England, 1908.Wer im Waisenhaus aufwächst, weiß kaum etwas über seine Familie. Die Namen der Kinder werden willkürlich von der Vorsteherin ausgewählt und meist sind es nur die kleinen und niedlichen Mädchen, die ein neues Zuhause in einer Familie erhalten. Als der elegante Rufus Molyneux das Waisenhaus aufsucht und sich ausgerechnet für ein älteres Mädchen entscheidet, das als einziges nicht versucht zu gefallen, ist das Erstaunen groß. Sie muss sofort das Haus mit ihm verlassen und gemeinsam mit ihm und seiner Schwester Violet in eine Kutsche steigen, die sie auf den Familiensitz bringt. Fortan soll ihr Name Florence (französische Aussprache) sein und ihre Aufgabe im Haushalt ist eine sehr ungewöhnliche: Sie soll sich um ein Zimmer voller Puppen kümmern, das außer ihr niemand betreten darf und über das sie mit niemandem sprechen darf.
"Das Puppenzimmer" von Maja Ilisch ist die erste Veröffentlichung der Autorin und ein ganz beachtliches Debüt. Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, er wirkt frisch und leicht und passt gut zur Erzählerin Florence.Inhaltlich ist es schwierig etwas darüber zu sagen, ohne zu viel zu verraten. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass es sich nicht um einen reinen historischen Roman oder Mystery-Thriller handelt, sondern das Buch auch große Fantasyanteile enthält. Wer das gar nicht mag, der sollte daher besser zu einem anderen Buch greifen. Wem jedoch der Genremix gefällt, der wird mit "Das Puppenzimmer" ein sehr ungewöhnliches Buch entdecken, das auch zu überraschen vermag.Florence ist eine sehr interessante Hauptfigur, die auch als Erzählerin überzeugen kann. Ich habe sie sehr gerne begleitet, doch durch diese sehr einseitige Perspektive blieben die anderen Figuren ein wenig blass und wurden sehr in den Hintergrund gedrängt. Manchmal hätte ich mir doch gewünscht ein wenig mehr von ihren Motiven und Persönlichkeiten zu erfahren. Inhaltlich konnte mich auch nicht alles überzeugen. Bei mir sind einige Fragen offen geblieben und die Entwicklung der Geschichte entsprach nicht unbedingt dem, was ich erwartet hatte. Zum Ende hin war ich nicht mehr so fasziniert von den Ereignissen, da ich nach dem guten Beginn und Mittelteil einfach noch etwas anderes erwartet hätte. Aber das ist sicherlich auch Geschmackssache. Gut gefallen hat mir dagegen die Darstellung der Epoche durch die Autorin, die sehr realistisch wirkt.Empfehlen kann ich "Das Puppenzimmer" an alle Leser ab ca. 14 Jahren die auf der Suche nach einem Genremix aus historischem Roman, Mystery und Fantasy sind.
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