Manche Wege sind mir unergründlich

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Sony a7R Systemkamera; © Sony

Da ist sie also, die bereits seit Längerem rumorte Sony-Vollformat-NEX-Kamera, die jetzt offensichtlich doch nicht NEX sondern Alpha heißt. Persönlich sympathisiere ich ja mit Nikon- und MFT-Systemen und bekomme nur so am Rande mit, was sich bei Canon, Pentax und eben auch Sony so tut und die Marken berühren mich auch nicht besonders. Dieses Desinteresse ist rein subjektiv und ich könnte kaum sachliche Gründe nennen um es zu begründen.

Obwohl Sony also wegen mangelnder Zuneigung zur Marke nur gelegentlich auf meinem Radar erscheint, ist die a7 doch ein Gerät das meine Aufmerksamkeit erregt hat.

Zunächst einmal stach mir das kantige Pseudoprima on top unangenehm ins Auge. Schlecht kopiert von der Olympus OM-D, überproportioniert auf dem kompakten Gehäuse und unausgewogen zur Seite versetzt – nicht ganz in der Mitte, nicht ganz versetzt, nicht ganz Fisch, nicht ganz Fleisch. Auf den ersten Blick wirkt die Kamera wie eine schlecht gemachte Photoshop-Montage aus NEX7 (Griff und Rädchen am Griff), RX1/RX100 (Body) und Olympus OM-D (Pseudoprisma). Die Designsprache der Rädchen oben und jenem aus dem Griff korrespondiert in keiner Weise. Hier schient zusammen gefunden zu haben was nicht zusammen passt. Auch in Sachen Typografie hat Sony noch kaum einmal so schlechten Geschmack bewiesen.

Bedauerlich, denn bei aller Antipathie gegenüber Sony (Digitalkameras) respektiere ich doch die Innovationskraft des Unternehmens. Kaum ein Konkurrent schafft es derzeit bei der Konstruktion von Bildsensoren mit Sony mithalten zu können. Nikon verbaut oft Sony-Sensoren und auch in der OM-D E-M5 soll einer von ihnen stecken. Was Sony mit dem 20-Megapixel-1-Zoll-Sensor in der RX100 gezeigt hat ist schlicht und einfach umwerfend. Wer hätte zuvor gedacht, dass auf so einem kleinen Sensor so viele Pixel untergebracht werden und so wenig Rauschen produzieren können?

Sony hat sich mit ihren SLT-Kameras auf ein Terrain mit alternativen optischen Through-the-lens-Suchern gewagt und mit der RX1 die erste Kompaktkamera mit Vollformatsensor auf den Markt gebracht. In Sachen Design war man einerseits meist stilsicher, andererseits auch von Anfang an innovativ mit Kameragehäusen, die so gar nicht aussahen, wie man sich eine Kamera vorstellte. Das ist Sony bis zu den zahlreichen NEX-Modellen gelungen – während andere Hersteller sich immer irgendwo zwischen ergonomisch glatt gelutschter SLR-Optik, klassischem Leica-like-Design und Retro-Chick bewegt hatten, hat Sony eine eigenen Formensprache gefunden, die sowohl attraktiv, als auch anders, als auch funktional war. Dass das mit der a7 jetzt so in die Hose gegangen ist (schon klar, dass mir da nicht jeder zustimmen wird) mag man ob der bisherigen Leistungen verzeihen. Es bleibt Sony zu wünschen, dass das kein Weg à la Pentax wird, wo die Designs zwar regelmäßig mit Design-Auszeichnungen geehrt werden (weshalb auch immer – jene die diese Auszeichnungen vergeben dürften wohl keine Fotografen sein und manchmal frage ich mich ob es Designer sind), für die aber kaum ein Kunde Geld ausgeben will (Raimond Lowe sagte mal sinngemäß, Design müsse so weit als möglich fortschrittlich sein, darf den Bogen aber nie soweit überspannen, dass es die Zielgruppe überfordert). Allerdings glaube ich nicht, dass für Sony diese Gefahr besteht, schließlich beherrscht man in Tokyo Marketing.

