Mahler statt Schumann, nicht Ania Vegry

Von Helge

Mahler statt Schumann, nicht Ania Vegry: 179. Burgdorfer Schlosskonzert mit erstklassigem Ersatzprogramm, Mareike Morr, Tobias Schabel, Natascha Konsistorum - 27. März 2011 Region Hannover

Eine Künstlerin muss einen Tag vorher ihr Konzert absagen, weil ihr Instrument, die Stimme, grippal bedingt versagt. Schrecklich nicht nur für die Künstlerin, sondern auch für den Veranstalter. Aber ich muss sagen, Scena in Burgdorf ist damit auf bewundernswerte Weise fertig geworden! Als ich hier im Kulturblog den kleinen Vorausbericht geschrieben habe, wusste ich natürlich noch nichts von dem Fiasko. Ania Vegry hat also am Sonntag - an meinem Geburtstag übrigens - NICHT gesungen. Und Goethes Mignon-Lieder gab es auch nicht.


Mareike Morr, Mezzosopran, und Tobias Schabel, Bass, haben 13 Lieder aus "Des Knaben Wunderhorn" - vertont von Gustav Mahler - gesungen, am Klavier begleitet von Natascha Konsistorium.

 
Kurze Beschreibung von zwölf der 13 Lieder, wie man sie bei Wikipedia nachlesen kann (wobei ich die Reihenfolge hier nach der Folge im Konzert verändert habe):

1.  In „Verlorne Müh’“ kabbelt sich ein Pärchen im Dialekt.

2. "Urlicht"

3. In „Der Tamboursg'sell“ wird ein Tambourgeselle am Galgen hingerichtet.

4. In „Wo die schönen Trompeten blasen“ besucht ein Soldat seine Liebste und zieht danach in den Krieg.

5. In „Trost im Unglück“ kommen ein Husar und sein Mädchen zu der Erkenntnis, dass sie auch ohneeinander auskommen.

6. Die Hauptperson von „Rheinlegendchen“ stellt sich vor, sie würfe einen Ring in den Rhein, wo dieser von einem Fisch gefressen würde, der wiederum dem König serviert würde. Dieser würde den Ring an die Geliebte weitergeben.

7. „Revelge“ handelt von einem Soldaten, der an gefallenen und verwundeten Kameraden vorbei trommelnd in den Tod marschiert.

8. In „Wer hat das Liedlein erdacht?“ wird einer lebenslustigen Wirtstochter ein Liebeslied gesungen.

9. In „Der Schildwache Nachtlied“ schildert eine Schildwache ihre Trauer darüber, dass sie Nachtwache halten muss, während alle anderen schlafen können.

10. In „Lob des hohen Verstandes“ halten Kuckuck und Nachtigall mit dem Esel als Schiedsrichter einen Wettstreit ab, wer von beiden besser singen kann. Mahler macht sich in diesem Lied versteckt über Musikkritiker lustig.

11. In „Das irdische Leben“ fleht ein hungerndes Kind seine Mutter um Essen an, wird von ihr jedoch vertröstet. Als das Brot fertig ist, ist das Kind jedoch tot.

12. In „Des Antonius von Padua Fischpredigt“ (dessen Musik sich im 3. Satz der 2. Sinfonie wiederfindet) geht, nachdem seine Kirche leer ist, Antonius zu den Flüssen, um stattdessen den Fischen zu predigen. Die sind von der Predigt begeistert, vergessen sie jedoch bald wieder - so wie das menschliche Publikum wohl auch....

 13. Im „Lied des Verfolgten im Turm“ preist ein Gefangener die Freiheit der Gedanken (siehe auch: Die Gedanken sind frei).

 ("Urlicht" habe ich hinzugefügt, weil es im Konzert an zweiter Stelle vorgetragen wurde - weshalb es zu der sonst üblichen Reihe von zwölf Liedern nicht gehört, lässt sich bei Wikipedia nachlesen.)

