Das Drama des männlichen Geliebten.
“Das Schlimmste ist das Warten”, sagte der Mann, der seit fünf Jahren eine Affäre mit einer verheirateten Frau hat.
Mit Frauen, die als Geliebte das Drama von Warten, Hoffen und Enttäuschtwerden über Jahre mitmachen, hatte ich in meiner Arbeit als Paartherapeut schon öfters zu tun.
Doch Ralf, vierundvierig Jahre alt, Architekt, gutaussehend, war damals der erste Klient, der zu mir kam und über depressive Symptome klagte. Schlafprobleme, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen. Aber er blieb nicht der einzige.
Hinter einer Depression steckt oft verdrängte Wut. Doch als ich meinen Klienten darauf ansprach, ob ihn das jahrelange Hingehaltenwerden nicht auch ärgerlich machte, verneinte er. “Sie würde sich ja gern trennen, aber ihre beiden Kinder sind gerade in der Pubertät, das will sie ihnen nicht antun.”
Über Frauen, die als heimliche Geliebte, jahrelang darauf warten, dass ER sich entscheidet, sich trennt und ganz mit ihr zusammen ist, gibt es zahlreiche Bücher, Artikel und Foren.
Über Männer, die schon länger in der Geliebtenfalle kleben, gibt es vergleichsweise wenig. Überhaupt sind sie mit ihren Gefühlen einsamer als weibliche Geliebte. Die können wenigstens mit Freundinnen sich austauschen. Aber ein Mann, der seit Jahren in der Warteschleife hängt, wird bei seinen Freunden kaum auf Verständnis stoßen.
Der Anfang ist ähnlich. Der Mann verliebt sich in eine Frau, die in einer festen Beziehung oder verheiratet ist. Dies ist jedoch für ihn kein Hindernis, möglicherweise sogar ein zusätzlicher Kick.
Die Heimlichkeit der Beziehung, das Fehlen des anstrengenden Alltags und der Reiz des Neuen bilden einen starken Sog für beide.
“Sie hat von Anfang an klargestellt, dass sie sich nicht trennen will. Ich wollte das aber anfangs nicht wahrhaben. Für mich war sie eine Seelenverwandte und ich dachte, irgendwann wird sie das auch erkennen und sich ganz zu mir bekennen. Das geht jetzt vier Jahre so.”
Hier ist die Geliebtenfalle zugeschnappt und das zermürbende Warten beginnt. Warten auf ihre Anrufe, auf ihre SMS, auf ein heimliches Wochenende, wenn der Ehemann auf einer Auslandsreise ist, auf eine Entscheidung.
Doch diese Entscheidung kommt nicht. Warum?
Dreiecksbeziehungen: 3 Gründe.
1. Das Beziehungsdreieck ist die beste Lösung für alle Beteiligten:
Die Frau hat das Beste aus zwei Welten. Den vertrauten Alltag mit ihrem Mann, das Familienleben mit den Kindern – und wie in einer Parallelwelt die heimlichen Treffen, die tiefen Gespräche oder den aufregenden Sex mit dem Geliebten.
Der Geliebte lebt von der Hoffnung und der Sehnsucht und muss sich nicht mit der Realität, dass er eben doch nicht ganz als Mann gewollt wird, auseinandersetzen.
Der “betrogene” Ehemann will in der Regel vom Verhältnis seiner Ehefrau nichts wissen, übersieht deutliche Spuren, fragt nicht nach, weil auch er an der lauwarm gewordenen Beziehung festhalten will.
Insofern kann eine Affäre eine bestehende Beziehung stabilisieren, die ohne den Dritten vielleicht eher auf ein Ende zusteuern würde.
2. Der männliche Geliebte wiederholt ein Kindheitsthema.
Alice Miller schrieb vor Jahren über “Das Drama des begabten Kindes”. Und daran muss ich oft denken, wenn mir ein/e weibliche oder männlicher Geliebte gegenüber sitzt und beschreibt, wie er/sie sich in dem Drama verhält.
