Von Jürgen Voß
Was mir beim Anblick unserer „Spitzen“-Politiker so alles einfällt.
Zu Beginn zwei Szenen:Vor ein paar Wochen, wohl anlässlich seines Rücktritts, war in der Süddeutschen ein Bild des jungen Roland Koch. Feist grinsend, mit einem pubertären Fettigesicht, sah man ihn neben Helmut Kohl sitzen, der – man muss es leider zugeben – das wesentlich sympathischere Erscheinungsbild abgab. Man schrieb das Jahr 1985.Wie war es möglich, dass die Rekrutierungsmechanismen einer großen Partei so versagten, dass ein solcher Unsympathling jahrelang ein politisches Führungsamt innehaben konnte?
Dann: Sonntagabend, bei Anne Will, die wie üblich mit ihrem zauberhaften Blendamedlächeln eine sehr seltsam gecastete Runde moderierte, zu der auch unsere Arbeitsministerin gehörte, die mit knarzender Stimme und typischem Rehkitzblick die neuen skandalösen Hartz-IV-Beschlüsse vehement als sozial vollkommen gerecht verteidigte.
Hier schon die politisch natürlich vollkommen unkorrekte Frage: Was sucht so ein Multimillionärsstöchterchen ausgerechnet in der Sozialpolitik?
Ähnlich seltsam: Warum finden die Menschen den gegelten Strahlemann Gutten-berg so toll, der von seinem Schloss herabgestiegen ist, um den Untertanen gutes zu tun. Hat die Gesellschaftsschicht, aus der er stammt, in den letzten hundert Jahren eigentlich nicht genug Unheil angerichtet? Will er Wiedergutmachung leisten? Waren diese Herrschaften etwa nicht durchgehend reaktionär, haben sie nicht in zwei Weltkriegen, besonders aber im ersten, Millionen junger Menschen sinnlos geopfert?
Des weiteren:Noch vor zwanzig Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, von einer so unglücklich auftretenden Sancho Pansa-Figur wie Merkel und einem therapiereifen Berufsjüngling wie Westerwelle regiert zu werden, im Vergleich zu dem Möllemann ein seriöser Staatsmann war.
Wohlgemerkt: Es geht gar nicht um CDU oder SPD oder eine sonstige Partei. Das gesamte politische Personal der letzten beiden Jahrzehnte ist mir irgendwie sus-pekt. (Und ich glaube, das geht nicht nur mir so, sonst wären die Wahlbeteiligungen höher.) Früher der Schröder, ein brutaler Parvenue, dem ich keine Minute mein Portemonnaie anvertraut hätte, oder Fischer, ein egomaner Bluffer und Schauspieler, ohne jede Qualifikation, der aber Ende der siebziger so eben noch die Kurve zum Berufspolitiker gekriegt hatte. Auch Claudia Roth Roth fällt mir ein, mit einem Semester Theaterwissenschaften, ebenfalls Berufspolitikerin auf Gedeih und Verderb, schrill und penetrant, die mir als altem Mann ihre Weisheiten als „letzte“ verkaufen will. Oder der stets süffisant grinsende Trittin, der wie viele „Grüne“ gut ein Jahrzehnt in einer kommunistischen Karnevalsgruppe verbracht hat, jetzt aber schon lange staatsmännisch aufzutreten weiß.
Die Liste ist endlos, die Vervollständigung wäre vielleicht amüsant, führt aber nicht weiter.
Die Grundfrage lautet doch: Ist „unsympathisch“, zu sein, sozial unsensibel, eiskalt und rücksichtslos seine ganz persönlichen Ziele zu verfolgen, eigentlich die „conditio sine qua non“ einer erfolgreichen Karriere und damit des gesamten politischen Alltagsbetriebes? Kann man selbst als widerliche Kotzkanne jederzeit Ministerpräsident werden?
Oder anders: Warum gibt es so wenig sympathische Menschen in der Politik. Leute, denen man ansieht, dass sie auch mal unsicher sein können, dass sie mal nachdenken, dass sie mal selbstkritisch sind, Empathievermögen zeigen und vielleicht sogar so etwas wie Freundlichkeit und Warmherzigkeit ausstrahlen?
Fällt uns da außer Willy Brandt und Friedrich von Weizsäcker überhaupt jemand ein? War sie die letzten einer für immer ausgestorbenen Art? Müssen wir uns jetzt für immer mit Typen wie Missfelder, Rösler, Lindner und Konsorten abfinden?
Jeder von uns hat doch Bekannte und Freunde mit den genannten Eigenschaften, finden diese alle nicht den Weg in die Politik oder verlieren sie alle diese Eigenschaften, wenn sie ihn gefunden haben?