Mama Colonel
7DokumentationDie Überlebenden sind verzweifelt. Einige bitten, andere räsonieren. Wenn Mama Colonelle geht, wer wird sie dann beschützen, fragt eine Frau. Einzig Honorine Munyole stand ihr bei, nachdem ihre Tochter vergewaltigt wurde.
Die Kamera schwenkt zu dem Mädchen. Es ist vielleicht vier Jahre und kann noch nicht vollends verstehen, was die Erwachsenen besprechen. Das kleine Kind ist eines unzähliger Opfer des 6-Tage-Krieges, der den von Aufständen und Umbrüchen erschütterten Kongo 2000 zerriss. Norden und Osten wurden von Rebellen kontrolliert, unterstützt von den Armeen Ugandas und Ruandas. Die Narben des Konflikts sind bis heute nicht verheilt. Sie werden nie heilen können, sagt die respektvoll Mama Colonelle genannte Frau im Zentrum von Dieudo Hamadis substanzieller Dokumentation.
Die dritte Arbeit des kongolesischen Regisseurs ist an erster Stelle das Porträt einer eindrucksvollen Kämpferin. Woher Honorine Munyole die Kraft für ihre Arbeit nimmt, weiß wohl nur sie allein. Aus der Biografie der 44-jährigen Kommandantin einer Spezialpolizeieinheit verrät die knappe Reportage fast nichts. Eine Szene zeigt sie mit ihren leiblichen und adoptierten Kindern daheim beim Abendessen. Das ist genug der privaten Einblicke. Was die Leiterin der Sondereinheit zum Schutz von Opfern sexueller Gewalt auszeichnet, ist ihr täglicher Einsatz. Ein Einsatz, der weit über den beruflichen Rahmen hinausgeht. Die Berichte jener, die in ihrer Hilfsstation Zuflucht suchen, schildern unermessliches Grauen.
In seiner abstoßendsten Form, der sexualisierten Folter, trifft es Kinder und Frauen. Mitgefühl oder Unterstützung hat ihr soziales Umfeld nicht übrig. Warum über einen Krieg klagen, den alle vergessen hätten? Doch für die Traumatisierten gibt es kein Vergessen. Die Wunden an Körper und Seele sind ihre Lebensrealität. Doch diesen Alltag kann Honorine zum Besseren verändern, indem sie Täter verhaftet und Schutzlosen Zuflucht bietet. Ohne erklärenden Kommentar, Musik und Interviews beherrscht die Leinwand ungeschliffener Realismus. Trotz der formellen Schwächen überzeugt das ungeschliffene Dokument mit seiner realistischen Abbildung von Brutalität, ebenso wie Humanität und vager Hoffnung – vor allem aber mit der Titelheldin, Mama Colonelle.
Regie und Drehbuch: Dieudo Hamadi, Filmlänge: 72 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2017
Autor
Lida Bach&post;