“Mama” von Argentine Muschietti

© Universal Pictures International Germany GmbH / Megan Charpentier und Isabelle Nélisse

© Universal Pictures International Germany GmbH / Megan Charpentier und Isabelle Nélisse

Eine Mutter die sich nicht durch das wieder ausgraben des Leichnams ihres Sohnes aus einem Moor besänftigen lässt, die am Ende unbarmherzig den heimgesuchten Vater mitsamt dessen Sohn in den Tod reißt („Die Frau in Schwarz“). Ein Mörder, so sehr von seiner Mutter besessen, dass er ihre Identität annimmt um einen der bekanntesten Morde der Filmgeschichte zu begehen, eine Frau unter der Dusche mit einem Messer nieder sticht („Psycho“). Bestialische Morde, blutig und unansehnlich, die von einer rachsüchtigen Mutter an einer feier- und sexfreudigen Teenagergruppe begangen werden, später fortgeführt von ihrem Eishockey-Maske tragenden Sohn („Freitag der 13.“). Die Mutter ist eine oft verwendete Person im Horrorfilm, nicht nur der Moderne, sondern in der gesamten Geschichte des Genres. Offenbar erfolgreich. Nicht umsonst ist sie in einigen der größten Klassiker wiederzufinden. Der spanische Filmemacher Argentine Muschietti hatte gar keinen Spielfilm im Sinn, als er seinen Kurzfilm „Mama“ drehte.

Dieser findet sich dann auch im Langfilm selbst wieder, eine Sequenz, die fast 1:1 übernommen wurde: die kleinere Schwester von zwei Mädchen blickt voller Angst auf eine Horrorgestalt. Die große Schwester versucht ihr in Panik mitzuteilen, dieses Wesen nicht direkt anzusehen. Doch zu spät. Mit schnellen, verzerrten Schritten kommt dieses Ding heran, die kreischenden Mädchen flüchten die Treppe hinauf. Auf diese kurze, aber gut inszenierte Geschichte wurde Guillermo del Toro (Regie: „Pan’s Labyrinth“; Produzent: „Das Waisenhaus“) aufmerksam. Er erkannte in dem 2 ½ Minuten langen Horror mehr Potential und animierte den Spanier zu der gleichnamigen Langfassung, für die er dann auch als ausführender Produzent zur Verfügung stand. In „Mama“, dem Spielfilm, erzählt Muschietti die Geschichte dieser zwei Schwestern etwas ausführlicher. Nach dem Tod ihrer Eltern leben sie einsam im Wald, versteckt in einer heruntergekommenen Hütte. Erst Jahre später werden sie genau dort aufgefunden, als verwilderte Wesen, die sich auf allen Vieren bewegen und unbekannte Menschen wie Tiere anfauchen. Da die beiden ohne Eltern sind, übernehmen ihr Onkel Lucas („Game of Thrones“-Darsteller Nikolaj Coster-Waldau) und dessen Freundin Annabel (Jessica Chastain) die Elternrolle. Schon bald legen die beiden Mädchen ein beängstigend bizarres Verhalten an den Tag. Die Isolation und der post-traumatische Stress scheinen an ihrer Psyche gekratzt zu haben. Oder aber in den Schatten, wo sie immerzu hinstarren, lauert etwas anderes als ihre bloße Imagination.

