In dem kleinen indianischen Dorf Cejje (sprich:Tscheche) in den bolivianischen Anden, in dessen Nähe ich lange gelebt habe, gab es keinen Laden. Als ich dort im Tal ankam, fand ich das sehr eigenartig. Wo kaufen die Leute ein? Niemand hatte ein Auto, um allenfalls in einen fernen Supermarkt zu fahren, und Strassen gab es auch (fast) keine.
Anfangs deutete ich das mit der Hyperinflation, die damals in jenem zerrütteten Staat herrschte. Der Wechselkurs des bolivianischen Peso zum harten Dollar verdoppelte sich täglich, und auf dem Lande war der Tauschhandel üblich. Bald merkte ich aber, dass hier niemand etwas zu kaufen brauchte, denn alle waren Selbstversorger und das war schon seit Jahrhunderten genau so.
Wenn man aber kräftig in die Welt hineinhört – was wir uns hier in Europa ja zur stundenlangen Gewohnheit gemacht haben – dann hört man auch, was man alles noch kaufen soll. Es beginnt (dort in Bolivien) mit Thermosflaschen, Kerosinpfunzeln, Matrazen - und endet (hier bei uns) mit der beispiellosen Konsumlawine von all den Dinge, die man so unbedingt braucht.
Noch bis weit in die Neuzeit mussten auch bei uns auf dem Lande die Menschen nichts kaufen. Man machte die Dinge selber und der Lebenssinn bestand daher damals aus sinnlichen und nicht aus käuflichen Dingen.
Diese Tatsache verdeutlicht wieder einmal unsere Sprache. Das germanische Wort “buggjan” (noch im englischen to buy enthalten) bedeutete “etwas erledigen, etwas mit Lösegeld loskaufen”. Das französische/italienisch/spanische Wort ist aus lat. “comparare” abgeleitet, mit der Bedeutung “vergleichen, gegenüberstellen, beschaffen”. Und am interessantesten ist das deutsche Wort “kaufen”, welches vom lateinischen “caupo” = Herbergswirt, Schenkewirt abgeleitet wurde: Als die Römer unsere Gegend mit ihren Legionen überzogen, war jedem Heer ein “Caupo” zugeteilt. Dieser Kantinenwirt verpflegte nicht nur die Truppe, sondern trieb auch eifrig Handel mit den (mehr oder weniger) unterworfenen Stämmen. Von ihm konnten die wohlhabenden Bauern den begehrten südländischen Wein gegen eine fette Sau eintauschen, oder allerlei römische Geräte gegen Säcke voller Gerstengriess.
Wir sind heute am anderen Extrem angelangt. Bei vielen Menschen in der Wohnung findet man nichts wirklich selber gemachtes mehr. Das Kaufen wurde zum Lifestile und zur Freizeitbeschäftigung, nennt sich Shopping. Und die Menschen beurteilen sich gegenseitig aufgrund der Dinge, die sie bisher käuflich erworben haben.
Bild unten:
Die Kompromisslosen / 35cm x 26cm Acryl auf Aquarellpapier / 2006, Nr. 06-053