 Von "Urlicht" sei hier statt der Beschreibung der vollständige Text wiedergegeben:

O Röschen rot,
Der Mensch liegt in größter Not,
Der Mensch liegt in größter Pein,
Je lieber möchte ich im Himmel sein.
Da kam ich auf einen breiten Weg,
Da kam ein Engelein und wollt mich abweisen,
Ach nein, ich ließ mich nicht abweisen.
Ich bin von Gott, ich will wieder zu Gott,
Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben,
Wird leuchten mir bis in das ewig selig Leben.

 (Quelle: 99gedichte.de )

 Und noch ein Text, weil mir dieses Lied so gut gefallen hat:

Wer ist denn draußen und wer klopfet an,
Der mich so leise, so leise wecken kann?
Das ist der Herzallerliebste dein,
Steh auf und laß mich zu dir ein!
Was soll ich hier nun länger stehn?
Ich seh die Morgenröt aufgehn,
Die Morgenröt, zwei helle Stern,
Bei meinem Schatz, da wär ich gern,
bei meiner Herzallerliebsten.
Das Mädchen stand auf und ließ ihn ein;
Sie heißt ihn auch wilkommen sein.
Willkommen, lieber Knabe mein,
So lang hast du gestanden!
Sie reicht ihm auch die schneeweiße Hand.
Von ferne sang die Nachtigall
Das Mädchen fing zu weinen an.
Ach weine nicht, du Liebste mein,
Aufs Jahr sollst du mein eigen sein.
Mein Eigen sollst du werden gewiß,
Wie's keine sonst auf Erden ist.
O Lieb auf grüner Erden.
Ich zieh in Krieg auf grüner Heid,
Die grüne Heide, die ist so weit.
Allwo dort die schönen Trompeten blasen,
Da ist mein Haus, von grünem Rasen.
(Quelle: recmusic.org )

Gustav Mahler (1860 - 1911) hat diese Lieder 1892 bis 1898 komponiert. Der Liederabend sollte auch an seinen 100. Todestag erinnern.

Zum Konzert selbst: 

Es wurde ein Abend von besonderem Zauber mit melancholischem Grundton. Mareike Morr und Tobias Schabel haben die meisten Lieder im Wechsel einzeln gesungen, einige auch zusammen im Duett (abhängig vom Text). Das Puiblikum musste sich, wie es scheint, erst an den (nicht erwarteten) Mahler-Ton gewöhnen - aber spätestens beim vierten Lied (Text oben) hat Mareike Morr mit ihrer bewundernswerten Modulationsfähigkeit die Herzen der Zuhörer gewonnen, man spürt es. Die melancholische Heiterkeit des Liedes hat sie fein herausgearbeitet. Tobias Schabel hat mit seinem großartigen Bass bei "Tambourg'sell" und "Revelge" sofort überzeugt (allerdings schien es ihm verständlicherweise eher schwer zu fallen, sich auf den kleinen Raum einzustellen). Als beglückendes Beispiel für ein von beiden vorgetragenes Lied möchte ich "Trost im Unglück" hervorheben. Natascha Konsistorum hat ausgesprochen einfühlsam begleitet und damit den Gesamteindruck gesteigert.

Dem Verein Scena ist für diesen schönen Abend zu danken; der wiederum bedankte sich beim Publikum für seine Toleranz mit einem Gläschen Sekt (eine nette Geste, aber von der Sache her unnötig - sie hatten Flexibiltät bewiesen).

Bildquellen: Mareike Morr von ihrer eigenen Seite, Tobias Schabel von der Seite der hannoverschen Staatsoper - beides ist auch als Hinweis gedacht, wo man über die Künstler nachlesen kann. Von Natascha Konsistorum habe ich leider kein geeignetes Bild gefunden (pardon für die Unhöflichkeit) - im Netz kann man finden, dass sie ein gutes Buch über den Komponisten Nikolaj Medtner geschrieben hat.