchte man wirklich glauben, es sei alles in Ordnung. Der Queer-Pop mischt in den Charts kräftig mit, die Genderdebatte wirbelt den Alltag aller Geschlechter kräftig durcheinander und der Feminismus ist allerorten auf dem Vormarsch. Gut so. Geht aber besser. Denn gar so lang ist es auch noch nicht her, dass ein russisches Duo namens t.A.T.u. die Popwelt hyperventilieren ließ, ein Bühnenkuss zwischen Star (Madonna) und Sternchen (Britney Spears) als Skandal galt und Katy Perry auf die Idee kam, dass Frauenküsse nicht nur anders, sondern vielleicht sogar besser schmecken könnten. All das in einem Zeitraum von knapp zwanzig Jahren – und auch wenn die Menschheit heute schon wieder ein paar Schritte weiter ist, von Normalität ist sie noch sehr weit entfernt. Weiß auch Marika Hackman. Denn wir reden hier nicht von kichernden Teenagern, die zwischen ernsthafter Suche und herausfordernder Provokation noch kaum unterscheiden können oder wollen, wir reden auch nicht von der bigotten Akzeptanz sexueller Vorlieben für Fetischisten und patriarchalische Allmachtsfantasten. Sondern davon, dass es besser jetzt als bald egal sein sollte, wer wen wie liebt und nicht jedes Mal ein riesiges Bohei darum veranstaltet und das Abendland zu Grabe getragen wird.
Also macht Hackman aus der Not doch eine Tugend und die Sexualität zum Thema ihrer neuen, dritten Platte. Und sie tut das auf zweierlei Weise. Neben deutlichen Wortmeldungen versucht sie, mit ihren Songs auch eine intime, sinnliche Ebene auf gleichwohl selbstbestimmte Art zum Klingen zu bringen – dass sie dabei manche/n vor den Kopf stößt (und zu allererst waren das, wie sie selbst sagt, ihre eigenen Eltern), läßt sich nicht vermeiden. Einige müssen vielleicht schon beim Blick aufs Cover das erste Mal schlucken, es ist schließlich nicht eines/einer jeden Sache, mit den normierten und nicht selten verlogenen Werten unserer Körperwahrnehmung derart offensiv und öffentlich zu brechen, Widerspruch herauszufordern – dumme Kommentare, reichlich Trollpost garantiert. “I really didn’t want to create an image that was sexual in any way - even though it’s a sexual record,” sagte sie dem Portal DIY, “The sexuality of the record is from a very raw, open perspective. Yes, I’m in my giant pants, but I’m just going to stand here, that’s exactly how the record feels to me. Take it or leave it.”
Zu wissen, dass Hackman selbst gerade eine lange Beziehung mit Amber Bain aka. The Japanese House schmerzvoll beenden mußte, hilft da auch nicht viel weiter, der Mut, mit dem sie sich ihres Themas annimmt, ist deshalb trotzdem nicht leicht zu finden und um so bemerkenswerter. Wie sie durch den eigenen Gefühlswirrwarr kämpft, Zweifel zwar gelten läßt, aber hinter sich bringen möchte, wie sie sich auf ihre Eigenarten, ihr ganz persönliches Wesen beruft, all die Vorurteile, die sie treffen (könnten), vorsichtshalber gleich selbst benennt („You’re such an attention whore!“), das nötigt schon gehörigen Respekt ab. Stücke wie „The One“ oder „I’m Not Where You Are“ sind Manifeste der eigenen Willensbildung, der Selbstbehauptung und des Entschlusses, sich künftig keinesfalls mehr verstecken zu wollen. Wohl wissend, dass auch sie selbst Fehler machen kann, jemanden vor den Kopf stößt, enttäuscht. Denn darum geht es ja schließlich bei der Normalität.
