Die Familie Cohn war eine politisch aufgeschlossene jüdische Familie, die dem Mittelstand angehörte und gut integriert in Mannheim lebte. Hier wurde auch die jüngste Tochter Marianne am 17. September 1922 geboren. Marianne und ihre Schwester Lisa wuchsen gut behütet auf, doch aus beruflichen Gründen musste der gebürtige Berliner Alfred Cohn zurück in seine Heimatstadt und so zogen er und seine Familie 1929 nach Berlin und fanden im Ortsteil Mariendorf eine neue Heimat. Schnell wurde die Familie auch hier sesshaft, zumal viele verwandte und Freunde in der Stadt lebten. Mit einem seiner ehemaligen Schulfreunde hatte Alfred bis zu dessen Ende immer einen engen Kontakt, zu Walter Benjamin. Doch die Zeiten waren unruhig im Berlin der Weimarer Republik, politische Konflikte wurden oft handgreiflich auf der Straße ausgetragen und die Krawalle der SA und ihre antisemitischen Parolen trugen nicht zum Wohlgefühl einer jüdischen Familie bei. Trotzdem versuchten die Eltern den beiden Töchtern ein harmonisches Familienleben zu gestalten, was ihnen auch gelungen sein muss, denn die Zeiten, die auf die Familie zukamen waren dunkel und brutal, so das eine liebevolle Basis der Mädchen ein gutes für sie Rüstzeug war. Marianne war ein aufgewecktes Mädchen mit einem sehr großen Gerechtigkeitssinn, das sie auch zeitweise recht streitbar machte, doch ihre größte Kompetenz lag in ihrer Fürsorglichkeit anderen gegenüber. Gleich nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde der jüdische Geschäftspartner Alfred Cohns verhaftet und ihm selbst wurde die Emigration nahe gelegt. 1934 zog die Familie Cohn nach Paris, doch aufgrund von Geschäftsbeziehungen des Vaters zogen sie im gleichen Jahr nach Barcelona weiter. Hier besuchten Marianne und ihre Schwester eine Schweizer Schule, doch die Lebensverhältnisse waren hier sehr beengt, beruflich konnte der Vater keinen Fuß fassen, so dass die Familie eher von der Hand in den Mund lebte, doch für Marianne selbst war das eine schöne Zeit, die Familie war zusammen und in Sicherheit, denn die Nachrichten aus Deutschland waren mehr als bedrückend. In einer solchen Zeit der äußeren wie auch familiären Brüche müssen Kinder oftmals viel schneller erwachsen werden als in anderen Zeiten, so auch Marianne und ihre Schwester. Doch auch die Verhältnisse in Spanien veränderten sich und wegen des ausbrechenden Bürgerkriegs 1936 in Spanien, schickten die Eltern die beiden Mädchen nach Paris zu Verwandten, doch auch dort blieben sie nicht lange, denn dann ging es nach Bern, wo sie bei Pflegefamilien untergebracht wurden und auch dort wieder zur Schule gingen. Doch die Aufenthaltsgenehmigung für die Mädchen war nur begrenzt, so kamen sie 1938 wieder nach Paris, dort trafen sie auch auf ihre Eltern, die vor den Kriegswirren des Bürgerkriegs geflohen waren. Marianne Cohn entdeckte für sich den Zionismus, zuerst als schwärmerische Idee vom gelobten Land, aber auch getragen von dem Wunsch einer Heimat; denn zu oft musste sie die Orte verlassen, in denen sie sich gerade heimisch fühlte. Auch wenn sie gerade erst 16 Jahre alt war, so war ihr doch bewusst, dass dieses in Aufruhr befindliche Europa keine feste Heimat für sie sein könnte. Noch waren in ihr keine politischen Überzeugungen in Hinsicht auf den Zionismus, doch sie begeisterte sich für die Idee eines friedlichen Landes für alle jüdischen Menschen.
