Majdanek • Hölle der Zwangsarbeit und Vernichtung

Von Renajacob @renajacob

Im Generalgouvernement des Hans Frank, der sein grausames Regime in diesem Distrikt im eroberten Polen von Krakau aus ‚regierte’, sollte die Idee des ‚Lebensraums im Osten’ für Volksdeutsche als erstes verwirklicht werden. Hier sollte sich in den Städten Industrie ansiedeln, aber auch der ländliche Raum sollte gestärkt und ‚Deutsch’ werden. Dafür benötigte man zum einem qualifizierte Arbeitskräfte und zum anderen mussten, gemäß der NS-Ideologie, der Raum von ‚Untermenschen befreit’ werden. Als Untermenschen galten Slawen, also Polen, Ukrainer und Russen, sofern sie nicht ‚nordisch’ daherkamen und natürlich auch Juden und Roma. Diese Personen sollten zentral untergebracht werden, also ghettoisiert werden und durch Zwangsarbeit ‚natürlich’ dahinscheiden. Zu diesem ‚germanischen Traum’ gehörte es, aus der Stadt Lublin eine ‚deutsche’ Stadt zu machen; eine Vision, die sich nie umsetzen ließ. In Lublin wurde ein Ghetto für die Juden errichtet, in dem zeitweise bis zu 26 000 Menschen lebten und auf der Burg von Lublin wurde ein Gestapo-Gefängnis errichtet, hier war auch der Hauptsitz, der Koordination der berüchtigten ‚Aktion Reinhardt’. Am 17. Juli 1941 beauftragte Adolf Hitler nachweislich, Heinrich Himmler als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei mit der ‚polizeilichen Sicherung der neu besetzten Ostgebiete’ in der Sowjetunion. Damit nahm er im Zusammenhang mit dem neuen Feldzug gegen die Sowjetunion eine Aufgabenteilung mit der Wehrmacht vor. Himmler seinerseits ernannte noch am selben Tag Brigadeführer Odilo Globocnik, den SS- und Polizeiführer Lublins, zu seinem ‚Beauftragten für die Errichtung der SS- und Polizei-Stützpunkte im neuen Ostraum’, einem Plan für ein ausgedehntes Netz von militärisch befestigten SS- und Polizeistandorten einschließlich Wohnbezirken für deren Familien zu erstellen. Ausgangspunkt und Zentrum dieses SS- und Polizeikasernenviertels sollte die deutsch zu besiedelnde Stadt Lublin werden. Die gewaltigen Baupläne für ein ‚deutsches’ Lublin sollten von Zwangsarbeitern und Häftlingen verwirklicht werden. Am 20. Juli 1941 besuchte Himmler Lublin und befahl Globocnik die Errichtung eines Konzentrationslagers von 25.000 bis 50.000 Häftlingen zum Einsatz für Werkstätten und Bauten der SS und Polizei. Dabei gab er allem, was er unter Globocniks Regie vonstatten gehen sollte, den Namen ‚Programm Heinrich’. Die tatsächliche Bauleitung für das Konzentrationslager lag, wie sonst im Reich üblich, beim SS-Hauptamt Haushalt und Bauten unter Leitung von Hans Kammler; dieser erteilte am 22. September 1941 den Baubefehl für den ersten Bauabschnitt des Konzentrationslagers zur Unterbringung von 5.000 Häftlingen.

