Margot Käßmann: Sehnsucht nach Leben

Margot Käßmann: Sehnsucht nach Leben

WEIMAR. (fgw) Es hat eine lange Tra­di­tion, daß Pries­ter und Pas­to­ren Bücher schrei­ben. Bücher, die der Erbau­ung die­nen sol­len und der Ver­mitt­lung von reli­giö­sem Wis­sen. Eine Pas­to­rin, die in die­ser Hin­sicht beson­ders eif­rig ist, ist Mar­got Käß­mann, Jahr­gang 1958. Die pro­mo­vierte und habi­li­tierte Theo­lo­gin, ehe­ma­lige Bischö­fin von der evan­ge­li­schen Lan­des­kir­che von Han­no­ver und ehe­ma­lige Rats­vor­sit­zende der EKD kann, nach den Anga­ben der DNB, auf sage und schreibe 141 Publi­ka­tio­nen zurückblicken.

von Ilka Loh­mann

In ihrer jüngs­ten Publi­ka­tion schreibt Käß­mann nun über die Sehn­sucht. „Sich seh­nen”, so schreibt sie in der Ein­lei­tung, „ist etwas sehr Emo­tio­na­les. Da geht es um ganz Eige­nes, da schwin­gen Lebens­fra­gen, Hoff­nun­gen mit.” (S. 7)

In zwölf Abschnit­ten, die man mit ganz viel gutem Wil­len als essay­is­ti­sche Ver­su­che bezeich­nen könnte, wid­met sich Käß­mann nun ganz all­zu­mensch­li­chen The­men wie Hei­mat, Liebe, Gott, einem Engel und ande­ren Gemein­plät­zen, die sie alle­samt auf spielerisch-oberflächliche Weise zum Thema „Sehn­sucht” in Bezie­hung setzt. So schwam­mig, wie die Begriffe sind, die Frau Käß­mann hier zusam­men­ge­tra­gen hat, so schwam­mig blei­ben die ein­zel­nen Texte. Auf 176 Sei­ten ver­sam­melt die­ses Buch alle pseu­do­s­pi­ri­tu­el­len Wohl­fühl­kli­schees, die man sich nur den­ken kann. Und Frau Käß­mann, die auch hin und wie­der per­sön­li­che Bana­li­tä­ten preis­gibt, wird nicht müde, alles ermu­ti­gend und fas­zi­nie­rend und bedeut­sam zu finden.

Auf Seite 33 fällt ein bedeu­tungs­schwan­ge­rer Satz: „Mich bedrückt, wenn Men­schen ein Leben lang schwei­gen sol­len und es heißt, dies sei eine got­tes­fürch­tige Hal­tung.” Zum Kon­text: Der Abschnitt ist mit „Sehn­sucht nach Stille” beti­telt, und jener Satz ist ein Kom­men­tar zu gewis­sen katho­li­schen Mönchs­or­den, deren Ange­hö­rige ein Schwei­ge­ge­lübde abge­legt haben. Nun ist es in der Tat so, daß diese Mön­che größ­ten­teils schwei­gen, aller­dings ver­rich­ten sie den­noch spre­chend und sin­gend ihre Stun­den­ge­bete. Nur, und darin unter­schei­den sich diese Ordens­män­ner von Frau Käß­mann, ver­mei­den sie es, belang­lose und über­flüs­sige Dinge zu äußern.

Nein, Frau Käß­mann hat nicht vor, sich in die Große Kar­tause zurück­zu­zie­hen. Lie­ber läßt sie wis­sen, was sie ermu­tigt und wie sehr sie ihre mus­li­mi­schen Nach­barn fas­zi­nie­ren. Und allzu gern berich­tet sie von den Erfah­run­gen, die sie in den USA oder bei ande­ren Aus­lands­auf­ent­hal­ten gesam­melt hat. Und auf gar kei­nen Fall darf sie ihr prak­ti­sches Gut­men­schen­tum uner­wähnt lassen.

Sie trägt gern, schreibt sie, den Titel Welt­ver­bes­se­rer, den die unge­rechte Umwelt ihrem nai­ven Frie­dens­glau­ben ange­dei­hen läßt. Und das kann uns alle sehr ermu­ti­gen. Da ist eine Frau, die ist für den Frie­den und die Mos­lems und natür­lich für Marius Müller-Westernhagen. Und die ist stolz auf jede Kri­tik, wenn sie meint, nichts wäre gut in Afgha­nis­tan. Und die uns alle Anteil haben läßt an der Behü­tung, die sie durch ihren Glau­ben erfährt.

Beson­ders über­flüs­sig sind die Texte, die Frau Käß­mann zur Grund­lage ihrer Argu­men­ta­tio­nen gemacht hat. Sie beruft sich auf Auto­ren wie Hilde Domin, Herta Mül­ler oder Ernst Bloch. Diese Texte sind des­halb über­flüs­sig, weil sie, so bedeut­sam sie auch sein mögen, keine theo­lo­gi­sche Rele­vanz haben. Aber sie fügen sich gut ein in den Ein­druck der Gefäl­lig­keit, den die­ses Buch zu ver­mit­teln sucht. Gele­gent­lich führt Frau Käß­mann auch den gro­ßen Refor­ma­tor Mar­tin Luther auf der Zunge, bzw. auf der Feder, doch lei­der hat sie ver­ges­sen, den Luther-Zitaten eine Quelle zuzuweisen.

Nun, was ist abschlie­ßend über das Buch zu sagen? Es ent­hält ein gutes Dut­zend seich­ter Texte zu seich­ten The­men. Man muß kein habi­li­tier­ter Theo­loge sein, um der­glei­chen zu schrei­ben. Jeder, der gern in Bla­sen redet, könnte ähnli­ches ver­fas­sen. Ein alter­na­ti­ver Titel für diese Publi­ka­tion wäre „Sehn­sucht nach Inhalt” — denn genau das ist es, was das Buch am meis­ten ver­mis­sen läßt.

Aber was macht diese Texte so leer? Nun, weil sie sich ergie­ßen in Wellness-Beliebigkeit, genau vor­bei an dem, was die Men­schen wirk­lich bewegt in ihrem Inne­ren. Ein Buch, genau an der Seele des Men­schen vor­bei geschrie­ben. Irgend­wie sei alles doch gar nicht mehr so schlimm, wenn man nur für den Frie­den und die Mos­lems ist und sich in Tole­ranz gegen­über allen mög­li­chen gesell­schaft­li­chen Rand­grup­pen übt. Chris­ten­tum, das nicht mehr als bloße Reli­gion ist. Reli­gion, von der nichts wei­ter als blasse, gesichts­lose Spi­ri­tua­li­tät übrig­bleibt. Spi­ri­tua­li­tät, die sich zusam­men­fas­sen läßt mit dem Satz: Das Leben könnte ja so schön sein, wenn die Men­schen nur ein weni­ger.… wie Mar­got Käß­mann wären. Nur sehr seichte Gemü­ter und sehr gefühls­arme Men­schen wer­den Trost fin­den in die­ser Schrift.

Lobend seien aller­dings die fei­nen, far­ben­fro­hen Bil­der des Malers Eber­hard Münch erwähnt, die sehr schön und far­ben­froh sind und zur Betrach­tung einladen.

Mar­got Käß­mann: Sehn­sucht nach Leben – mit Bil­dern von Eber­hardt Münch. 176 S. geb. m.Schutzumschl. Adeo Ver­lag. Ass­lar 2011. 17,99 €. ISBN 978−3−942208−26−0

[Erst­ver­öf­fent­li­chung: Frei­geist Wei­mar]


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