Die Atempause in Paris dauerte nicht lange für die Familie Cohn, im Frühsommer 1940 nachdem die Deutsche Wehrmacht in Frankreich einmarschierte, wurde Mariannes Vater im südfranzösischen Vilmalar interniert und von dort ins Camps de Gurs verbracht; nachdem er von dort aus gesundheitlichen Gründen entlassen wurde, kam er erneut in ein Internierungslager für Juden, dem er entkommen konnte und lebte von dort an mit seiner Familie in Paris unter falschem Namen. Marianne arbeitete seit 1943 als Kinderfürsorgerin bei der zionistischen Jugendorganisation ‚Mouvement de la Jeunesse Sioniste’ und ernährte mit ihrem Gehalt die untergetauchte Familie. Zur gleichen Zeit schloss sie sich dem Widerstand an, unter anderem der ‚Organization Juife de Combat’ einer jüdischen Widerstandsbewegung, die sich auch um die Rettung jüdischer Kinder kümmerte, hier lag das Arbeitsfeld von Marianne Cohn. Bei einer solchen Aktion wurde sie verraten, als sie dabei war mit ungefähr 30 Kindern von Frankreich in die rettende Schweiz zu gelangen. Am 30. Mai 1944 wurden sie und die Kinder von der Gestapo festgenommen und obwohl sie selbst eine Möglichkeit zur Flucht hatte, nutzte sie diese nicht, um die Kinder nicht zu verlassen. Doch sie wurde von den Kindern getrennt und durchlitt eine brutale und grausame Haftzeit, am 8. Juli 1944 wurde die damals 21jährige Marianne Cohn in Ville-la-Grande, Haute Savoie von der Gestapo um 5:30 erschossen. Mit anderen Widerstandskämpfern wurde sie am Ortsausgang verscharrt, hier wurde auch nach der Befreiung Frankreichs ihre geschändete und verstümmelte Leiche gefunden. Die näheren Umstände ihres Todes sind bis heute nicht erforscht. Erhalten blieb ihr Gedicht ‚Verraten werde ich morgen’, dass sie währen der Folterhaft im Gestapogewahrsam schrieb:
Je trahirai demain, pas aujourd'hui
Aujourd'hui, arrachez-moi les ongles
Je ne trahirai pas !
Vous ne savez pas le bout de mon courage.
moi, je sais.
Vous êtes cinq mains dures avec des bagues.
Vous avez aux pieds des chaussures avec des clous.
Je trahirai demain. Pas aujourd'hui,
Demain.
Il me faut la nuit pour me résoudre.
Il ne me faut pas moins d'une nuit
Pour renier, pour abjurer, pour trahir.
Pour renier mes amis,
Pour abjurer le pain et le vin,
Pour trahir la vie,
pour mourir.
Je trahirai demain. pas aujourd'hui.
La lime est sous le carreau,
La lime n'est pas pour le bourreau,
La lime n'est pas pour le barreau,
Le lime est pour mon poignet.
Aujourd'hui, je n'ai rien à dire.
Je trahirai demain
Posthum wurde Marianne Cohn am 7. November 1945 geehrt, von der Militärregierung Lyon wurde ihr das Kriegskreuz mit silbernem Stern verliehen. In Ville-la-Grande wurde 1956 eine Straße nach ihr benannt und ein Denkmal, auch für fünf andere am selben Tag ermordete Widerstandskämpfer, errichtet.
François Mitterrand eröffnete ihr zu Ehren 1982 einen Garten in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und in Annemasse wurde 1984 eine Schule nach ihr benannt.
In der Oberlandstraße in Berlin-Tempelhof trägt die ‚Marianne-Cohn-Schule’ für geistig behinderte Kinder ihren Namen.
An ihrer letzten Wohnadresse Wulfila-Ufer 52 in Berlin-Tempelhof wurde 2007 ein Stolperstein zum Gedenken verlegt.
Die dreißig jüdischen Kinder, für die Marianne Cohn auf ihre Freiheit und ihr Leben verzichtete, überlebten die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten, ebenso ihre Schwester Lisa und ihre Eltern.