Mantel, Hilary: Jeder Tag ist Muttertag

Rezension Hilary Mantel - Jeder Tag ist Muttertag

Klappentext:

Längst haben es die Nachbarn aufgegeben, mit Evelyn und Muriel Axon Kontakt zu pflegen. Das ist Evelyn, die früher gelegentlich als Medium arbeitete und sich von Geistern verfolgt fühlt, nur recht. Zusammen mit ihrer Tochter verbarrikadiert sie sich in ihrem Haus, das mehr und mehr verfällt. Mit den Sozialarbeitern, die ihre geistig behinderte Tochter fördern wollen, wird sie schnell fertig. Aber wie soll sie mit Muriels Schwangerschaft und dem Kind, wenn es denn mal da ist, umgehen?
Isabel Field ist als neue Sozialarbeiterin davon überzeugt, den Widerstand der Axon-Damen zu brechen. Sie ist ähnlich verbissen und starrköpfig wie Evelyn. Und hat ebenso viele Probleme: einen sexuell sehr aktiven Vater, der seine Eroberungen in den Waschsalons der Kleinstadt macht, und einen schwärmerischen, aber angstgetriebenen Liebhaber, Colin Sidney, der Abendklassen besucht, um seiner dominanten Frau zu entkommen.
Wäre da noch Muriel. Sie scheint ganz offensichtlich ein eigenes Leben zu haben, von dem weder ihre Mutter noch die Sozialarbeiter etwas ahnen. Und man fragt sich, ob Muriel wirklich so behindert ist, wie alle glauben.

Mantel, Hilary: Jeder Tag ist Muttertag Meinung:

Dieses Buch hatte ich schon länger auf dem Radar und nachdem mich kürzlich Im Vollbesitz des eigenen Wahns erreichte, musste dieser Roman doch noch bei mir einziehen, denn Im Vollbesitz des eigenen Wahnsinns baut auf Jeder Tag ist Muttertag auf. Und da ich es hasse, Fortsetzungen oder -führungen zu lesen, ohne den ersten Teil zu kennen, musste die Lücke schnellstens geschlossen werden.

Und so tauchte ich in die 1970er Jahre in Großbritannien ein und lernte Muriel und ihre Mutter Evelyn kennen. Diese verlassen so gut wie nie das Haus, denn Evelyn fühlt sich von Geistern und anderen Spukgestalten verfolgt und bedroht, machen diese doch das Haus unsicher. Muriel selber scheint etwas zurückgeblieben zu sein und erduldet den Wahnsinn der Mutter stoisch. Die Nachbarn finden die zwei zwar etwas absonderlich, aber was soll man sich da groß drum kümmern, schließlich ist das Sozialamt ja schon an dem Fall dran. Erschreckend ist, wie oft die Akte der Familie immer weitergereicht, verloren und unbearbeitet blieb. Nun ist eine neue Kraft auf den Fall angesetzt worden, doch auch bei ihr taut Evelyn nicht auf und will keine Einmischung in ihr Leben. Denn was keiner erfahren soll ist, dass Muriel schwanger ist.

Uiuiui, dieser Roman hält wahnsinnig krasse Charaktere bereit. Muriel ist von Geburt an vernachlässigt worden, Evelyn steckt in einer Paranoia fest, die nie festgestellt und behandelt wurde, jeder will sein eigenes Ding hier durchziehen und keiner hat Bock, sich den schwarzen Peter zuschieben zu lassen. Hilary Mantels Figuren sind komplex und treffen einen Nerv. Sie polarisieren, ecken an und zeigen der Gesellschaft ihre Schwachstellen. Ihre Protagonisten hat Mantel schonungslos skizziert und scheut sich nicht, dem einen oder anderen damit einen Spiegel vorzuhalten.

Erzählt wird der Roman in der dritten Person und die Sichtweise wechselt zwischen den verschiedensten Protagonisten. Dabei scheinen die Handlungen manchmal auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben, verknüpfen sich aber nach und nach, um dann am Ende das große Finale einzuläuten. Die Kapitel sind zuweilen recht lang. Da die Handlung aber so spannend ist und die Erzählweise, übersetzt von Werner Löcher-Lawrence, sehr einnehmend ist, hat das Buch durchaus Pageturner-Qualitäten.
Sprachlich ist der Roman wirklich fesselnd und der Spannungsaufbau gut gelungen, denn einmal mit dem Roman angefangen, konnte ich damit nicht mehr aufhören. Allerdings schwang ein wenig Enttäuschung beim Lesen mit, denn Aufgrund der im Vorfeld vernommenen Vielzahl an Lobpreisungen für diesen Roman, habe ich hier eine andere Herangehensweise erwartet, mit viel mehr Zündstoff und Konfliktmaterial zwischen der Sozialarbeiterin Isabel und Evelyn. Rückblickend, ein paar Tage nach Beenden des Romans, muss ich sagen, dass Frau Mantel es realistisch gelöst hat und damit eigentlich die Dramaturgie noch extremer dargestellt hat. Das zeigt schon, wie viel Stoff zum Nachdenken dieses Buch hinterlässt.
Grundsätzlich ist die Geschichte abgeschlossen, trotzdem bleiben noch einige offene Fragen am Ende und ich bin froh, dass es mit Im Vollbesitz des eigenen Wahns weitergehen wird. Denn bei aller Spannung und Dramaturgie blieb mir Muriels Rolle noch zu vage im Roman.

Fazit:

Meine Erwartungen waren vielleicht ein wenig zu hoch für dieses Buch oder ich bin mit den falschen Vorstellungen herangegangen, denn Jeder Tag ist Muttertag hat mich etwas zwiegespalten zurück gelassen. Nichtsdestotrotz hat das Buch mich gefesselt und schockiert und verdammt ja, ich will wissen, wie es weitergeht, denn da bleibt noch einiges Offen und zu klären. Außerdem bietet das Buch, auch wenn es schon 30 Jahre alt ist, immer noch sehr aktuelle Themen und ordentlich Diskussionsmaterial.

Von mir gibt es 3,5 von 5 Punkten. Mantel, Hilary: Jeder Tag ist Muttertag Preis

Gebunden: 22,99 Euro
eBook: 18,99 Euro

Verlag: DuMont Buchverlage
ISBN: 978-3-8321-9823-7
Seitenzahl: 256
Übersetzer: Werner Löcher-Lawrence

Quelle: http://www.dumont-buchverlag.de/buch/mantel-jeder-tag-ist-muttertag-9783832198237/


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