Mal aktuell: Don’t Breathe

Erstellt am 9. September 2016 von Marcel Michaelsen @filmschrott

Es ist ja kein großes Geheimnis, dass ich eher selten Filmtrailer gucke. Gerade heutzutage, wo Trailer die unfassbar dämliche Eigenart aufweisen, den ganzen Plot und jeden Twist des Films direkt zu verraten, mache ich einen gewaltigen Bogen um diese einst eigene Kunst des Filmschnitts herum. Aber wenn man im Kino sitzt kann man sich nur schwer davor retten. Wenn man nicht wie ein Trottel vor der Tür stehen will, bis der Hauptfilm anfängt, muss man nun mal den ein oder anderen Trailer über sich ergehen lassen. Meist sind die eher abschreckend. Meist verraten die direkt alles und man braucht den Film gar nicht mehr gucken. Aber manchmal gibt es eben doch noch Trailer, die einfach Lust auf den Film machen. So ein Beispiel war der Trailer zu:

DON’T BREATHE – USA – 2016 – 88 Min.

Eine Sache vorweg. Ich raffe nicht, warum heute alles, was auch nur ansatzweise etwas Brutalität in der Story hat, direkt als Horror bezeichnet wird. Don’t Breathe ist KEIN Horrorfilm. Nicht mal ansatzweise. Der Film ist nicht gruselig. Der Film hat keine wirklichen Schockmomente. Der Film hat absolut nichts Übernatürliches. Der Film ist KEIN Horrorfilm. Für mich ist der Film ein Psychothriller. Ein bisschen hat er mich von der Idee an Panic Room von David Fincher erinnert. Drei Leute brechen in ein Haus ein und müssen sich dann mit einem Problem herumschlagen, mit dem sie zuvor nicht gerechnet haben. Es sagt auch niemand, dass Panic Room ein Horrorfilm ist. Also: Psychothriller. So.

Aber egal was es dann letztlich ist, es ist verdammt gut. Der Film ist sich absolut bewusst, dass er sich in einem sehr vorhersehbaren Rahmen bewegt, was schon in der ersten Einstellung klar wird. Da nutzt man nämlich das komplett ausgelutschte Stilmittel der Vorblende, mit einem Blick auf den Ausgang des Films. Zumindest soll man das denken. Aber zum Glück macht der Film nicht so vorhersehbar weiter, wie man denken könnte. Denn gerade zum Schluss, wird man doch immer wieder überrascht dadurch, dass das Ende doch noch nicht gekommen ist. Mehrmals scheint es vorbei zu sein, eine der beiden Parteien gewonnen zu haben, und dann gibt es doch noch eine kleine Zugabe.

Die Charaktere sind nicht besonders ausgearbeitet. Wie man es von so einem Film gewohnt ist. Das Bisschen, das man erfährt erfüllt seinen Zweck. Allerdings hat man ein Problem, wenn man unbedingt eine Person braucht, der man einen Sieg wünscht. Immerhin reden wir hier von drei Einbrechern und einem blinden Mann mit Leichen im Keller. Hier gibt es kein gut und böse. Kein schwarz und weiß. Niemand in diesem Film hat ausschließlich gute Absichten. Wenn man das sucht, sucht man vergeblich. Aber das macht die Charaktere greifbarer. Leider erfährt man aber nur über zwei der vier Hauptfiguren wirklich genug um sich überhaupt für sie zu interessieren. Stephen Langs blinder Mann und die von Jane Levy gespielte Rocky sind Protagonist und Antagonist. Wer was ist, muss jeder für sich entscheiden. Vielleicht sind auch beide beides. Die anderen zwei sind einfach nur da. Man weiß leider viel zu wenig über die restlichen Figuren, um sich wirklich für sie zu interessieren und auch, um gutzuheißen, was sie tun. Denn deren Beweggründe sind nicht klar. Man weiß nur, dass sie Geld wollen. Wofür erfährt man nicht, womit sie einfach nur Einbrecher sind. Da hätte man ruhig noch 5 Minuten investieren können, um auch denen etwas Profil zu geben. Mehr Zeit hat man für Rocky auch nicht geopfert. Und da liegt dann auch mein einziger Kritikpunkt. Mal wieder scheitert ein Film daran, mir die Charaktere nahe genug zu bringen, dass ich wirklich mit ihnen mitfiebern, mitleiden, oder gegen sie sein kann. Sie sind mir mal wieder zu egal. Zum Glück schafft der Film es trotzdem, Spannung aufzubauen. Nur wäre da eben viel mehr drin gewesen. Eben eine typische Krankheit des Genres.

Genau wie die typischen dummen Entscheidungen und Zufälle, mit denen man sich hier natürlich auch abfinden muss. Zumindest wirkt der Film aber für das was er ist, doch ziemlich gut durchdacht.

Absolut erwähnenswert sind noch ein paar technische Aspekte des Films. Vor allem der Sound, den man hier wunderbar einsetzt, um den Vorteil des blinden Mannes hervorzubringen, ist einfach super. Und auch visuell hat man hier einiges richtig gemacht. Kamerafahrten sorgen zu Beginn für Foreshadowing und die Kellerszene in völliger Finsternis ist hervorragend umgesetzt. Und jede Szene fängt mit der Kameraeinstellung die Enge und Bedrängtheit der Charaktere sehr gut ein.

Wer mal wieder einen spannenden und etwas anderen Horror Psychothriller sehen will, sollte ins Kino gehen. Denn das Ding hier ist einfach sehr gut umgesetzt und man merkt, dass hier Leute am Werk waren, die tatsächlich Lust hatten, auf das was sie tun. Eine Tugend, die in der Filmbranche heutzutage leider viel zu selten anzutreffen ist.