Sinnloses Marketing ist das, was mir an Sony ein bisschen zuwider ist. Bei Nikon und Olympus habe ich das Gefühl, dass den Machern Fotografie durch die Adern fließt, wohl auch bei Canon und noch viel mehr bei Leica. Panasonic hingegen wirkt auf mich eher wie ein Konzern der Staubsauger, Kühlschränke und Glühbirnen macht – und halt auch Fotoapparate. Sony wirkt auf mich cooler als Panasonic – von wegen Walkman und Design und so – aber irgendwie halt doch Fotografie als me-too-Geschäftsfeld betreibt. Da scheint weniger zu zählen, was ist fotografisch sinnvoll, sondern nur, was geht am Markt weg wie warme Semmeln und – ja – da macht sich ein Ruf als Innovator natürlich gut.

Beispiel? Die 20 Megapixel der RX100, hier schon mehrfach als fototechnische Sinnlosigkeit an den Pranger gestellt. Der tolle Sensor der Kompakten kann die hohe Auflösung zwar gut umsetzen, doch das Objektiv wäre mit 10MP auch ausreichend bedient. Dasselbe gilt auch für die NEX7. 24 Megapixel! Klar kann ich vor einer NEX7 phantastische Objektive montieren, die dem tollen Sensor die erforderliche Auflösung liefern. Allerdings fällt mir dazu immer wieder ein Zitat von Scott Kelby ein: »Wonder why? Just because we can!« In der Praxis verlangen hochpräzise Sensoren mit hohen Auflösungen und hochpräzisen Objektiven eine hochpräzise Arbeitsweise. Und dafür sind kompakte Gehäuse schlichtweg ungeeignet. Der Sinn winziger Gehäuse in Kombination mit riesigen Objektiven wird sich mir wohl nie erschließen.

Die Objektive führen mich zurück zur a7. Wenn ich das recht verstehe hat Sony jetzt ein A-Bajonett für DSLR- und SLT-Kameras, ein E-Bajonett für NEX-Kameras und jetzt kommt ein FE-Anschluss für diese neue Baureihe auf den Markt. Meine Frage an Sony: Wäre es nicht sinnvoller das Angebot an NEX-Objektiven einmal ausreichend sinnvoll auszubauen bevor hier eine neue Baureihe aufgerissen wird? Und wozu drei Bajonette, wenn man nur zwei Sensorgrößen anbietet?

Nun: Sony weiß der Markt glaubt viel helfe viel. Mehr Megapixel sind besser als weniger. Mehr Sensorgröße ist besser als weniger. Daran halten nicht nur Laien und Amateure fest. Es wird dermaßen konsequent von allen Kanzeln gebetet, dass es wohl nur eine Frage der Zeit sein muss, bis es wahr wird. Und Sony bedient den Markt mit viel wie kaum ein anderer. Wer wird schon nach sinnvoll fragen wenn sich die Produkte verkaufen.

Ich mag Nikon, weil das Unternehmen in der Regel fotografisch sinnvolle Produkte auf den Markt bringt. Die Nikon 1 kam mit 10 Megapixel auf den Markt, als jede Kompakte schon 16 hatte. Obwohl zwar jeder glaubt er könne nie genug Megapixel haben (und dann statt RAW in JPEG fotografiert um nicht zu viel Speicherplatz zu verschwenden) brauchen die wenigsten tatsächlich mehr als 10, 12 oder 18 Megapixel (die Sache mit dem Crop kann ich nicht mehr hören – ich habe dafür Teleobjektive). Nikon setzte mit der Nikon mehr auf maximale Qualität bei 10MP als auf mäßige Qualität mit 20MP. Bravo Nikon!