Jessica Chastain mit Nikolaj Coster-Waldau

Jessica Chastain mit Nikolaj Coster-Waldau

Eine Scheidung mag in der realen Welt von heute schon als traumatisches Erlebnis gelten, gleich wie alt die Kinder sind. Wenn dann ein Vater, wie in „Mama“ die Ehefrau und Mutter tötet, im Anschluss auch die eigenen Kinder mit der Waffe bedroht, mag das die Psyche noch ein wenig mehr belasten. Aber Victoria und Megan müssen sowieso ein wenig mehr mitansehen als normale Kinder. Ihr Vater kommt gar nicht mehr dazu den Abzug seiner Waffe zu drücken, wird noch zuvor von einem merkwürdigen Knackgeräusch abgelenkt und dann blitzschnell in die Luft gezerrt, wo er für den Zuschauer erst einmal qualvoll dahin schwebt. Er wird aus dem Haus entfernt, die Kinder bleiben allein zurück. So un- und übernatürlich dieses Ereignis auch gewesen sein mag, für die beiden Mädchen bedeutet es das Überleben, wenn auch alleine im Wald, allein in dieser gruseligen, offenbar heimgesuchten Hütte. Wenn die beiden Mädchen dann hier gefunden werden, könnten sie selbst die Horrorobjekte des Films sein, krabbeln wie Käfer auf dem Boden herum, klettern auf Möbel, fauchen vom Kühlschrank aus ihre Finder an, schlagen mit den krallenartigen Händen nach den Eindringlingen. Schwarz und schmutzig werden sie eins mit der Dunkelheit. Das ist schon genug des Horrors. Hinzu gesellt sich der Anblick von Frau Chastain, die in diesem Horrorstreifen als Goth-Girl mit schwarzen kurzen Haaren auftritt, in einer Punkrockband spielt, an ihren Armen entlang gezogene Tattoos präsentiert. Das ist nicht nur für Chastain ein ungewöhnlicher Look, sondern auch für die Heldin eines Horrorfilms, wie auch für ihre Rolle der Ersatzmutter dieser beiden Kinder.

Wo das Aussehen Chastains nur anfangs schocken kann, werden die allgemeinen Horrorschocker in „Mama“ mit Momenten des Unmöglichen gepaart. Dunkelheit, flackerndes Licht, anfangs nicht zu sehende Gestalten, die plötzlich hinter den Rücken der Protagonisten auftauchen, das sind keine Seltenheiten, auch in „Mama“ zu Genüge eingesetzt. Dann bedient sich der Film aber auch einem anderen Element: Kinder, die in ihrem Zimmer um ein Bettlaken rangeln, ohne dass eine der im Haus lebenden Personen involviert ist. Das nicht zu Sehende wird zum Gruselobjekt. Die Kinder reden mit den Wänden, malen Motten und andere merkwürdige Zeichnungen, die Figuren zeigen, die sich deformiert fortbewegen. Es ist gruselig, weil die Vorstellungskraft angeregt wird. Immerzu fallen die Blicke der beiden Mädchen in Ecken und Winkel des Hauses, außer Schwärze ist dort nur leider nichts zu erkennen. Man malt sich aus, was die Kinder dort wohl sehen mögen und schon ist das Schreckgespenst im eigenen Geiste verankert. Hinter dem Rücken von Annabel sind immer wieder Schatten und eine Gestalt zu sehen, mal mit aufgerissenen Augen, mal nur vorbei huschend. Sie bleibt dabei immer in dem Glauben, dass es sich um eines der Kinder handelt, der Zuschauer weiß es jedoch immer besser. Auch das Mehr-Wissen wird zum Horror.

Megan Charpentier und Isabelle Nélisse

Megan Charpentier und Isabelle Nélisse

Die Hintergründe manifestieren sich derweil durch Traumerscheinungen, die nicht minder schaurig unansehnlich in Szene gesetzt wurden. So kann man als Zuschauer Stück für Stück die Vergangenheit des Mutter-Monsters zusammen setzen. In Annabels Träumen wird diese Vergangenheit direkt aufgearbeitet, während Lucas von seinem toten Bruder Jeffrey – Vater der beiden Mädchen – träumt, der ihn beauftragt dessen Töchter zu retten. Dann sind da auch noch die Ermittlungen des Dr. Dreyfuss (Daniel Kash), der der toten Frau immer weiter auf die Schlichte kommt, das Übernatürliche konfrontieren möchte. Im Grunde ist „Mama“ nicht die Neuerfindung des Horrorfilms, setzt aber die bekannten Stilmittel gut genug ein um sich als sehenswertes Werk innerhalb des Genres zu positionieren. Eine gute schauspielerische Leistung der erwachsenen wie auch Kinderdarsteller trägt zur verstörenden Atmosphäre bei, ein Mutter-Monster das nur selten gezeigt wird und in der Unsichtbarkeit agiert, weiß eher zu gruseln als ein deformiertes, am Computer zusammen gebasteltes Ungeheuer, auch wenn sich der Film am Ende doch noch diesem Mittel hingibt. Durch das stark konzentrierte Schockaufkommen nimmt das dann aber auch keinen Einfluss mehr auf die Horrorqualitäten von „Mama“. Sicherlich kein Klassiker wie „Psycho“ oder „Freitag der 13.“, aber ausreichend genug, um den Rest des Abends unter der Decke zu verbringen.

 


Mama_Hauptplakat

“Mama“


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