Im August war ich fünf Tage auf Mallorca. Normalerweise ist das nicht meine Reisezeit für die Baleareninsel. Es ist mir zu voll und zu heiß. Ich begleitete eine Freundin dorthin, die mich als Begleitung wünschte. Doch dieses Jahr toppte die Insel alles bisher Dagewesene.
So leer wie hier war es diesen Sommer nicht an der Hafenpromenade in Cala Ratjada. Das Bild stammt vom vergangenen April/Mai.
Alerta auf Mallorca - das Wasser wird knapp
Mallorca hat schon immer ein Problem mit dem Trinkwasser. Die Reserven sind limitiert und werden gerne ausgeschöpft. Doch dieses Jahr herrschte in der Hochsaison Alarmstufe 2. Die Bürger sollten ihren Wasserkonsum auf das Notwendigste minimieren. Zweimal ging sogar gar nichts mehr, da kam für eine Stunde nur Luft aus den Leitungen. Die Speicher sind auf knapp 40% heruntergefahren. Ist das ein Zeichen dafür, dass Mallorca am Limit angekommen ist?
Sind 14 Millionen Touristen zu viel für Mallorca?
Mit einer knappen Million Einwohner für alle Baleareninseln muss Mallorca dieses Jahr um die 14 Millionen Touristen versorgen. Bereits im Frühjahr und zu Ostern kündigte sich an, dass Mallorca 2016 zur Reisedestination Nr. 1 in Europa werden würde. Zuwächse von fast 15% wurden vermeldet. Nach diesem Sommer wird die Statistik ca. 16,5% vermerken. Die Türkei und andere krisengebeutelte Staaten kämpften schon früh mit Superschnäppchen um die ausbleibenden Touristen. Aus Sicherheitsgründen hatten sich viele für andere Ziele entschieden. Doch wie verkraftet das die Insel?
Verkehrsgefährdung durch zu viele Mietwagen
Zuerst fielen mir in den fünf Tagen die vollen Straßen auf. Ich konnte keine Strecke gemütlich fahren, ohne plötzlich in die Eisen steigen zu müssen, weil ein desorientierter Mallorcabesucher mitten auf der Landstraße stoppte, um in der Karte den richtigen Weg zu suchen. So schlimm war mir das bisher nicht aufgefallen. Manchmal war es schon richtig verkehrsgefährdend. Ich appelliere wirklich an alle Mietwagenfahrer: Bitte nicht so unkontrolliert stehenbleiben oder abbiegen! Sie gefährden damit sich und andere!
Restaurants überfüllt und Kellner am Limit
Der zweite Punkt waren die überfüllten Restaurants und Kneipen. Ich habe es noch nicht erlebt, dass man auf Mallorca für einen Tisch Schlange stehen musste. Die Kellner rannten wie verrückt, um es jedem rechtzumachen. Dennoch wurde gemeckert. Dafür habe ich wenig Verständnis. Als Besucher sollte man die Situation doch ebenfalls erkennen können und etwas Rücksicht nehmen. Man ist im Urlaub und hat doch Zeit. Niemand bedient hier mit Absicht langsam oder falsch. Irgendwann ist einfach die Kapazitätsgrenze erreicht. Natürlich freuen sich die Gastronomen, Hotelbesitzer und Ladeninhaber über die viele Arbeit. Doch man muss auch bedenken, dass der Ansturm sich auf wenige Wochen im Jahr beschränkt. Ich würde auch keine Extrakraft für drei bis vier Wochen einstellen. Das vorhandene Personal tut gewiss sein Bestes. Ok…Ausnahmen bestätigen die Regel, aber das ist überall so.
Am Strand bleiben Diebstähle im dichten Gedränge nicht aus
Drittens war der Strand vollkommen überfüllt. Ich gehe eh nicht vor 17/18 Uhr ans Meer, weil ansonsten der Sonnenbrand vorprogrammiert ist. Dann leeren sich die Strände auch langsam und man bekommt wieder einen Platz. Auch hier ist es mir noch nie zuvor passiert, dass ich mich zwischen andere Strandbesucher quetschen musste, um überhaupt noch mein Handtuch ausbreiten zu können. Natürlich bringt dieser Zustand auch Probleme mit sich. Ich war selbst dabei, als ein Nachbar plötzlich sein Handy vermisste oder ein Tourist nach seinem Geldbeutel suchte. In dem Gewusel haben Langfinger beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Beutezug.
Wasserknappheit teilweise vermeidbar
Letztes Problem und für mich die tragischste Konsequenz aus dem Boom: die Wasserknappheit. Ein Tourist verbraucht 440 Liter Wasser pro Tag. Das ist fast drei Mal so viel wie ein Einheimischer. Zu Hause brauchen wir Deutschen nur 125 Liter pro Tag. Die drastische Abweichung ergibt sich aus den Pools, Golfplätzen, gewaschenen Handtüchern und Bettlaken usw. In einem Gespräch hörte ich mit, wie sich jemand über den komischen Geschmack des Trinkwassers aus der Leitung beschwerte. Dieser begründet sich in der Art der Gewinnung. Nachdem das Grundwasser nicht mehr ausreichte, wurden die zuletzt fast stillgelegten Meerwasserentsalzungsanlagen wieder hochgefahren und laufen aktuell unter Volldampf. Aus eigener Erfahrung weiß ich leider auch, dass das Leitungsnetz auf Mallorca ziemlich marode ist. Ein Viertel des Trinkwassers geht so schon auf dem Weg zum Verbraucher verloren. Ganz übel trifft es diesen Sommer die Bergdörfer. Sie müssen Wasser bereits mit Tanklastern anliefern lassen. Die Bürger sind teilweise sauer, weil für sie Wassersparmaßnahmen gelten. Die Touristen halten sich aber nicht daran. Auch hier taucht wieder der Zwiespalt auf: Die Touristen sind herzlich willkommen. Doch man wünscht sich eben etwas mehr Rücksichtnahme auf die Gegebenheiten der Insel. Viele Besucher wissen nämlich gar nicht, dass Wasserknappheit herrscht.
Rücksichtnahme und Toleranz können viel bewegen
Ich wünsche mir für Mallorca, dass der Touristenansturm in gewisser Weise anhält. Denn wirtschaftlich braucht die Insel den Tourismus. Doch ich wünsche Mallorca auch, dass es die eigenen Grenzen erkennt und den Bogen nicht überspannt. Die Umwelt ist sehr wichtig für Mensch und Tier. Zu viele Besucher schaden ihr und nehmen der Insel damit einen wichtigen Teil ihrer Attraktivität. Und von den Besuchern Mallorcas wünsche ich mir mehr Rücksichtnahme und mehr Interesse an ihrer Reisedestination. Es gibt deutschsprachiges Radio und deutschsprachige Zeitungen, das Internet ist 24 Stunden am Tag geöffnet. Man kann sich also über die Umstände informieren und dann entsprechend reagieren. Deshalb muss man der Baleareninsel nicht fernbleiben. Aber man kann vor Ort überlegen, ob man wirklich einen Pool braucht oder doch lieber ins Meer springt. Ob man jeden Tag Handtücher und Bettlaken waschen lässt oder es vielleicht eine Woche mit der gleichen Wäsche aushält. Ob man zwei bis drei Mal am Tag duschen muss oder ob man der Haut den gesunden Aspekt eines Bades im Meer lässt. Oder ob man wirklich im Hochsommer auf die Insel muss, wenn sie auch zu anderen (Ferien-)Zeiten ein wunderschönes Ziel ist. Ich freue mich zumindest schon auf den nächsten Herbst/Winter dort!