Leider hat der Markt die Nikon 1 nicht verstanden, so wie er vieles nicht versteht was nicht in erster Linie eines ist: viel.

Nikon hat DX-Kameras mit APS-C-Sensoren und FX-Kameras mit Vollformat-Sensoren. Früher oder später wird es spiegellose Kameras von Nikon geben die parallel zu DSLR-Modellen angeboten werden und mit DX- beziehungsweise FX-Objekiven bestückt werden können. Nikons Entscheidung kein spiegelloses System mit APS-C oder Vollformatsensoren auf den Markt zu bringen, und statt dessen ein neues System zu platzieren, das durch kleine Sensoren kleine Kameras erlaubt, war langfristig gesehen richtig, denn so muss sich der Nikon-Fotograf nicht mit drei Anschlüssen für zwei Sensorgrößen herumschlagen, und das neue System schöpft eine besondere Stärke spiegelloser Systeme – kompakte Bauweise – voll aus.

Sony zeigt zwar, dass sich auch mit Vollformat kompakte Kameras bauen lassen. Aber was wird aus den Objektiven? Sieht an sich einmal die Top-Objektive von Nikon und Canon an, dann sind das riesige optische Ungetüme. Die Gesetze der Optik werden das verlangen. Und die Gesetze der Optik werden dafür sorgen, dass kompakte Vollformat-Objektive für kompakte Vollformatkameras optisch fragwürdige Kompromisse verlangen.

Kleine Kameras die auch dann noch klein sind, wenn die Objektive angesetzt sind, erreichen mit kleineren Sensoren bessere Abbildungsqualität, weil sie die Optiken besser ausnützen können. Bildrauschen ist dabei heute kein Problem mehr, schließlich hat vor allem Sony mit der RX100 demonstriert, dass man auf einem 1-Zoll-Sensor 20 Megapixel ohne nennenswertes Rauschproblem unterbringen kann. Und auch kurze Schärfentiefe ist mit einem 32mm ƒ1.2 für die Nikon 1 oder einem ƒ0,95 Nokton für MFT nicht wirklich ein Grund der gegen kleinere Sensoren als APS-C spricht.

Tatsächlich ist die Qualität auch kleinerer Sensoren heute so gut, dass sich eine Olympus OM-D E-M5 mit 16MP vor einer Nikon D7100 mit 24 MP nicht zu verstecken braucht. Ich habe keinen Labortest gemacht, der Vergleicht, ob die Nikon mit den besten Nikkoren bei hochpräziser Arbeitsweise (wir sprechen hier von Stativ und so) mehr zu leisten in der Lage ist, als die Olympus mit ihrem MFT-Sensor. Doch bei normaler Arbeitsweise erreicht die Olympus eine Detailschärfe, die noch mit der D7100 mithalten wird können, wenn man die 16MP in Photoshop auf 24MP hochrechnet.

Die Zeichen standen zuletzt schlecht für die Nikon 1. Der Markt nimmt nicht viel von etwas wo nicht vor allem viel drin ist. Die Nikon 1 wäre nicht das erste bessere System, das gegen ein schlechteres verliert. Möglicherweise ist Nikon mit der 1 AW (All Weather – wasserdicht und stoßfest) die Rettung des Systems gelungen, denn nirgends sonst gibt es eine Systemkamera mit Wechselobjektiven die man auf den Boden fallen lassen kann und die sich noch 10 Meter unter Wasser einsetzen lässt, ohne sie in ein teures und umständliches Unterwassergehäuse zu packen.

Zwar stimmt es, dass es auch in der Fotografie oft auf die Größe ankommt, nur ist größer nicht unbedingt besser. Für meinen Bedarf hat im Moment sogar (kleinerer Sensor, kleinere Kamera, moderate Auflösung) die besseren Karten in der Hand. Sinnlos wird nicht besser nur weil man viel davon hat. Aber ich weiß, dass ich mit dieser Ansicht zu einer überschaubaren Minderheit gehöre.


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