Mamyphos

Mann und Maus halten es wie Woody Allen, der einst sagte "Wieso soll ich mein Zimmer aufräumen,
wenn doch die ganze Welt ein Chaos ist?" - Ich selbst bin da nicht ganz seiner Meinung. Auch die schreckliche Tatsache, dass "das morgen doch wieder dreckig ist", sollte einen nicht ernsthaft davon abhalten, die Wohnung nicht zu einer von Tine Wittler heimzusuchenden Messie-Höhle verkommen zu lassen. Doch leider stehe ich - so wie viele Frauen vor mir - mit dieser Meinung meist ganz alleine auf verkrümelter Flur.
Ich glaube ja mittlerweile, dass es nur zwei Arten von Müttern gibt, was dieses Thema betrifft.
Art 1 hat noch nicht ganz aufgegeben und räumt Tag für Tag, Stunde für Stunde hinter ihren Lieben her und glaubt daran, den einigermaßen ordentlichen Status Quo aufrecht erhalten zu können.
Art 2 hat längst aufgegeben und lässt mehr oder weniger entspannt das Chaos regieren und schaut sich derweil Woody Allens Filme an.
Ich gehöre noch zu Art 1. Ich räume mehrmals am Tag die Spielsachen in Kisten, sortiere Kleidungsstücke nach "dreckig", "geht noch" oder "sauber und nur aus dem Schrank gerupft", stelle meine Schuhe wieder zurück aufs Schuhregal und kehre oder sauge zum gefühlten 100. Mal ein Meer von Krümeln, getrockneten Erbsen oder Nudeln vom Boden auf. Auch versuche ich tapfer, dem Keimgarten im Hochstuhlbiotop Herr zu werden. Der Mann schüttelt bei all dem Kampf gegen die Kindmühlen nur verständnislos den Kopf und erntet dafür mehr als nur böse Blicke meinerseits. Ich meine, sollte man nicht versuchen, all das trotz der Unsinnigkeit und geringen Halbwertszeit durchzusetzen, damit man ein sauberes und gemütliches Zuhause hat und sich nicht panisch-verschämt hinter dem Sofa verstecken muss, wenn es unangekündigt an der Tür klingelt?
Auch habe ich das Gefühl, ein kleiner unsichtbarer Gnom sucht regelmäßig meine früher so unberührte Wohnung auf, um direkt nach dem Spiegelundbalkontür-Putzakt seine winzigen und scheinbar immer schmierigen Fingerabdrücke auf der polierten Oberfläche zu hinterlassen! Wenn ich den erwische, geht es ihm an den Kragen! Ebenso wie dem Wicht, der in der Nacht wohl heimlich und leise Legosteinchen aus dem tollen und aufgeräumten Kistensystem im Kinderzimmer mopst, um sie nach gaaaaaanz hinten unters Sofa zu schieben. Was hat er davon? Und wann um alles in der Welt tut er das?
Wenn ich auf allen Vieren unter dem Tisch mal wieder die Krümelerbsnudeln aufkehre, frage ich mich oft, wo genau dieser Sisyphos wohnt und ob er vielleicht ein paar Tage mit mir tauschen möchte. Was ist schon ein Fels gegen all diese Krümel, Legosteine, Kinderspielzeugkisten, Wäscheberge oder Fettfingerchenabdrücke?
Und schlimm an all dem ist ja, dass meine Kindheit und Jugend noch nicht so lange her ist, dass ich verdrängen könnte, dass es nicht besser wird, wenn die Mäuse alt genug sind, mit anzupacken. Im Gegenteil! Es wird ja nur schlimmer, wenn man sich der Tatsache bewusst wird, sie KÖNNTEN helfen, TUN es aber nicht! Und dann werden sie mich mit denselben Sprüchen zur Weißglut bringen, wie ich meine arme Mutter früher. "Das ist doch mein Zimmer, kann dir ja egal sein, wie es aussieht", oder "Du übertreibst total, entspann dich halt mal!", oder "Was hast du denn? Sieht doch gut aus!", oder gar "Ich mach das gleich"... Wie wir ja alle schon bei unseren schwerst geliebten Männern feststellen können, hilft es nicht, etwas in der Theorie zu können, wenn die Praxis dann doch an dem blöden Mamyphos hängen bleibt, der die "Oh, gar nicht aufgefallen"-Dreckspuren des Mannes aus dem Waschbecken putzt, nur damit ein paar Minuten später die Maus mit verklebten Farbfingern alles wieder zuspritzt.
Aber was will man machen? Man kann sie ja nicht rauswerfen. Man liebt sie ja. (Ooooooommmmm)

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