Die meisten Männer nehmen heutzutage aktiv an der Schwangerschaft teil. Sie besuchen Geburtsvorbereitungskurse, gehen mit zu den Vorsorgeuntersuchungen und lesen sich durch einen Berg von Ratgebern. Die Aussage „Wir sind schwanger“ trifft bei vielen Paaren voll und ganz zu.
Bei einigen werdenden Vätern geht die Empathie zu ihrer schwangeren Partnerin jedoch soweit, dass sie ähnliche Symptome wie die Schwangere zeigen und sogar unter den gleichen Beschwerden leiden: Von der morgendlichen Übelkeit (teilweise sogar mit Erbrechen) und einem aufgeblähten Gefühl im Unterleib, über Schlappheit und Kopfschmerz, bis hin zu Stimmungsschwankungen, Heißhungerattacken und einer Gewichtszunahme – verbunden mit einer tatsächlichen Rundung des Bauches – erleben sie alles mit. Bei diesen rund 25% der werdenden Väter spricht man von einem Couvade-Syndrom (couver: franz.: Brüten).
Neid, Hormone und Mitleiden
Die Ursachen für dieses Verhalten können nach Meinung der Mediziner vielfältig sein. Die vorherrschende Meinung ist, dass es sich bei dem Couvade-Syndrom um eine Art „Mitleiden“ handelt. Gerade einfühlsame Männer nehmen besonders solidarisch an den Beschwerden ihrer Partnerin teil.
Dieses Verhalten wird vermutlich von Duftstoffen (Pheromonen), welche die Schwangere verströmt, ausgelöst. Sie bewirken beim werdenden Vater eine leichte Veränderung des Hormonhaushalts, so dass er im Ansatz dem weiblichen ähnelt. Ähnlich ergeht es auch den männlichen Weißbüschelaffen. Ihre Baby-Bäuche wachsen sogar schon, bevor ihren Weibchen die Schwangerschaft überhaupt anzusehen ist, so das Ergebnis einer Studie des Wisconsin National Primate Research Centers. Die Affen-Väter scheinen also nicht aus Empathie mit ihren schwangeren Weibchen zu futtern. Vielmehr passt sich der Hormonhaushalt des Männchens an den des Weibchens an und ihr Stoffwechsel verändert sich.
Andere Vermutungen gehen davon aus, dass das Couvade-Syndrom aufgrund von Neid, nicht selbst ein Kind austragen zu können (Gebärneid), sowie aufgrund der innigen Beziehung von Mutter und Kind ausgebildet wird. Letzteres deutet darauf hin, dass hinter dem Verhalten der werdenden Väter Forderungen nach mehr Aufmerksamkeit („Guckt, ich habe auch einen Babybauch!“) und Eifersucht auf das eigene Kind stehen könnten. Manche Männer projizieren auch Konflikte aus der Kindheit mit ihrer eigenen Mutter auf ihre Partnerin, da sie diese nun hauptsächlich in ihrer neuen Rolle wahrnehmen.
Spieglein, Spieglein…
Auch aus neurologischer Sicht gibt es eine Erklärung für das Syndrom. Die erst seit einigen Jahren erforschten Spiegelneuronen lösen im Gehirn eines Betrachters „spiegelbildlich“ die Handlungen aus, welche er gerade beobachtet. In Bezug auf das Couvade-Syndrom würde dies bedeuten, dass das Nervensystem eines Mannes, der die Schwangerschaftsbeschwerden seiner Partnerin wahrnimmt, die entsprechenden Empfindungen auch im eigenen Körper auslöst.
Einige Ursachen für das Syndrom, wie der Neidfaktor, die Unsicherheit bezüglich der Vaterrolle oder eine Projektion auf die eigene Mutter, können leicht durch ein offenes Gespräch beseitigt werden. Und: mit der Geburt verschwinden die Beschwerden von allein. Außer der Bauch. Der verschwindet leider nicht so leicht wie der „echte“ Babybauch.