Manuel Charr, sechs Boxkämpfe und eine Sambatänzerin

Von Betker

Eigentlich hätte die Veranstaltung von Manuel Charr am 12.04.2014 in Bonn mit dem Titel „Die Jagd nach der Krone“ mit einem Boxkampf beginnen sollen. Aber der Kampf im Halbschwergewicht zwischen dem ungeschlagenen Badien Hasso (2 Kämpfe, 2 Siege, 1 durch KO) und Kwanku Opuko (1 Kampf, 1 Niederlage, 1 durch KO) fiel aus. So begann die Show mit einer Sambatänzerin, die gekonnt ihre Hüften kreisen ließ.
Bevor aber die aparte Dame mit ihrer Darbietung beginnen konnte, nahm sich der Gegner von Charr, Kevin Johnson, noch ausgiebig Zeit, sich mit Boxfans ablichten zu lassen und nahezu alle, die um den Ring herum saßen, per Handschlag zu begrüßen und mit ihnen zu plaudern. Selten sah man vor einem Kampf einen entspannteren Boxer. Aber dann legte die Sambatänzerin los. Sie trug einen grünen Paillettenbikini und gelben Federschmuck auf Kopf und Rücken. Die Idee, bei mehr Veranstaltungen Sambatänzerinnen vor und nach Boxkämpfen auftreten zu lassen, könnte mir schon gefallen.
Hiernach stieg der Essener Super Mittelgewichtler Tiran Mkrtschjan (12 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO, 1 Niederlage, 4 Unentschieden) in den Ring. Er bekam es mit Suleyman Dag (65 Kämpfe, 10 Siege, 5 durch KO, 55 Niederlagen, 36 durch KO). Dag hatte sicherheitshalber einige dicke Rettungsringe um den Bauch mitgebracht, was ihn aber nicht rettete. Der größere Mkrtschjan versuchte über seine gute Führhand den Kampf zu gestalten. Dag versuchte nur irgendwie zu überleben. Er lief weg, wenn er konnte. Er stolperte, wenn möglich und er nutzte jede sich bietende Gelegenheit, um sich an seinen Gegner zu klammern, wie ein Ertrinkender an eine Planke. Irgendwie schaffte es dann Dag, die Runde zu überstehen, ohne wirklich hart getroffen worden zu sein. In der Ringpause gab er dann, wie er glauben zu lassen versuchte, aufgrund einer unglaublich schweren, hoffentlich nicht sein Leben oder gar seine Karriere bedrohenden Verletzung auf. Schade nur, dass die Zuschauer nicht mehr von Tiran Mkrtschjan sehen konnten, der ein Guter ist und den ich gerne boxen sehe. Das Kampfgericht des BDB, Bund Deutscher Berufsboxer, war vermutlich von Dags Verletzung so schockiert, dass keine Siegerehrung durchgeführt wurde.
Es folgte eine sehr lange Pause. Und dann kam wieder die Sambatänzerin. Diesmal trug sie rot und ein klein wenig mehr Stoff als vorher. Ein Sänger namens Orhan sang, während die Tänzerin ihre Arme, Beine und Hüften grazil bewegte. Es sollten eindeutig mehr Sambatänzerinnen bei Boxveranstaltungen auftreten.
Der folgende Kampf war noch kürzer als der vorangegangene. Er war bereits nach 43,5 Sekunden zu Ende. Geplant war, dass der junior Mittelgewichtler Arman Torosyan (12 Kämpfe, 11 Siege, 9 durch KO, 1 Unentschieden) gegen einen Herrn namens Aliaksandr Abramenka (61 Kämpfe, 17 Siege, 6 durch KO, 43 Niederlagen, 24 durch KO, 1 Unentschieden) antreten sollte. Abramenka ging nach einer der ersten Berührungen seines delikaten und schmuck tätowierten Körpers zu Boden. Noch nie habe ich gesehen, dass die Wirkung eines Leberhakens sich so schnell entfaltet hätte. Dieses Schauspiel konnte man dann wenige Sekunden später, wieder mit offenem Mund, bewundern. Das Auszählen dauerte dann die üblichen 10 Sekunden.
Dieser frühzeitige KO führte dann zu einer sehr-sehr-sehr langen Pause, aber am Ende trat die Sambatänzerin wieder auf, erneut in Rot. Wieder hatte ihr Bikini einige wenige Quadratzentimeter mehr Stoff als der erste. Sie bewegte wieder die Hüften im Takt der Musik von Sänger Horace Brown. Habe ich schon erwähnt, dass ich für mehr Sambatänzerinnen beim Boxen bin?