In gleichnamigen Vorort von Lublin wurde das Konzentrationslager Majdanek errichtet, das zuerst unter dem Namen KZ Lublin firmierte. Anfang November erweiterte Kammler die Planung des Kriegsgefangenenlagers auf 125.000, im Dezember auf 150.000, im März 1942 gar für unglaubliche 250.000 sowjetische Kriegsgefangene. Realisiert wurde davon nur ein Bruchteil. Mitte Dezember 1941 waren Baracken für rund 20.000 Kriegsgefangene fertig gestellt. Unter mörderischen Bedingungen waren die Bauarbeiten bis dahin von etwa 2.000 sowjetischen Kriegsgefangenen verrichtet worden. Von ihnen waren Mitte November nur noch 500 am Leben, davon waren mindestens 30 Prozent arbeitsunfähig. Ab Mitte Dezember wurden 150 Juden aus Globocniks Lubliner Zwangsarbeitslager Lipowa-Straße in Majdanek eingesetzt. Nichts in diesem Lager entsprach der Planung und das von Anfang an, auch die schnell aufeinander folgenden Leiter des Lagers brachten keine ‚Ordnung’ in die Planung, so blieb das Konzentrationslager Majdanek bis zum Schluss ein ‚Provisorium’ und auch kein eindeutig zu benennendes Lager. In die dann später aufgeteilten Felder des Lagers gab es ein Kriegsgefangenenlager, ein Zwangsarbeiterlager, ein Judenlagen und Lager für die entsprechenden Firmen, die sich rund um das Lager ansiedelten um von den billigen Arbeitskräften zu profitieren. Diese Form der ‚Multifunktionalität’ des Lagers ließ auch in der Erinnerung Überlebender verschiedene Aussagen zu, was Historiker zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen über das Lager veranlasste. So gibt es bis heute keine einheitliche historische Sichtweise auf das Konzentrationslager Majdanek, was mehr als bedauerlich ist, da gerade die unterschiedlichen Einschätzungen der Historiker zu den Vorkommnissen in Majdanek dazu führten, das gerade Leugner der Gräueltaten der NS-Schergen, diese strittigen Unterschiedlichkeiten für ihre abstruse Argumentation nutzten und noch bis heute nutzen. Auch über die Gaskammern in Majdanek gibt es sehr unterschiedliche Einschätzungen, dass sie gebaut wurden, ist unbestritten, da sie bis heute zu besichtigen sind, doch sind die verbliebenen Gebäudeteile recht unterschiedlich zu denen, der anderen ausschließlichen Vernichtungslager und Aussagen Überlebender stimmen mit den vorhandenen Gebäudeteilen nicht immer überein. Dass in Majdanek Menschen in größerem Ausmaß vergast wurden, kann heute nicht bestritten werden, doch war die ‚Vernichtungsindrustrie’ nicht kontinuierlich genug, um das Lager Majdanek mit anderen Lagern ähnlichen Ausmaßes zu vergleichen. So muss dies Lager sehr genau getrachtet werden und zwar in seinen Felder-Aufteilungen und nicht als Gesamtkonzept, das, wenn es das je gab, nie zur Umsetzung kam.

Alle Spielarten der Vernichtung von Menschen wurden hier in Majdanek angewandt, von der Vernichtung durch Arbeit, durch Verhungern, durch Erhängen und Massenerschießungen, bis hin zur Vergasung  sowohl mit Kohlenmonoxyd, wie auch mit Zyklon B. Hinzu kommt die hohe Fluktuation der Lagerleitung, die den unteren Rängen des SS-Personals fast alle ‚Freiheiten’ zur Drangsalierung, Demütigung und Quälerei der Häftlinge Tür und Tor öffnete. So kommen spätere Aussagen ehemaliger Häftlinge zu völlig verschiedene Erlebnisse und Einschätzungen, wobei diese m. E. deshalb nicht weniger Wahrheitsgehalt haben, nur weil es nicht genug Überlebende gab und gibt, die gleichlautende Aussagen machten.  

