“Malavita – The Family” von Luc Besson

Erstellt am 23. November 2013 von Denis Sasse @filmtogo

Die Mafia-Familie: Michelle Pfeiffer, Robert De Niro, Dianna Agron und John D’Leo (v.l.n.r.)

Wenn ein Film von einem verträumten kleinen Fleck Erde erzählt, auf dem die Welt noch Heile ist, die Nachbarn sich noch gegenseitig zum Grillfest einladen und das größte Vergehen wohlmöglich der Klatsch und Tratsch im örtlichen Supermarkt ist, dann weiß man als Kinozuschauer auch sogleich, dass diese Ruhe unbedingt gestört werden muss. Luc Besson, schon lange kein Vollblut-Actionfilmregisseur mehr – er hat zuletzt die Arthur und die Minimoys-Trilogie und The Lady gedreht, und auch Angel-A hatte nicht sehr viel von einem Actionstreifen – entführt die Zuschauer in ein solch beschauliches französisches Örtchen, verfrachtet aber auch gleich noch eine höchst Gewaltbereite Familie dorthin. Hierfür hat der Regisseur Robert De Niro gewinnen können, den Mafiosi-Darsteller überhaupt, familiär umgeben von Michelle Pfeiffer, Sohnemann John D’Leo und Tochter Dianna Agron.

Michelle Pfeiffer (mitte) mit ihren beiden Filmkindern Dianna Agron (rechts) und John D’Leo (links).

Den Halt seiner Familie benötigt der ehemalige Pate von New York jetzt auch, wo er mit einer einzigen Aussage vor Gericht seinen gesamten Freundeskreis hinter Gitter gebracht hat. Unter Aufsicht des FBI-Agenten Stansfield (Tommy Lee Jones mit viel zu wenig Leinwandzeit) wird die Mafia-Familie in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Nur so richtig einleben möchten sie sich nirgendwo. Immer wieder gibt es Zwischenfälle, immer wieder müssen sie unter neuem Namen in neue Städte ziehen. Und dieses Mal verschlägt es sie nun ausgerechnet in die Normandie. Aber auch hier, am Ende der Welt, schaffen es die einzelnen Familienmitglieder nicht, sich unauffällig in die Gemeinde einzugliedern. Da muss ein Klempner schon mal sein Leben lassen, wenn er falsche Ratschläge verteilt. Da geht ein ganzer Supermarkt in Flammen auf, weil an der Kasse kleine Witzeleien über Amerikaner gemacht werden. Und in der Schule herrscht auf einmal totales Chaos, weil Mafiazögling Warren den Zigarettenmarkt erschließt und mit Erpressung und Brutalität selbst den härtesten Rüpeln ihre Schranken aufzeigt, während seine Schwester Belle den Referendar verführt.

Malavita basiert auf dem gleichnamigen Roman des französischen Schriftstellers Tonino Benacquista. Amüsanterweise wurde der Roman im englischsprachigen Raum mit Badfellas übersetzt, während im Film – vermutlich haben wir es dem Hauptdarsteller zu verdanken – das Dörfchen zusammen kommt um sich gemeinsam Goodfellas anzusehen, jenen Mafia Epos, der Robert De Niro zum wiederholten Male als Gangster zeigte und von Martin Scorsese inszeniert wurde. Scorsese ist nicht fern, wenn De Niro einen Mafia-Boss spielt – und so unterstützt er auch hier Luc Besson als ausführender Produzent.

Alle zusammen scheinen schrecklich viel Spaß gehabt zu haben. Jedenfalls sieht es herrlich überzogen, fast schon cartoonesk aus, wenn die Familienmitglieder mit unterschiedlichsten Objekten ihre jeweiligen Peiniger fast zu Tode prügeln. Für eine Komödie mag das recht blutig daher kommen, dann aber muss man den Film eben auch als schwarzen Humor von Luc Besson betrachten, um sich in die Bilder einfühlen zu können. Hier zerbricht ein Baseball-Schläger bei der Klempner-Kloppe und ein Tennisschläger wird effektvoll gegen von Akne befallene Halbstarke eingesetzt, die in der Mafiatochter ihre sexuelle Erlösung erkannt haben wollen. Das Kleinbürgertum dieses französischen Dorfes erscheint so gutgläubig naiv, dass es selbst dann noch irgendwie amüsant wirkt, wenn am Ende die New Yorker Mafia vor ihren Türen steht, auf der Suche nach dem Verräter und seiner Familie und dabei mit Geigenkoffern bewaffnet über Leichen geht. Wenn zum Ende des Films jemand das Bild betritt, hat er keine lange Lebenserwartungen mehr. Dazu gibt es immer wieder versöhnlich gestimmtes Geklimper von Evgueni und Sacha Galperine, die Malavita in jedem Gewalt verherrlichenden Moment mit wunderbarer Stimmungsmusik unterlegen, wodurch jedes Brutalitätsszenario zum grotesk-witzigen Tanz wird.

Tommy Lee Jones

Schade nur, dass eine der stärksten Waffen des Films gar nicht erst zum Einsatz kommt. Das Zusammenspiel von Robert De Niro und Tommy Lee Jones wird minimal klein gehalten. Eine besondere Szene teilen die beiden. Sie versetzt die Handlung in eine Art Dorfhalle, wo nun eben Goodfellas gezeigt werden soll. Mit seiner steinernden Mimik deutet Jones immer wieder an, dass das keine gute Idee sei, De Niro kontert mit seiner üblichen Mafia-Gleichgültigkeit. Ein Kräftemessen zweier Veteranen, auf das hier nun leider viel zu kurz ein Blick geworfen wird. Dianna Agron spielt derweil die Mafiatochter Belle anfangs noch als starkes, taffes Mädel, findet sich aber schon sehr bald in Liebeleien wieder, die zuerst als ironischer Versuch gewertet werden könnten, den Oberstufenmädels an ihrer Schule eins auszuwischen. Aber schon bald wird klar, dass sich ihre Figur tatsächlich zum schmachtenden Teenie entwickelt. Am Ende darf sie zwar auch zur Waffe greifen und Papa helfen, nicht aber ohne zuvor noch den ultimativen Herzschmerz zu erleiden.

Somit mag Malavita einen guten Witz und gewaltsame Übertreibungen miteinander kombinieren, relativiert den Unterhaltungswert dann aber durch die übermäßige und unnötige Abstinenz von Tommy Lee Jones sowie der Verhaltens-Inkonsistenz Belles. Dennoch wird man sich größtenteils prächtig unterhalten fühlen, es sei denn, man hat immer noch Luc Besson vor Augen, wie er Léon – Der Profi dreht. Luc Besson, der Acionregisseur. Das ist er wahrlich nicht mehr. Auch in Malavita spritzt mehr Witz als Blut hervor.


“Malavita – The Family“

Originaltitel: The Family
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA/F , 2013
Länge: ca. 111 Minuten
Regie: Luc Besson
Darsteller: Robert De Niro, Michelle Pfeiffer, John D’Leo, Dianna Agron, Tommy Lee Jones

Kinostart: 21. November 2013
Im Netz: malavita-thefamily.de