Der dritte Kampf sollte nun der zweitlängste des Abends werden. In ihm trafen im Cruisergewicht Hizni Altunkaya (23 Kämpfe, 23 Siege, 15 durch KO) und Ismael Altintas (11 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO, 6 Niederlagen, 2 durch KO, 2 Unentschieden) aufeinander. Altunkaya, der bessere Boxer, strahlte Selbstbewusstsein aus. Er dominierte den Kampf mit seinem Jab. Er ging bedächtig vor. Ein ums andere Mal postierte er sich vor seinem Gegner, hinter seiner Doppeldeckung verschanzt, um ihn zu studieren. Phasenweise machte er den Eindruck, als führe er mit angezogener Handbremse. Altintas suchte sein Heil in überfallartigen Angriffen und in Schlägen zum Kopf über die Außenbahn. Die vierte Runde war die beste des Kampfes. Am Anfang kam Altintas mit einem linken Kopfhaken durch. Dadurch ermutigt griff er beherzt an und kam ein ums andere Mal durch. Leider trat er zur nächsten Runde dann nicht mehr an, weil er sich die Hand verletzt hatte.
Hiernach trat der Rapper Mortis auf und sang zwei Lieder, wobei der geneigte Zuschauer auch wieder die Sambatänzerin bewundern konnte. Diesmal trug sie weiß und keine Federn, sondern eine Art Krone auf dem Kopf. Aber die Federn auf dem Rückten behielt sie bei. Ihr glitzernder Bikini hatte wieder sehr viel weniger Stoff. Ich bin unbedingt für mehr Sambatänzerinnen beim Boxen. Könnte man nicht vielleicht auch mehr als eine Tänzerin buchen?
Als nächstes stieg der Debütant Ehsan Maudodi in den Ring. Der vielversprechende Cruisergewichtler, dem sein Management den Kampfnamen Sokrates gegeben hat, boxte gegen Rudolf Murko (71 Kämpfe, 3 Siege, 3 durch KO, 66 Niederlagen, 32 durch KO, 2 Unentschieden). Leider war der Kampf bereits nach 1:28 Min zu Ende. Maudodi begann stark, hatte aber zu wenig Zeit, um sein Können zu zeigen. Aus mir unerfindlichen Gründen ging Murko dreimal zu Boden. Schade! Ich hätte gerne mehr von Maudodi gesehen, der aus mir nicht recht verständlichen Gründen mehrfach als „KO Philosoph“ bezeichnet wurde. Ich könnte mir denken, dass er in naher Zukunft das Cruisergewicht aufmischt.
Hiernach trat der Sänger Fancy auf. Er gab ein Medley seiner größten Erfolge und eine weiteres Liede zum Besten. Zwar wusste er nicht in welcher Halle er sich befand, aber die Platzierungen in den Charts wusste er und er erwähnte sie beiläufig in seinem Medley. Fancy ging souverän mit dem Wunsch des Publikums um, welches lieber Rap hören wollte. Die Sambatänzerin tanzte wieder hinreißend. Sie trug ein kleines mit Pailletten besetztes Etwas und wieder diese neckischen Federn. Ich bin dafür, dass die Veranstalter von Boxveranstaltungen verpflichtet werden, zwischen den Kämpfen Sambatänzerinnen auftreten zu lassen.
Den vorletzten Kampf bestritten im Mittelgewicht Hamid Rahimi (24 Kämpfe, 23 Siege, 11 durch KO, 1 Niederlage) und Bronislav Kubin (31 Kämpfe, 16 Siege, 9 durch KO, 14 Niederlagen, 6 durch KO, 1 Unentschieden). Schon nach wenigen Sekunden lief Kubin in eine Rechte zum Kopf rein, was ihn zu Boden brachte. Obwohl Rahimi das Tempo rausnahm, war Kubin wenig später schon wieder auf den Brettern. Der Kampf war nach 1:42 min zu Ende.
Der folgende Showact, der den Zuschauern in der Halle offensichtlich wieder gut gefiel, war der Veranstalter Prince Kay One. Leider trat die Sambatänzerin nicht wieder auf.
Der Hauptkampf im Schwergewicht zwischen Manuel Charr (27 Kämpfe, 26 Siege, 15 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) und Kevin Johnson (36 Kämpfe, 29 Siege, 14 durch KO, 6 Niederlagen, 1 Unentschieden) ging über die angesetzten 10 Runden. Am Ende stand Charr als einstimmiger Punktsieger (98:92, 98:92, 97:93) fest, aber bis dahin musste er hart arbeiten. Johnson ist unangenehm zu boxen. Er lässt seine Führhand fallen und deckt sich nur mit seiner Schlaghand. Viele Schläge blockt er mit seiner Schulter. In diesen Kampf ging er eher defensiv rein. Selten nur griff er an. Meist wartete er auf seine Konterchance. Am häufigsten punktete er mit seinen Graden zum Kopf. Charr war der aktivere Boxer. Er trieb, hinter seiner Doppeldeckung verschanzt, Johnson vor sich her und versuchte dessen Deckung zu knacken. Er verteilte seine Schläge gut. Erstaunlich wenige Schläge fanden aber ihr Ziel, und einen Wirkungstreffer habe ich überhaupt nicht gesehen. Johnson hatte die klareren Treffer, aber auch sehr viel weniger. Charr war der dominierende Mann, mit der sehr viel höheren Aktivität. Der Sieg von Charr war hart erarbeitet, aber ungefährdet.
Bei der Siegerehrung trat die Sambatänzerin leider nicht wieder auf. Habe ich schon gesagt, dass es auf Boxveranstaltungen viel zu wenig Sambatänzerinnen gibt?
© Uwe Betker