“Man will ja pflegeleicht sein, keinen Ärger machen. Schließlich hat sie als Anwältin mit ihren Mandanten und zu Hause mit den zwei Pubertierenden schon genug am Hals. Ihr Mann macht auch laufend Druck, ist sehr anspruchsvoll, bei mir kann sie sich entspannen. Und irgendwann wird sie das auch erkennen.
Auch hier dient die Dreiecksbeziehung dazu, etwas zu stabilisieren. In dem dauernden Bemühen, sich anzupassen und aus der Not eine Tugend zu machen, werden alte Kindheitsängste des Verlassenwerdens oder Nichtgeliebtwerdens nicht gespürt sondern erfolgreich verdrängt.
Oft hegen männliche Geliebte – wie das begabte Kind – auch die Vorstellung, dass sie sich nur noch mehr anstrengen müssten, um irgendwann doch die ganze Zuneigung zu erreichen. Franz Kafka hat dieses verzweifelte Ausharren meisterhaft in seiner Erzählung “Vor dem Gesetz” beschrieben.
3. Unzulänglichkeiten werden kompensiert.
Die heimliche Beziehung hilft dabei, etwas zu vertuschen, was man nicht wahrhaben möchte. So erklärte mir mal ein erfolgloser Künstler, der mit einer erfolgreichen Geschäftsführerin liiert war:
“Ihre Bekannten und das gesamte Umfeld sind noch nicht so weit, große Unterschiede in Status und Einkommen wertneutral zu betrachten.”
Klingt super, ist aber eine Rationalisierung. Dabei wird ein guter Grund statt des richtigen genannt. In Wahrheit käme sich wohl der Geliebte als seltsamer Gigolo vor, wenn er in den gesellschaftlichen Kreis aufgenommen werden würde und dort das Getuschel über ihn mitkriegte.
Umgekehrt geht es auch. Ein Klient von mir, gut aussehend, erfolgreicher Unternehmensberater mit zwei Ferraris in der Garage, war einer kaum Deutsch sprechenden korpulenten Rumänin verfallen. Diese hatte jedoch mit ihrem Ehemann zwei Kinder und wollte diesen nicht verlassen.
“Mein Bekanntenkreis und meine Kunden sind sehr konservativ. Aurica würde sich da völlig unwohl fühlen. Das ist einfach nicht ihre Welt.”
Womit wir bei zwei der Hauptursachen für das geduldige Ausharren in der Geliebtenfalle sind.
Nach meiner Erfahrung mit zahlreichen Menschen in Dreiecksbeziehungen ist es oft eine starke Angst vor Nähe.
Geht man in der Biografie zurück, gibt es fast immer starke Verletzungen von Bindungswünschen. Jemand wurde ausgelacht oder immer wieder enttäuscht, als er oder sie zeigte, dass man den anderen Menschen braucht.
Alle unsere problematischen Verhaltensstrategien sind ja keine Defizite oder Fehler, sondern immer kreative Lösungsmöglichkeiten. Sie haben natürlich einen hohen Preis, deshalb leidet man ja auch oft darunter. Aber im Köcher der eigenen Möglichkeiten ist das eben der beste Pfeil.
Die zweite Ursache ist meist ein geringes Selbstwertgefühl.
So störend dies erlebt werden kann, ist es kein Defizit, sondern vor allem eine zu starke Identifikation mit einem inneren Anteil, der einen abwertet, dauernd kritisiert, Erfolge klein redet usw.
Was kann man gegen solche Ursachen, die ja immer mit starken Ängsten verbunden sind, tun? Am liebsten wollen ja alle Betroffene das am liebsten schnell wegmachen (lassen).
Doch das geht nicht, eben weil der “sabotierende” Teil eine ganz wichtige Funktion hat. Hilfreich ist dabei vor allem ein “Teile-Modell der Psyche. Darüber können Sie in einem der nächsten Artikel hier lesen.
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