Es war mal wieder der Klassiker: In einem der unzähligen Online-Adventskalender wurde ein Familieneintritt für den Europa Park verlost. Familieneintritt, das bedeutet zwei Erwachsene und zwei Kinder, oder ein Erwachsener und drei Kinder. Natürlich dauerte es nicht lange, bis jemand kommentierte, das sei aber nicht sehr fair gegenüber grösseren Familien, die wären ja auch mal froh um Gratiseintritte für alle. Ja, und dann kam eben, was kommen muss: “Selber Schuld, wenn man viele Kinder hat”, “Wenn man sie sich nicht leisten kann, soll man eben keine bekommen”, “Hat euch ja niemand befohlen, ihr müsstet mehr als zwei haben”. Die übliche Leier eben.
Im ersten Moment stand ich in Versuchung, den gehässigen Kommentatorinnen – ja, es waren alles Frauen; Mütter, denen es besonders schwer fällt, andere Lebensentwürfe zu akzeptieren – ein Stück weit Recht zu geben. “Einem geschenkten Gaul schaut man nun mal nicht ins Maul. Immerhin hätte man einen Teil der Eintritte gratis”, dachte ich. Und das stimmt ja irgendwie auch, aber die Sache hat eben doch einen Haken, einen ziemlich grossen sogar, nur weiss ich nicht, ob es mir gelingt, diesen Haken so in Worte zu fassen, dass ich auch verstanden werde. Ich versuch’s mal:
In unserer Gesellschaft gilt es als vollkommen legitim, Preisvergünstigungen ausfindig zu machen und sie für sich in Anspruch zu nehmen. Keiner käme auf die Idee, einem anderen einen Vorwurf daraus zu machen, dass er seine Ferien dann bucht, wenn er das Arrangement zum halben Preis haben kann und nicht zwei Wochen später, wenn er den vollen Preis bezahlen müsste. Nicht mal den Leuten, die wahrlich nicht auf Vergünstigungen angewiesen wären, dreht man einen Strick daraus, wenn sie von einem Sonderangebot profitieren. Im Gegenteil, gewöhnlich wird jedem, der es geschafft hat, eine fette Preisreduktion zu bekommen, eine Bewunderung zuteil, die lediglich von einer Spur Neid getrübt ist. Und wenn jemandem aus irgend einem fadenscheinigen Grund die Vergünstigung verwehrt wurde, ist ihm das Mitgefühl seiner Mitmenschen wenigstens ein kleiner Trost.
Nun ist es aber leider so, dass die Grosszügigkeit der Anbieter sehr bald einmal aufhört. Ein Kind liegt fast immer drin, zwei gewöhnlich auch noch, aber ab dem dritten ist Schluss. Ob es sich nun um Pauschalangebote im Hotel, Familieneintritte, Wettbewerbe oder vergünstigte Seilbahnfahrten handelt, ab dem dritten Kind wird es – abgesehen von einigen wenigen löblichen Ausnahmen – meist teuer. Klar, man könnte nun argumentieren, dass man ja nur für die “überschüssigen” Kinder Eintritt bezahlen muss. Aber ist es denn fair, dass die kleine Familie von der vollen Vergünstigung profitieren kann, die grössere aber nur von einem Teil? Nein, ist es nicht, schon gar nicht, wenn man bedenkt, dass die grössere Familie, nachdem sie mal die Eingangsschranke passiert hat, auch mehr Geld für Popcorn, Eis, Pommes Frites und anderen Kram liegen lässt.
Manchmal geht es sogar noch weiter: “Ach so, sie wollen zu den zwei Kindern noch ein Stillkind im eigenen Reisebett mitnehmen? Tja, das kostet dann aber 700 Franken zusätzlich pro Woche.” “Ja, aber das Baby braucht kein Essen, nimmt keinerlei Dienstleistungen in Anspruch und schläft im eigenen Bettzeug…” “Egal, die 700 Franken müssen Sie trotzdem bezahlen.” Ist nicht erfunden, haben wir erlebt. Und dann natürlich nicht gebucht, weil uns so das “sagenhaft günstige Familienangebot” teurer zu stehen gekommen wäre als ein normales Angebot.
Wagen nun Eltern von mehreren Kindern auf diese und ähnliche Ungerechtigkeiten hinzuweisen, wird dies gleich als Gejammer abgetan. “Selber Schuld!”, “Man muss sich eben nicht vermehren wie die Karnickel”, “Wenn ihr euch die Brut nicht leisten könnt…” Wie? Hat einer von uns je behauptet, wir könnten uns nichts leisten? Haben wir gejammert? Haben wir um Almosen gebettelt? Nein, wir haben nur darauf hingewiesen, dass wir uns manchmal ungerecht behandelt fühlen, weil wir, obwohl wir Familien sind, von vielen “familienfreundlichen” Vergünstigungen nicht profitieren können, nicht mal dann, wenn die zusätzlichen Kinder keine zusätzlichen Leistungen beanspruchen.
Okay, vielleicht äussert ab und zu mal eine Mama oder ein Papa von mehreren Kindern den leisen Wunsch, auch einmal das unglaublich tolle Gefühl geniessen zu können, etwas deutlich günstiger oder gar ganz umsonst zu bekommen. Warum soll sie oder er sich dies nicht wünschen dürfen? Alle anderen dürfen es ja auch, ohne dass man ihnen gleich beleidigende Kommentare an den Kopf wirft.