Mannichl: Ein Ammenmärchen aus Mediendeutschland

Mannichl: Ein Ammenmärchen aus MediendeutschlandSelbst die Aufarbeitung aus einem Sicherheitsabstand von zwei Jahren ist noch genauso desaströs wie die unmittelbare Entrüstungsberichterstattung kurz nach der Tat. Alois Mannichl, two years later, ein Ammenmärchen aus Mediendeutschland, das vom Fanal für "eine neue Qualität rechtsradikaler Gewalt" (Bayern Innenminister Joachim Herrmann) zu einem Lehrstück für die Selbstmanipulationskraft von Qualitätsmedien geworden ist, denen nicht gesunder Menschenverstand, sondern politische Opportunität die Feder führt.
Die Süddeutsche Zeitung etwa, seinerzeit im vordersten Verfolgungswagen auf der Spur des Schlangenmannes, findet heute, dass das alles ganz doll peinlich gewesen sei. Für Bayerns Polizei und ihren Sicherheitsminister Joachim Herrmann. Da schwingt die Sehnsucht nach einem Stückchen DDR mit, einem Land jedenfalls, in dem einem gesagt wird, was man zu schreiben hat: "Keine einheitlichen Pressestatements" habe es gegeben, "der öffentliche Druck", den man selbst durch engagierte Alarmberichterstattung erzeugt hatte, "war zu groß", heißt es kritisch.
Erstmals prangert Bayerns größte Zeitung nun - nur knapp 23 Monate danach - auch an, wie die Ermittlungen liefen. Die Tat Mitte Dezember, die Spurensicherung im Januar: "Zum Jahreswechsel durchkämmten Polizisten etwa noch einmal Mannichls Wohngebiet nach Zigarettenstummeln und anderen Spuren", enthüllt der namenlose Kommentäter gratismutig, "das kann man als Übergenauigkeit werten - oder als Nachholen von Versäumtem".
Nachholen von Versäumtem, da macht auch die Augsburger Allgemeine mit. Damals stolz, eine erste Festnahme melden zu können, folgert das Blatt nun: "Zur Peinlichkeit geriet die Spur zu einem Münchner Neonazi-Pärchen in der Woche nach der Tat." Zur Peinlichkeit für wen wird nicht gesagt. So hält es auch der Bayrische Rundfunk, der die Zeit für gekommen hält, die verantwortlichen hart anzugehen: "Am Tatort wurden beispielsweise nicht alle Spuren optimal gesichert. So untersuchte niemand Mannichls Fingernägel auf Hautfetzen des Täters - das geschah erst lange nach dem Angriff", deckt der Staatssender auf.
Dennoch, muss die Süddeutsche konstatieren, tappt man weiter im Dunkeln. Der "Angriff auf uns alle" (Angela Merkel), der Anlass hatte sein sollen "für ein entschiedenes Handeln der Politik gegen Rechtsextremismus", endet als medialer Knieschuss. Ein Opfer, das so von keinem der späten Aufarbeiter mehr genannt wird. Ein Täter, der Glatze, Hahnenkamm oder lange Haare trug und eine oder keine Schlangentätowierung. Eine Tatwaffe schließlich, die kein Lebkuchenmesser war, aber als solches ihren Platz in der Kriminalgeschichte gefunden hat. "Bisher kein Ergebnis", schreibt die SZ mit einem Hauch von recht originellem Optimismus, "brachte die mutmaßliche Tatwaffe: ein Küchenmesser, auf dem 'Mischspuren' haften, vermutlich von verschiedenen Personen."


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