Märchen

Von Nadine M Helmer

Manchmal, wenn ich ein Märchen vorlese, frag ich mich, ob das alles so symbolhaft ist, dass ich nicht drauf komme, was uns der Autor damit eigentlich sagen wollte. Oder ob bei der Überlieferung was schief gelaufen und einer was nicht richtig verstanden hat. Oder ob die ganz früher ein bisschen einen an der Waffel hatten. Oder so. Ich fasse es mal kurz in meinen eigenen Worten zusammen:

"Ab dem achten Monat bin ich rumgekugelt und ich hatte einen irrsinnigen Heißhunger auf Vanillepudding aus dem Supermarktregal. Ich quengelte den Mann voll, dass er mir SOFORT Vanillepudding kaufen muss, sonst würde ich einen Vanillepuddingentzugstod sterben. Der Mann merkte an, es sei ja Sonntag. Die Läden hätten zu. Kraft meiner schwangerschaftsgetriebenen Hormone hab ich ihn dann so madig gequatscht, dass der Gute losgezogen ist. Er ist eingebrochen. In den Supermarkt. Packte den Jutebeutel voll, mit dem was er kriegen konnte an gelben Glibberzeug. Stahl sich wieder Richtung Ausgang - wo er direkt dem Supermarktchef in die Arme lief. Sehr blöd gelaufen! Es gab erstmal Riesenärger, der drohte mit der Polizei. Mein armer Mann erklärte eindringlich seine Situation mit einer krakeelenden, hochschwangeren Frau, die nur noch nach Vanillepudding brüllte und ihn damit auch nicht in Frieden ließ. Der Supermarktchef hatte auch eine Frau. Nach einer Weile war er gnädig gestimmt und schlug meinem Mann einen Deal vor. Er könne so viel Pudding haben, wie er wolle. Dafür würde er, der Chef, gern das Baby haben, wenn es geboren ist, denn er hatte kein eigenes. Mein Mann schlug ein. Hurra! Pudding!"

 

Wer jetzt denkt, wasn das für ne dämliche,verantwortungslose Kuh, hat recht. Die Stiefmutter von Vanille, wie das Mädchen dann genannt wurde, ließ es auch nicht mehr auf die Straße, als es in die Pubertät kam und sperrte es im obersten Stockwerk eines ollen Bauwerks ein. Dort las Vanille den ganzen Tag Haar- und Beautyblogs, weil sie eine unglaublich lange, blonde Mähne hatte, die sie hegte und pflegte. Schließlich dienten ihre Haare auch als Kletterhilfe, weil die dusselige Stiefmutter sonst nicht ins Turmgemach kam. Ansonsten kuckte sie Voice of Germany und sang selber wie eine Lerche.

Das fand auch der niedliche Millionärssohn, der täglich beim Joggen an Vanilles Behausung vorbeikam. Er wollte sie so gern mal kennenlernen, konnte sie aber weder bei Facebook noch sonstirgendwo finden. Sie twitterte sozusagen nur analog. Der Architekt hatte auch geschludert und wohl vergessen, da irgendwo eine Tür mit Klingel einzubauen...egal. Nachdem er eine ältere Frau beim Heraufklettern beobachtet hatte, entschloss er sich, es ihr gleichzutun. Er turnte geschmeidig an Vanilles Haaren zu ihr herauf. Sie fand es erstmal komisch, dass er so mit den Haaren ins Haus fiel- aber okay. Er war ja ganz niedlich. Und so ergab sich ein Techtelmechtel, mit heimlichen Treffen und allem drum und dran.

Lang ging das natürlich nicht gut, die einen sagen, Vanille hätte sich gegenüber der Stiefmutter mal verplappert, die anderen sagen, das Techtelmechtel hätte Folgen gehabt und Vanilles Taille sei weniger und weniger schmal geworden....jedenfalls lauert die Stiefmutter dem Millionärssöhnchen auf und verprügelt ihn. (RTL2 meldet hier für die Sendung Familie im Brennpunkt Interesse an). Sie schmeisst ihn aus dem Fenster, woraufhin er so dämlich fällt, dass er nix mehr sehen kann. Vanilles Haare werden abgeschnitten, woraufhin sie einen trendy Buzzcut ihr eigen nennt. Irgendwo in den Weiten der Uckermark wird sie ausgesetzt, wo sie allein Zwillinge im Wald zur bringt. Der blinde Beau tapert auf der Suche nach Vanille aus Versehen über die Berliner Landesgrenze und trifft sie schließlich kurz vor Templin. Geigenuntermalt von Sat 1' Sendung Vermisst fallen sie sich wieder tränenreich in die Arme. Vanilles Schnodder machen des Jünglings Augen wieder gesund, woraufhin sie eine Praxis als Heilpraktikerin aufmacht und den Schnösel ehelicht.