Erfrischend Hackmans Kommentar zum Song „Hand Solo“ (den man so wohl kaum von einem Mann hören würde). Den ungewöhnlich deutlichen Worten („My finger touch, I’ve been feeling stuff, dark meat, skin pleat, I’m working - a monkey glove, you threw away two pounds of blood, it’s alright; I’m jerking”) folgt der Wunsch: “I think we need more wank anthems, especially for women. The more the merrier, that’s how I feel (DIY)”. Der Sound übrigens, auch das nicht ganz unwichtig, bringt eine gute Mischung aus crispy Gitarrenakkorden, synthetischen Klängen und tanzbaren Beats, mal schwappt das Ganze ins leicht Psychedelische, dann wieder zurück zum Diskofutter, so recht festlegen möchte sich Hackman wohl nicht und nutzt ihre Freiheiten weidlich aus. Auch wenn man sie öfters mit Courtney Barnett verglichen hat, so ist ihr unaufgeregter, klarer Stil eine noch eher seltene Erfahrung. Wir hätten nichts dagegen, wenn das recht schnell Alltag wäre. http://marikahackman.com/
„Any Human Friend“
(Caroline/Universal)
Nun gut, auf den ersten Blick möchte man wirklich glauben, es sei alles in Ordnung. Der Queer-Pop mischt in den Charts kräftig mit, die Genderdebatte wirbelt den Alltag aller Geschlechter kräftig durcheinander und der Feminismus ist allerorten auf dem Vormarsch. Gut so. Geht aber besser. Denn gar so lang ist es auch noch nicht her, dass ein russisches Duo namens t.A.T.u. die Popwelt hyperventilieren ließ, ein Bühnenkuss zwischen Star (Madonna) und Sternchen (Britney Spears) als Skandal galt und Katy Perry auf die Idee kam, dass Frauenküsse nicht nur anders, sondern vielleicht sogar besser schmecken könnten. All das in einem Zeitraum von knapp zwanzig Jahren – und auch wenn die Menschheit heute schon wieder ein paar Schritte weiter ist, von Normalität ist sie noch sehr weit entfernt. Weiß auch Marika Hackman. Denn wir reden hier nicht von kichernden Teenagern, die zwischen ernsthafter Suche und herausfordernder Provokation noch kaum unterscheiden können oder wollen, wir reden auch nicht von der bigotten Akzeptanz sexueller Vorlieben für Fetischisten und patriarchalische Allmachtsfantasten. Sondern davon, dass es besser jetzt als bald egal sein sollte, wer wen wie liebt und nicht jedes Mal ein riesiges Bohei darum veranstaltet und das Abendland zu Grabe getragen wird.
Also macht Hackman aus der Not doch eine Tugend und die Sexualität zum Thema ihrer neuen, dritten Platte. Und sie tut das auf zweierlei Weise. Neben deutlichen Wortmeldungen versucht sie, mit ihren Songs auch eine intime, sinnliche Ebene auf gleichwohl selbstbestimmte Art zum Klingen zu bringen – dass sie dabei manche/n vor den Kopf stößt (und zu allererst waren das, wie sie selbst sagt, ihre eigenen Eltern), läßt sich nicht vermeiden. Einige müssen vielleicht schon beim Blick aufs Cover das erste Mal schlucken, es ist schließlich nicht eines/einer jeden Sache, mit den normierten und nicht selten verlogenen Werten unserer Körperwahrnehmung derart offensiv und öffentlich zu brechen, Widerspruch herauszufordern – dumme Kommentare, reichlich Trollpost garantiert. “I really didn’t want to create an image that was sexual in any way - even though it’s a sexual record,” sagte sie dem Portal DIY, “The sexuality of the record is from a very raw, open perspective. Yes, I’m in my giant pants, but I’m just going to stand here, that’s exactly how the record feels to me. Take it or leave it.”
Zu wissen, dass Hackman selbst gerade eine lange Beziehung mit Amber Bain aka. The Japanese House schmerzvoll beenden mußte, hilft da auch nicht viel weiter, der Mut, mit dem sie sich ihres Themas annimmt, ist deshalb trotzdem nicht leicht zu finden und um so bemerkenswerter. Wie sie durch den eigenen Gefühlswirrwarr kämpft, Zweifel zwar gelten läßt, aber hinter sich bringen möchte, wie sie sich auf ihre Eigenarten, ihr ganz persönliches Wesen beruft, all die Vorurteile, die sie treffen (könnten), vorsichtshalber gleich selbst benennt („You’re such an attention whore!“), das nötigt schon gehörigen Respekt ab. Stücke wie „The One“ oder „I’m Not Where You Are“ sind Manifeste der eigenen Willensbildung, der Selbstbehauptung und des Entschlusses, sich künftig keinesfalls mehr verstecken zu wollen. Wohl wissend, dass auch sie selbst Fehler machen kann, jemanden vor den Kopf stößt, enttäuscht. Denn darum geht es ja schließlich bei der Normalität.
Erfrischend Hackmans Kommentar zum Song „Hand Solo“ (den man so wohl kaum von einem Mann hören würde). Den ungewöhnlich deutlichen Worten („My finger touch, I’ve been feeling stuff, dark meat, skin pleat, I’m working - a monkey glove, you threw away two pounds of blood, it’s alright; I’m jerking”) folgt der Wunsch: “I think we need more wank anthems, especially for women. The more the merrier, that’s how I feel (DIY)”. Der Sound übrigens, auch das nicht ganz unwichtig, bringt eine gute Mischung aus crispy Gitarrenakkorden, synthetischen Klängen und tanzbaren Beats, mal schwappt das Ganze ins leicht Psychedelische, dann wieder zurück zum Diskofutter, so recht festlegen möchte sich Hackman wohl nicht und nutzt ihre Freiheiten weidlich aus. Auch wenn man sie öfters mit Courtney Barnett verglichen hat, so ist ihr unaufgeregter, klarer Stil eine noch eher seltene Erfahrung. Wir hätten nichts dagegen, wenn das recht schnell Alltag wäre. http://marikahackman.com/