Das Lager nahm eine Fläche von 250 ha ein und war mit einem Stacheldrahtzaun umgeben. Nur an der südöstlichen Seite wurde das Lager durch kleine Bunker gesichert, die ständig mit SS-Wachleuten besetzt waren. Den Kern des Lagers bildete das Schutzhaftlager, das mit einem doppelten Stacheldrahtzaun umgeben und ab Sommer 1942, nach einem Ausbruch sowjetischer Kriegsgefangener, durch eine Starkstromleitung gesichert war. Die Häftlinge schliefen in Baracken, diese Baracken hatten keine Fenster, Licht konnte nur durch die Dachluken ins Innere dringen. Die Häftlinge schliefen auf Stroh oder auf Papiersäcken. Später ließen die SS-Leute Pritschen aufstellen. 250 dreifach übereinander liegende Pritschen in einer Baracke. Bis zu 1.000 Häftlinge teilten sich eine Baracke auf ungefähr 360 Quadratmeter Fläche. Das Lager war im Endstadium in sechs umzäunte Lagerabschnitte, ‚Felder’ genannt, unterteilt, von denen fünf mit Häftlingsunterkünften, insgesamt mehr als 100 Baracken, belegt waren. Ein Wirtschaftskomplex umfasste landwirtschaftliche Nutzflächen, Gewächshäuser und Werkstätten wie Tischlerei, Schneiderei oder Schuhmacherwerkstatt. Wegen immerwährend nur provisorisch eingerichteter Baulichkeiten, schlechter Wasserversorgung und mangelnder sanitärer Verhältnisse war eine ungewöhnlich hohe Sterblichkeitsrate zu verzeichnen. Die Zahl der im Lager untergebrachten Häftlinge schwankte meist zwischen 10.000 und 15.000 und erreichte erst im Sommer 1943 eine Zahl von 25.000. Die Größe der Belegschaft wuchs mit dem Ausbau des Lagers und dem Anschluss von Außenlagern. Ende 1943 bestand das Lagerpersonal aus 1.258 Personen, darunter 261 im Kommandanturstab. Drei der Kommandanten waren wegen Veruntreuung und Unterschlagung vorbestraft; Koch, der erste Kommandant des Lagers, wurde wegen einer Korruptionsaffäre später verurteilt und auf Befehl Himmlers hingerichtet. Insgesamt gab es in Majdanek sieben Gaskammern. Gemordet wurde mit Kohlenmonoxid und dem Insektenvertilgungsmittel Zyklon B. Eng verbunden ist mit dem Lager Majdanek die so genannte ‚Aktion Erntefest’, bei dieser kamen tausende von Juden zu Tode; ein weiterer nachzuweisender Anteil an der Shoah, der Vernichtung von Juden, ist das erst spät entdeckte Höfle-Telegramm, in dem die Zahl vergaster Juden auf 24 733 angegeben wurde. Wie hoch der Anteil der Toten des Holocaust im Lager Majdanek wirklich war, ist bis heute nicht völlig geklärt. In dem Gebäude mit den Gaskammern befand sich auch ein Duschraum, den die Häftlinge nur selten benutzen durften. Wenn überhaupt, dann nur für wenige Minuten, ohne Seife oder Handtücher zu bekommen. Auch diejenigen, die vergast werden sollten, durften vorher duschen. Dadurch täuschten die SS-Leute eine ‚Normalität’ vor, die Panik verhindern sollte. Die ehemalige KZ-Insassin Irina Marszalek erinnert sich: "Der Dampf ist gewichen, ich kann jetzt die kleinen und hochgelegenen Fenster sehen, dahinter die Gesichter von SS-Leuten. Sie beobachten uns, so wie sie sonst ihre Vergasungsopfer beobachten. In der Ecke am Eingang steht eine steinerne Wanne. Sie ist mit Lysol gefüllt, zur Desinfektion. Die Türen öffnen sich, zwei SS-Männer und die Aufseherin unterhalten sich und lachen dabei. Auch der Kapo benimmt sich ungehemmt: Von Zeit zu Zeit gibt er einer der nackten Frauen einen Klaps auf den Po. Das Wasser wird abgestellt. Jede von uns muss in die steinerne Wanne tauchen. Dann stehen wir in einer zweiten Schlange zum Flittieren an: Ein SS-Mann hält einen großen Zerstäuber mit Flit (aus dem polnischen für ein Insektizid, Anmerk.d.V.) in der Hand. Wir müssen die Hände hochheben, alle mit Haar

bewachsenen Körperpartien werden bespritzt. Die Siegergesellschaft lacht dabei."

Ab Februar 1943 wurde das Lager Majdanek wegen der geänderten Kriegslage zum größten Teil geräumt, weite Teile wurden dem Erboden gleich gemacht und was äußerst selten war, fast alle Unterlagen wurden vernichtet.  

Heute ist eine Gedenkstätte eingerichtet, auch noch Baracken, die zu besichtigen sind und die Gaskammern. Aus zusammengetragen Material ist eine Ausstellung aufbereitet, darauf hingewiesen werden muss, dass es noch Dokumente gibt, die historisch nicht aufgearbeitet sind. Ob das in nächster Zeit geschehen wird, ist aus meiner Sicht eher unwahrscheinlich, da sich die entsprechenden Historiker ob aus Polen, Deutschland oder den USA über die Herangehensweise uneinig sind; zumal die Gelder dahingehend knapp sind.

Doch wie auch immer die Angaben bis heute zu werten sind, so war für die Inhaftierten das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek eine Zeit des tiefsten Grauens, ganz gleich ob sie diese Hölle überlebten oder nicht, darum ist dieser Menschen immer zu gedenken und ihr Schicksal hat uns auch immer eine Mahnung zu sein.

Weiterlesen:

➼ Die schändliche „Aktion Erntefest“

➼ Otto Freundlich • Pionier der Abstrakten • Vergast in Majdanek

darüber hinaus:

➼ Index der Täter • Die Blutspur des Arnold Strippel

Bild 1: Lager Majdanek – Quelle: theholocaustexplain.org · Bild 2: Zeichnung eine Häftlings + Bild 3: Schuhberg von Toten fotografiert von Rotarmisten – beides Quelle: zchor.org · Bild 4: Zeichnung eines ehemaligen Häftlings – Quelle: jewishgen.org