Mama ist müde. Sehr müde. Oder: Katerstimmung mal anders

Es ist Dienstag, der 3. Oktober. Tag der Deutschen Einheit. Feiertag. Es ist 17 Uhr. Ich liege auf dem Wohnzimmerteppich und möchte nur eins: das der Tag schnell rum geht und endlich ins Bett.

Mama ist müde. Sehr müde. Oder: Katerstimmung mal anders

Bild: pixabay.de


Auf dem Küchentisch stehen immer noch die Reste vom Frühstück, die Mortadella wellt sich, im Kakao schwimmen Insekten. Daneben stapeln sich Pizzakartons, aus denen es stark nach Zwiebeln und Analog-Käse (ach nein, das heißt ja heute Vegan-Käse) müffelt. Wäre das hier ein gastronomischer Betrieb, würde das Ordnungsamt diesen sofort schließen müssen.
Ich habe nicht geduscht und trage immer noch Pyjama mit undefinierbaren Flecken (Milch, Brei, Kotze? Ich will es lieber nicht wissen). Vielleicht bin ich es auch, die den Muff verursacht. Die Haare hängen in wilden  Zotteln herab, selbstverständlich sind sie an diesem Tag noch mit keinem Kamm in Berührung gekommen. Ob ich heute schon die Zähne geputzt habe, weiß ich nicht. Ist aber auch egal. Denn die Zahnbürste zum Mund zu führen wäre für mich heute eine zu große Kraftanstrengung und ist deswegen schlicht nicht machbar.
Dem Baby laufen literweise Rotz aus der Nase, jeder Versuch ihn abzusaugen endet in ohrenbetäubendem Gebrüll. Ich rechne jede Minute damit, dass das Jugendamt bei uns klingelt, um nach dem Rechten zu sehen. Und mir die Elternlizenz zu entziehen. Die Große schaut Peppa Wutz in Endlosschleife, natürlich auch noch im Schlafanzug. Der Mann liegt halb ohnmächtig daneben. Wir haben beide keine Kraft, den Fernseher auszustellen und was pädagogisch Sinnvolles zu machen. Denn in der letzten Nacht haben wir ca. zwei Stunden geschlafen und die restliche Zeit ein schreiendes Schnupfen- und Zahnungsbaby durch die Wohnung geschuckelt und nebenbei ein schreiendes Kleinkind beruhigt, das sich durch das schreiende Baby in seiner Nachtruhe gestört fühlte und dies unbedingt ebenso laut schreiend kund tun musste.

Verkatert und mega müde

Ich fühle mich wie zu meinen besten Zeiten, nach einem durchsumpften Wochenende: verkatert und mega müde. Nur, dass ich keinen Tropfen Alkohol getrunken, dafür aber an die 3 Trillionen Erkältungsviren inhaliert habe, die mir jetzt langsam zu Kopf steigen. Zusammen mit dem Schlafentzug ergibt das einen komatösen Zustand. Der an den Nerven zerrt. Der Mann und ich haben uns heute schon mehrfach gestritten und gedanklich mindestens zwölfeinhalb Mal die Scheidung eingereicht. Der Umgangston zwischen uns reicht von unterkühlt bis bösartig. Wir zicken uns gegenseitig an und wetteifern darum, wer am wenigsten Schlaf hatte, sich am kränkesten fühlt und demnach die meisten Pausen benötigt. So gut es geht, wechseln wir uns ab mit dem Pausieren, aber richtig zur Ruhe kommt keiner von uns.
Was war passiert? Warum sind wir heute alle so fertig? Eine kleine Erkältung, ein, zwei durchbrechende Zähne und ein paar Großbaustellen im Hirn aka Entwicklungssprung reichen anscheinend, um unser ganzen Familiengefüge ins Wanken und erwachsene Personen zu Fall zu bringen. Sollte das die Strafe dafür sein, dass es in den letzten Wochen so gut lief, seit Mai hier niemand mehr krank war, wir einen relativ entspannten Urlaub in der Sonne hatten und sich das Baby gerade halbwegs daran gewöhnt hat, nachts nicht mehr alle 90 Minuten zu trinken?

Ich Weichei!

Aber wie kann eine einzige schlimme Nacht (zugegeben unter vielen unruhigen aber durchaus okayen) nur dafür sorgen, dass hier gleich der ganze Familienbetrieb brach liegt? Kann ich nix mehr ab? Was sollen denn andere Eltern sagen, deren Nächte immer so sind? Die ein Schreibaby haben oder  schlimm kranke Kinder? Warum macht mich das hier alles nur so fertig?
Ich schaue auf die Uhr. 18 Uhr. Es reicht. Wir gehen ins Bett, beschließe ich. So sehr ich mich auch aufs Kissen sehne, so sehr habe ich auch Angst. Was ist, wenn die nächste Nacht genauso wird, was, wenn das Baby wieder stundenlang schreit? Noch so eine Nacht halte ich nicht aus, hält unsere Ehe nicht aus. Und dennoch wanke ich todmüde ins Schlafzimmer und bete für eine ruhige Nacht. Gute Nacht!

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