Woher kommen Geschlechtsunterschiede bei Diagnosen? Das ist eine Fragestellung bei der Woche für Seelische Gesundheit u.a. in München und einer neuen Studie des Robert Koch -Instituts in Berlin. Bei der Veranstaltung heisst es etwas vereinfacht, seelische Erkrankungen bei Männern blieben oft unerkannt, sie seien aber genauso häufig wie bei Frauen. Doch ist das wirklich so?
Zahlen des Robert-Koch Instituts aus den Jahren 2008 bis 2011 belegen, dass 8,1 % der Frauen und 3,8 % der Männer innerhalb eines Jahres neu an einer Depression erkranken (12-Monats-Prävalenz). Wie in allen anderen,auch internationaen Studien der letzten Jahre sind Frauen ungefähr doppelt so häufig von einer Depression betroffen, oder besser: von einer Depressions-Diagnose betroffen.
Die folgende Tabelle zeigt, dass Frauen in allen Altersgruppen häufiger betroffen sin,dass die Häufigkeit im Alter zunimmt und v.a Männer im Osten mehr als im Westen Deutschlands betroffen sind:
In der Studie werden ausführlich die möglichen Ursachen diskutiert: Gibt es wirklich boiologische Unterschiede, sind die Unterschiede künstlich (also Artefakte) oder haben sie mit der wirtschaftlichen oder psychosozialen Lage von vielen Frauen zu tun?
Frauen erhalten häufiger die Diagnose Depression als Männer
Interessant ist bei diesen Ergebnissen ist die Frage, warum eine Diagnose bei Frauen häufiger diagnostiziert wird? Und welche Erkrankungen werden stattdessen bei Männern diagnostiziert ?
Die Studie des Robert Koch-Instituts stellt dazu einige interessante Hypothesen (Vermutungen) auf: Könnte es sein, dass bei Männern andere Symptome auftreten, die evt. nicht zur Diagnose einer Depression führen ? In einer Studie wurde z.B. festgestellt, dass bei Männern häufig “inere Unruhe”, “Irritabilität” und “Aggressivität” und “antisoziales Verhalten” diagnostiziert wird (Möller-Leimkühler, 2004).
Ich würde noch weiter gehen: Meine eigenen Erfahrungen über mehr als dreißig Jahren Tätigkeit als Arzt und Therapeut zeigen immer wieder, dass bei Männern häufiger über viele Jahre unspezifische körperliche Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Rückenschmerzen, Herzbeschwerden diagnsotiziert werden.
Das liegt sicher an vielen Ursachen. Vielleicht aber auch daran, dass es für Männer immer noch ungemein schwieriger ist, sich einzugestehen, dass sie mit einer Situation überfordert sind und daran möglicherweise psychisch erkrankt sind. Das passt so gar nicht in die Vorstellung von Männlichkeit in unserer Gesellschaft.
Interessant wäre auch eine Untersuchung, ob Ärzte bei Männern häufiger ein Burn Out diagnostizieren und bei Frauen häufiger eine Depression. Das hätte auch etwas mit den Diagnose-Stellung der Ärzte zu tun, die zu zwei Dritteln männlich sind (Im Jahre 2012 waren 84.912 ambulante Ärzte Männer und 59.148 ambulante Ärztinnen tätig, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, online)