Julianne Moore als exzentrische Schauspielerin Havana Segrand in David Cronenbergs “Maps to the Stars”.
David Cronenberg wurde einst für seine einzigartigen Bodyhorrorfilme bekannt, nicht zuletzt durch den Erfolg von Die Fliege ins populäre Kino gebracht. In seiner jüngeren Schaffenszeit orientierte sich der Regisseur eher an gesellschaftskritischen Stoffen, zuletzt in Cosmopolis und seinem auf dem gleichnamigen Roman basierenden Kommentar auf den New-Economy-Hype. In seinem neuesten Werk namens Maps to the Stars – der Titel entstammt den in Hollywood erhältlichen Karten, auf denen die Wohnorte von Stars und Sternchen als Sight-Seeing-Punkte markiert sind – vereint er seine gefundene Freude am Kritikertum mit dem Horror zweier Kinder, die inmitten des glamourösen Filmwahnsinns aufwachsen mussten.
Zumindest bei Agatha hat dieses Leben Narben hinterlassen. Recht auffällig ziert ein Brandmal ihre linke Gesichtshälfte. Damit ist sie hier in Hollywood wohl die einzige, die ihre Narbe so öffentlich nach außen hin trägt. Die übrigen Cronenbergschen Spielfiguren, über die wir uns im Verlauf des Films immer wieder wundern werden, haben ihre Ängste und Nöte in ihrem Innersten verborgen. In Hollywood hat scheinbar jeder Mensch zwei Gesichter – eines stellt er oder sie öffentlich zur Schau, in Fernsehauftritten und Interviews, mit diesem Gesicht begegnet man seinen Schauspielkollegen, lächelt freundlich, nickt, hält kurz Small Talk.
Mia Wasikowska als Agatha Weiss.
Mit dem anderen Gesicht verarbeitet man Psychosen und abgedrehte Wahnvorstellungen. Man schimpft und neidet den Kollegen hinterher, man führt Freudentänze über den Tod des Kindes einer Schauspielerin auf, da man hierdurch als Neubesetzung ihre Rolle übernehmen kann. Kinderstars unterhalten sich auf Partys darüber, wen sie gerne ficken würden, während im Zimmer nebenan die Erwachsenen einen Dreier vollführen, der jäh unterbrochen wird, wenn die Diva mal nicht das Gesprächsthema Nummer Eins ist: „Mention me when you talk“!
Maps to the Stars beginnt mit Mia Wasikowskas Agatha, die aus Florida nach Los Angeles kommt. Sie hat sich über Twitter mit Carrie Fisher, Prinzessin Leia aus den Star Wars-Filmen, angefreundet, die ihr wiederum einen Job bei der exzentrischen Schauspielerin Havana besorgt hat. Agatha glaubt einmal von einem anderen Stern zu sein. Als Zuschauer wird man es früh im Film noch nicht nachvollziehen können, doch desto mehr uns David Cronenberg in seine Abgründe Hollywoods einführt, umso mehr glaubt man nicht nur, sondern wünscht es sich sogar, von diesem anderen Stern zu kommen, weit entfernt von diesem Leben.
Julianne Moore leistet Unglaubliches, völlig verständlich das sie in diesem Jahr für Maps to the Stars in Cannes als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. Sie ist hier auf der Jagd nach einer Rolle im Remake des einen Films, der ihre Mutter einst berühmt hat werden lassen, sie zur Kultfigur des Kinos erhob. Nun strebt sie danach, in der Neuauflage ihrer Mutter nachzueifern. Moore variiert vom oberflächlichen Lachen zu manischen Weinkrämpfen, Stimmungsschwankungen und Selbstzweifeln. Sie zeigt keinerlei Interesse an anderen Menschen, ist sich – wie aber auch jeder andere an diesem Ort – selbst am nächsten. In Cronenbergs Hollywood wirkt alles so oberflächlich Stereotyp, als habe er seine Figuren aus den Boulevardblättern dieser Welt zusammen gebastelt.
Robert Pattinson spielt den Limousinen-Fahrer, Statisten und Drehbuchautoren Jerome Fontana.
So auch Benjie (Evan Bird), der verzogene Kinderstar, der mal einen Hit gelandet hat, nun ein Sequel drehen soll und schon so abgehoben daher kommt, dass er sich als einen Gott ansieht. Aus Publicity Gründen besucht er Kinder im Krankenhaus, ohne überhaupt zu wissen, woran sie leiden, ohne sich wirklich um ihr Wohlergehen zu scheren. Hauptsache positive Schlagzeilen, das ist was in dieser Stadt zählt. Benjie sorgt für die wohl meisten Schimpfworte im Film, während sich auch bei ihm – erneut wie bei allen anderen – die Unterhaltungen um anstehende Castings und Bezahlungen für mögliche Rollen drehen.
Die Figuren variieren nur sehr geringfügig, was sehr gewollt wirkt. Alle haben diese Oberflächlichkeit gemein, allen liegt nichts an anderen Dingen als ihrer eigenen Karriere. Es geht hauptsächlich darum nach Beachtung zu greifen, weniger um die eigentlichen Filmrollen, die nur Mittel zum Zweck sind. Der Hollywood-Mensch möchte im Mittelpunkt stehen, für ihn haben die Begriffe Leben und Tod eine andere Bedeutung wie für den Normalsterblichen. Das Leben besteht aus der Präsenz, aus dem Beachtet-werden, der Tod ist das Verschwinden in der Versenkung, wenn man nicht mehr relevant für die Massen ist.
David Cronenberg verpackt seine Satire auf Hollywood im dunklen Gewand. Mal muss man einfach lachen, wie absolut abgedreht das Weltbild hier gezeichnet wird, dann aber bleibt einem dieses Lachen auch wieder im Halse stecken, denn Cronenberg weiß ganz genau, wo er ein wenig Horror in die Szenerie einbetten kann. Das Schöne an Maps to the Stars ist die unerbitterliche Dreistigkeit, mit der die Stars die Stars spielen. Neben Julianne Moore und Mia Wasikowska agieren Robert Pattinson, John Cusack und Olivia Williams mit schonungslosem Hollywood-Bash.
Sharelines
Umso mehr Cronenberg uns seine Abgründe Hollywoods zeigt, desto mehr wünscht man sich von einem anderen Stern zu kommen. Das Schöne an „Maps to the Stars“ ist die unerbitterliche Dreistigkeit, mit der die Stars die Stars spielen.
Maps to the Stars
111 Minuten, freigegeben ab 16 Jahren, Kinostart: 11. September 2014
im Netz: Offizielle Homepage zum Film
alle Bilder © MFA/Filmagentinnen