Das Twittern auch.
Stets wäre jemand da, der meine Gedanken für die Nachwelt notiert. Selbst Banalitäten, wenn sie erst einmal niedergeschrieben, gewinnen an Bedeutung.
Es war nicht alles schlecht an der Stasi, denke ich zynisch und stelle mir unabhängig davon vor, Goethe wäre – so wie ich heute früh – an einem Sonntag erwacht, ginge zum Frühstückstisch, an welchem ein gewisser Herr Eckermann bereits Platz genommen hat, und sagt einfach so in den Tag hinein:
“Sonntag heißt der Tag, der jedem Samstag folgt”
Ecki würde es notiert haben, und wir hätten heute einen Geflügelten Satz mehr.
Ärgerlich ist, wenn weit und breit niemand da ist, der Bedeutungsvolles festhält. Wie den Satz von mir, den ich allein im Auto, im Berliner Berufsverkehr, entstehen ließ.
“Wer sich rechtzeitig einordnet, kommt schneller ans Ziel!”
Der findet noch nicht einmal dann Beachtung, wenn ich ihn täglich mehrmals twittere oder blogge. Aber gleiche Worte von einer Kanzlerin, notiert von einem ihrer vielen Eckermänner – und alle Steuerbehörden Deutschlands würden Marmorplatten ordern, in welche sie genau diesen Satz einhämmern ließen.
“Wer sich rechtzeitig einordnet, kommt schneller ans Ziel!”
Ist man erst einmal berühmt, ist es wurscht, was man sagt und wie oberflächig der Inhalt – es gibt immer eine Institution, zu der ein Spruch passt. Wie bei der letzten Fußball-WM, erinnere ich mich.
Die Kanzlerin erschien als Fan – lustig genug – und sah sich wieder einmal von zahlreichen Mikros umzingelt, wird von der Journaille aufgefordert, irgendetwas zu sagen und ihr fällt zum Fußball nur ein:
“Ja, ja. – Kopf und Füße müssen zusammenpassen!”
Was zwar nie im Leben eine Fußballmannschaft stimulieren könnte, wohl aber die Genforschung.
Irgendwo passt jeder prominente Satz. Ich dagegen bleibe ich und niemand will’s wissen. Und meine Bemerkung zu den Boxer-Shirts, die mir meine Gattin als Geschenk aus der Ukraine mitbrachte…
“Eine chinesische Fünf und eine deutsche Fünf sind zwei verschiedene Paar Schuhe”
…hält noch nicht einmal sie für notierenswert.
Dabei könnte man manchen hübschen Doppelsinn hieraus konstruieren.
Frustrierend ist solche Situation. Das Zitiertwerden bestimmt das Bewusstsein, das Nichtzitiertwerden den Platz in der Gesellschaft.
So ginge es wohl für immer und ewig weiter, auch an jedem kommenden Tag meines verkannten Daseins, wenn ich nicht zufällig im Internet auf ein Forschungsinstitut gestoßen wäre. Und die wollen nicht nur alle Meinung zu einem Produkt oder einer Ware wissen, nein – sie zahlen auch noch dafür. Wobei – um Geld geht es mir nie! Es geht immer nur um mich.
Insofern macht mich bereits die Versuchsanordnung glücklich:
Erst wird eine Kamera justiert –
“machense sich bloß keine Sorgen wejen dem Datenschutz und so, aber wir brauchen eine Aufzeichnung, damit wir unser Gespräch gegebenenfalls reproduzieren können”
– dann Kaffee serviert.
Ein Forscher fragt, der andere notiert Gesagtes – YES!
Thema neulich: Lautsprecher.
Dies, das, jenes. Frage – Antwort – Notiz. Die mich beglückende Ermahnung eines schreibenden Forschers:
“Bitte nicht so schnell – ich komme kaum noch hinterher!”
Nach einer halben Stunde etwa, geht es ihnen darum, zu erfahren, wovon ich persönlich eine Kaufentscheidung abhängig machen würde. Also wenn – beispielsweise – der Erwerb eines Lautsprechers anstünde.
Von der Marke, weiß ich sofort zu antworten.
So halten wir es in unserer kleinen Familie bereits mit Brot, Kaffee und Rotwein. Wir wurden seither nicht enttäuscht. Immerhin ist die “Fähigkeit des Genusses Bedingung für denselben”.
So zitiere ich beiläufig Karl Marx und werde von einem Forscher unterbrochen.
“Wo steht das?”
In den Grundrissen natürlich. Irgendwo in den späten 590er Seiten der 74er Auflage.
Beide Forscher blicken hoch. Erstaunt, wie ich deren Blicke deute.
Hmmm. Vielleicht sollte ich mein Verständnis von einer Marke etwas einfacher darlegen? Nicht so theoretisch?
Okay. Nächster Versuch. Ich doziere nun:
“Eine gute Marke ist wie eine gute Frau, ein guter Partner oder Partnerin. Es bedarf des Gespürs eines Trüffelschweins, bis man Geeignetes findet und wenn man ihn dann hat – selten genug, findet solches statt – will man daran festhalten. Alles Fremdgehen der Anderen zeugt – in meinem Verständnis – nur davon, dass der- oder diejenige das für ihn oder sie Richtige einfach noch nicht fand. Strukturiert lebt es sich nämlich glücklicher. Wenn also alles passt. Wir – zum Beispiel – kennen uns 17 Jahre, sind davon 7 Jahre verheiratet, wachen früh auf und können immer noch miteinander reden. Stundenlang reden wir. …”
Wieder sehe ich in forschenden Blicke voller Ratlosigkeit und kapiere: Auch das ist es nicht, was das Institut wissen will. Hat es mich also wieder einmal weggetragen, vom eigentlichen Thema STOPP!, denke ich mir. Rasch zurück zu den Lautsprechern!
“…aber wenn das Gerät einmal unbegründet kaputt geht, sollte man auch nicht zögern, die Marke zu wechseln.”
Nun sind sie total verwirrt.
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